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Mercedes AMG Project One Car heißt das verrückte Auto, das Daimler als ersten Formel-1-Wagen mit Straßenzulassung bewirbt und das auf der IAA die Motorfreaks anlockt. Das Geschoss wird von 1000 PS angetrieben.
© Daniel Roland/AFP

67. IAA in Frankfurt: Zukunftsmusik im Wohnzimmer der Autobauer

Es ist fast wie immer auf der IAA: Starke Autos, selbstbewusste Manager, viel Trubel und Show. Die elektromobile Zukunft sieht vorerst nur gut aus.

Grau ist alle Theorie – und grau ist auch der Audi „Aicon“, der am Dienstag auf die Bühne der IAA rollt. Ohne Lenkrad, ohne Verbrennungsmotor und ohne eine Chance, jemals in dieser Form produziert zu werden. Graue Theorie. Audi will mit dem Concept-Car nur zeigen, wie man sich in Ingolstadt die Zukunft der Mobilität vorstellt. „2025 wird jeder dritte Audi elektrisch sein“, sagt Rupert Stadler. Elektrisch, vernetzt, autonom – so sehen alle Hersteller das Auto von morgen. Anders als die anderen aber will der Zwölf-Marken-Konzern Volkswagen, zu dem Audi gehört, in allen Disziplinen Weltspitze sein.

Auf der Internationalen Autoausstellung (14. bis 24. September) kündigt VW-Konzernchef Matthias Müller die „größte Elektrifizierungsoffensive in der Autoindustrie“ an. 2025 werde man die Nummer eins in der Elektromobilität sein. 50 Milliarden Euro schreibt Volkswagen für Partnerschaften und Aufträge im Batteriegeschäft aus, 20 Milliarden Euro werden zusätzlich bis 2030 in die Industrialisierung der Elektromobilität investiert. Bis 2030 werde das gesamte Portfolio des Konzerns mit rund 300 Modellen elektrifiziert sein, kündigt Müller an. „Ein Unternehmen wie Volkswagen muss führen, nicht folgen.“

Die Autobosse warnen vor "ideologischen Grabenkämpfen"

Wer geglaubt hatte, die Diesel-Krise habe den Wolfsburger Konzern bescheiden werden lassen, der sieht sich in Halle 3 des Messegeländes getäuscht. In Wolfsburg denkt man immer noch groß. Die Internationale Autoausstellung (IAA) war immer eine Messe der Ankündigungen und Zukunftsvisionen. 2017 dient sie auch der Vergangenheitsbewältigung. Der Diesel-Betrug, der gewaltige Vertrauensverlust, die Glaubwürdigkeitskrise der Industrie - kein deutscher Autoboss kommt bei den Messe-Präsentationen um die heiklen Themen herum. Doch Bescheidenheit ist für die PS-Branche auch 2017 keine Zier. Müller warnt mit Blick auf die Debatte um Fahrverbote und ein Ende des Verbrennungsmotors vor „ideologischen Grabenkämpfen“, Daimler-Chef Dieter Zetsche vor einem klimapolitischen Eigentor“. So lassen es die deutschen Hersteller auf der IAA auch in deren 67. Auflage ordentlich krachen. Elektroautos, klar, haben alle mitgebracht. Die meisten davon als Konzept- oder Vorserienmodelle, die man noch nicht kaufen kann. Vor allem aber wird das Publikum glänzendes Blech zu sehen bekommen, unter dem sich sehr starke Verbrennungsmotoren verbergen.

Zukunftsmusik. Der Audi "Aicon" soll eine Antwort auf Tesla sein.
Zukunftsmusik. Der Audi "Aicon" soll eine Antwort auf Tesla sein.
© imago/Jan Huebner

In Halle 11 spannt sich bei BMW wie schon in den Vorjahren eine Fahrbahn über die Ausstellungsfläche, auf der die neuesten Modelle rollen. Die Aufmerksamkeit gilt am Dienstag allerdings nicht den BMWs und Minis, sondern dem Auftritt von Harald Krüger, dem BMW-Chef. Vor zwei Jahren sorgte er mit einem Kreislaufkollaps vor laufender Kamera für einen Schreckmoment. In diesem Jahr haben sich die PR-Choreografen etwas Besonderes einfallen lassen. Noch bevor die Autoshow beginnt, stellt sich Krüger den Fragen des Berliner Politik-Journalisten Hajo Schumacher. Der darf, so sagt er, Krüger fragen, was er will. Abgesprochen sei nichts, kennengelernt habe man sich am Morgen beim Frühstück. In dem etwas verkrampften Bemühen, vor der Weltpresse eine entspannte Atmosphäre entstehen zu lassen, sprechen Schumacher und Krüger über den Diesel, die Kartellvorwürfe und über Krügers Zusammenbruch 2015. „Mir geht es gut“, versichert der BMW-Chef. „Aber Sie lernen auch, Dinge im Leben anders zu machen.“ Beim Diesel-Skandal fühlt sich BMW auf der sicheren Seite. „Wir haben an unseren Fahrzeugen nicht manipuliert“, sagt Krüger. Abschalteinrichtungen gebe es bei BMW, Rolls-Royce und Mini nicht. Und zum Verdacht, die deutschen Autohersteller hätten sich über Jahre in einem Kartell abgesprochen, gebe es bislang noch keine erkennbare Untersuchung der EU-Behörden. Krügers Erleichterung ist spürbar, als er die Bühne freimachen kann für den überarbeiteten i3, die Studie eines elektrischen Mini, der 2019 in Serie gehen soll, oder das Zukunftsmodell „i vision dynamics“ - in weiß lackiert, aber ähnlich fernab der Serienproduktion wie der Audi „Aicon“.

Viele Hersteller sind bei der IAA diesmal nicht dabei

Die Zeiten, in denen sich die Branche selbst gefeiert habe, seien vorbei, hatte VW-Chef Müller beim Konzernabend am Montag behauptet. Statt ein endloses Schaulaufen der zwölf Konzernmarken zu inszenieren, hatte er sich im autonom fahrenden Robo-Taxi „Sedric“ auf die Bühne fahren lassen. Wieder eine Zukunftsvision. Dann durfte noch Audi-Chef Stadler auftreten, der wie kein anderer im VW-Konzern den Druck der staatsanwaltlichen Ermittlungen im Diesel-Skandal zu spüren bekommt. Nach einer halben Stunde war das Programm durch, „gehen Sie auf uns zu“, rief Müller in die überlaufene Halle. „Wir stellen uns der Diskussion, wo andere lieber zu Hause bleiben.“ Eine Anspielung auf die Absagen einiger Automarken für diese IAA, darunter Fiat, Volvo und Peugeot.

Gespräch vor der Show. BMW-Chef Harald Krüger (r.) stellte sich den Fragen des POlitik-Journalisten Hajo Schumacher.
Gespräch vor der Show. BMW-Chef Harald Krüger (r.) stellte sich den Fragen des POlitik-Journalisten Hajo Schumacher.
© Kai Pfaffenbach/REUTERS

Der prominenteste abwesende Autohersteller ist Tesla. Der kalifornische E- Auto-Pionier liefert in diesen Tagen sein Model 3 an Kunden aus - ein Angriff auf die Kompaktklasse der deutschen Autobauer. Tesla steht gewissermaßen hinter den Kulissen, vor denen Daimler seine Neuheiten feiert. Mit dem „EQA“ gibt Daimler-Chef Zetsche einen Ausblick auf die Antwort, die die Stuttgarter Tesla geben wollen. In Zukunft, denn einen Termin für die Serienfertigung nennt er nicht. Bis 2022 sollen aber auch bei Mercedes alle Modelle mit einem Elektroantrieb angeboten werden, den Kleinwagen Smart soll es dann nur noch mit Batterieantrieb geben.

Elektromotoren sind in einem AMG- Mercedes verbaut, den Formel1-Star Lewis Hamilton am Dienstag auf die Bühne fährt. Zu hören sind allerdings die 1000 PS, die der Hybrid-Supersportwagen auf die Straße bringen soll. Daimler spricht bei dem „Project One“ genannten Renner vom „ersten Formel1-Auto mit Straßenzulassung“. Die IAA, freut sich Zetsche, sei eine „angenehme Konstante“ in turbulenten Zeiten. „Sie fühlt sich an wie unser Wohnzimmer.“

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