Martenstein zur Wohnungspolitik: Berlin erprobt das Erfolgsmodell der DDR
Rückkauf statt Neubau: Wie Berlin versucht, sein Wohnungsproblem in den Griff zu kriegen, lässt viele Beobachter staunen. Eine Glosse.
In Berlin findet ein sozialpolitisches Experiment statt. Das Problem: Es gibt zu wenige Wohnungen in Berlin, die Mieten steigen und steigen, auch die Preise für Eigentum. Dieses Problem besteht auch in anderen Großstädten. Berlin hat nun vor, als erste Metropole das Wohnungsproblem ohne den Bau neuer Wohnungen zu lösen.
Nun ja, hier und da wird gebaut, stimmt schon, aber den Bedarf deckt das nicht annähernd. Falls es Berlin gelänge, ohne Neubau den meisten Bürgern Wohnungen zu billigen Mieten zu verschaffen, dann wäre dies eigentlich nur mit der Erfindung des Perpetuum Mobile zu vergleichen und würde weltweit kopiert. Ich bin skeptisch.
Als erste Maßnahme wurde angekündigt, Tausende Wohnungen, die vor Jahren sehr billig an Unternehmen verkauft wurden, für etliche Milliarden teuer zurückzukaufen. Dadurch entsteht zwar keine einzige neue Wohnung.
Aber das Rückkaufsprojekt ist nur durch Schulden finanzierbar, Berlin hätte also wieder hohe Schulden und wäre kaum in der Lage, in großem Umfang Neubauten in Angriff zu nehmen, die Milliarden sind dann weg. Was aber, wenn plötzlich Kapitalisten anfangen, aus Profitgier Wohnungen zu bauen?
Um auch dies zu verhindern, sollen, nach dem Willen der SPD, im Innenstadtbereich die Mieten bei etwa sieben Euro je Quadratmeter gedeckelt werden, im Durchschnitt, sowohl für bereits vermietete Wohnungen als auch bei Neubauten. Der private Wohnungsbau dürfte dadurch erfolgreich gestoppt werden. Auch Renovierungen und Modernisierungen wird ein Riegel vorgeschoben.
Und wer als Gutverdienender aus Berlin wegzieht, wird seine Wohnung wohl eher als Wochenendquartier behalten, statt sie zu kündigen oder zu vermieten. Die Umsetzung der Maßnahme dauert eine Weile, Hausbesitzer haben jetzt immerhin ein Jahr Zeit, um ihre Miet- in Eigentumswohnungen zu verwandeln.
Es handelt sich exakt um das Erfolgsmodell der DDR, billige Mieten bei gleichzeitigem Verfall der Städte und gleichzeitiger Wohnungsnot. In Havanna kann man das heute noch besichtigen. In der DDR bekam man eine Wohnung, wenn man heiratete oder wenn man politische Verbindungen hatte. Das mit dem Heiraten ist nicht mehr zeitgemäß.
Das Motto lautet: Nach uns die Sintflut
Man könnte zügig die Bahnverbindungen ins Umland verbessern, wo das Wohnen noch erschwinglich ist. Man könnte das Bauen erleichtern, durch Entbürokratisierung. Aber 2021 wird in Berlin gewählt. Die Umfragewerte der Regierung sind schwach. Etliche Mieter werden denken: „Die tun was.“
Dass dies auf Kosten der Zukunft geschieht und die Probleme nicht löst, sondern verschärft, ist erst mal egal. Bis vernachlässigte Altbauten einstürzen, dauert es ja eine Weile. Nach uns die Sintflut, funktioniert Politik heute wirklich so?
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