Kolumne: Angie Pohlers sucht die Liebe: „Na, immer noch allein?“
Das Problem am Singledasein sind die Pärchen, findet unsere Autorin. Warum ihr das Single-Bashing zunehmend auf die Nerven geht.
Kürzlich verteidigte ein Freund seine Doktorarbeit, dazu hatte er sich ein paar Unterstützer eingeladen. Wir warteten, zitterten mit und brachen in Jubel aus, als ein Männchen aus der Prüfungskommission das Wort „Summa“ über den düsteren Linoleumflur rief. Der Sekt sprudelte, die Stimmung war super, bis ich irgendwann neben Micha stand. Ich kenne ihn noch aus Schulzeiten und sehe ihn vielleicht zweimal im Jahr. „Na, bist du immer noch Single?“, fragte er in einem Tonfall, als hätte ich meinen Job verloren. „Äh, ja...“, antwortete ich und wünschte mir, wir würden über unsere Jobs reden. „Eine Frau wie du muss doch nicht Single sein.“
Was eine Frau wie ich hingegen muss: sich mit zunehmendem Alter solchen Bullshit anhören. Ich hatte große Lust, Micha mit gleichsam besorgter Miene zu fragen, ob er „immer noch“ mit seiner Freundin zusammen war und ob es nach all den Jahren nicht langsam öde wurde, riss mich aber zusammen. „Ich bin eigentlich ganz glücklich so, danke.“
Angeblich ist Berlin die Hauptstadt der Singles – dabei sind die eine diskriminierte Minderheit. Es gibt Gespräche, in denen Sätze fallen wie: Schon wieder Single? Die hat echt nur Pech, die Arme. Oder, perfider: Wie lange schon allein? Kein Wunder, dass der manchmal so griesgrämig drauf ist.
Seit vielen Jahren kein Freund
Eine Freundin von mir hat, bis auf eine kurze Unterbrechung, seit vielen Jahren keinen Freund. Sie hat sich jetzt selbst Beziehungsunfähigkeit attestiert. „Vielleicht war der Richtige einfach nicht dabei“, sagte ich unbeholfen. Nein, beharrte sie: Beziehungsunfähigkeit. Klingt nach: ihre Schuld. Nicht normal. Therapiebedarf. Sie tat mir leid.
Ich musste an meine Oma denken, die ich nach einer Trennung anrief und die fragte: „Ob das so eine gute Idee ist in deinem Alter?“ Ich war 27. Und ich musste daran denken, dass es in einigen deutschen Regionen die lustig gemeinte Tradition gibt, unverheiratete 30-Jährige Kirchen- oder Rathaustreppen fegen zu lassen. Das wurde mir, halb im Spaß, auch angedroht. Aber irgendwie fällt es mir zunehmend schwer, über das Single-Bashing zu lachen. Ich bemitleide ja auch niemanden für seine Beziehung, höchstens in Gedanken.
Single sein ist auch eine Beziehung
Das Problem am Singledasein sind die Pärchen, diese kulturelle Hegemonie der Zweisamkeit. Warum sonst denken manche Paar-Menschen, sie müssten diejenigen ohne Beziehung retten? „Versuch’s mal mit OkCupid oder Bumble! Geh’ mehr feiern!“ Als ob das Leben ohne Partner der Horror und nur mit einer Beziehung wieder in den Griff zu kriegen sei. Man stelle sich vor, ich würde zu Micha sagen: „Ein Mann wie du muss doch nicht in einer Langzeitbeziehung sein.“
Leider ist der Single-Status in der Wahrnehmung vieler Menschen ein hässlicher Umsteigebahnhof auf der Fahrt zur Costa del Beziehung. Hier treiben sich viele Leute herum, die man schnell wieder vergessen will, ständig schaut man auf die Anzeigetafel – wann kommt endlich der Zug, der mich wegbringt?
Ganz falsche Haltung, finde ich. Denn Single sein ist auch eine Beziehung, nur eben mit sich selbst: mehr Zeit für Freunde, Hobbys, die Karriere oder um schamlos zu faulenzen. Singles müssen nicht dem Partner zuliebe zum 80. Geburtstag der sauertöpfischen Tante Hilde, die sie hartnäckig beim falschen Namen ruft. Singles müssen überhaupt weniger, zum Beispiel Erwartungen erfüllen, Eifersucht besänftigen, Wochenendpläne abstimmen und einhalten. Sie streiten seltener – mit wem auch? Unterm Strich ist das Leben easy. Und wer weiß schon, wie lange es so bleibt.
Angie Pohlers
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