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Der Anfang vom Ende. Oft ahnen beide Partner, dass es nicht mehr weitergeht, und schaffen es doch nicht, sich zu trennen.
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Beziehungen: Wenn die Luft raus ist

Keine Zungenküsse mehr, getrennte Schlafzimmer, ein anderer Mann. Drei Menschen und das Gefühl: Jetzt ist diese Beziehung endgültig vorbei.

Martha, 59, Erzieherin

Mein Mann ist Pragmatiker. Er sagt mir selten, dass er mich liebt. Einmal sagte ich es ihm, und er antwortete: „Ich kann dir das jetzt nicht genauso zurückgeben.“ Anderen Leuten gestand er seine Liebe zu mir schon. Einmal bat er eine Kollegin, ihm beim Schmuckaussuchen für mich zu helfen. Er habe ihr gesagt, wie wichtig ich ihm sei, berichtete sie mir danach. Ein andermal zeigte er auf einer Fortbildung mein Foto herum und erzählte mir später, wie schön mich jeder gefunden habe. Ich erfuhr seine Zuneigung immer über zwei Ecken.

1981 heirateten wir. Wir kauften uns ein altes Reihenhaus und fingen an, es zu renovieren. Wir legten einen Gemüsegarten an. Einmal im Jahr, an seinem Geburtstag, schrieb ich ihm einen Brief. Darin stand, wie wichtig er mir ist. Er las die Briefe wohl auch, sprach mich aber nie darauf an. Ich kam mir oft alleingelassen vor. Darüber stritten wir viel.

Als wir Eltern wurden, veränderte sich unsere Beziehung. Es ging nur noch um die Kinder. Er baute unser Haus um, verdiente das Geld. Ich war Mutter. Aus diesen Rollen kamen wir nicht mehr raus. Romantisch war es gar nicht mehr. Ein einziges Mal, in einem gemeinsamen Familienurlaub, umarmte er mich aus heiterem Himmel. Mein Sohn fragte seine Schwester, ob Papa krank sei. Ich fing eine Gruppentherapie an, auch wegen uns. 2003, meine Kinder waren Teenager, fragte mich einer der Teilnehmer, ob ich einen Kaffee mit ihm trinken möchte. Das war für mich ganz ungewohnt: ein Mann, der etwas mit mir unternehmen will. Eine Woche später gingen wir spazieren, redeten. Beim zweiten Mal, wir saßen auf einer Bank, nahm er mein Gesicht in seine Hände. Er schenkte mir Duftrosen, die er züchtete, selbstgebrannte CDs, schrieb mir, wie schön es mit mir sei.

Ich hatte das erste Mal seit Langem das Gefühl, dass ich liebenswert bin. Auf einmal bekam ich die Nähe, die ich mir immer erhofft hatte. Ich merkte, dass ich begann, mich in diesen Mann zu verlieben. Bei einem Spaziergang verkündete er, dass er mich liebte und er mit mir weggehen wolle. Trotzdem blieb ich bei meinem Mann und meinen Kindern. Ich wollte mein Glück nicht auf dem Unglück anderer Menschen aufbauen.

Mia, 29, studiert Soziale Arbeit

Bis zum Ende haben wir fast jeden Abend geskypt. Am Anfang hatte das immer eine Stunde gedauert. Wir erzählten einander alles, was wir am Tag erlebt hatten. Das war schön. Später haben wir nur noch knapp die Fakten ausgetauscht. Zwei Jahre zuvor hatten wir uns an der Uni kennengelernt. Er war im Jahrgang über mir. Wir saßen oft in denselben Seminaren, hatten denselben Freundeskreis. In dieser Zeit gab es uns nur im Doppelpack. Selbst, wenn wir mit unterschiedlichen Gruppen auf Partys waren – nach Hause gingen wir gemeinsam. Ein paar Tage bevor er ins Ausland ziehen sollte, haben wir darüber geredet, ob wir zusammenbleiben wollen. Ich konnte mir das nicht vorstellen und war fest entschlossen, Schluss zu machen. Wie man sich das eben so vornimmt. Wir haben es dann trotzdem versucht.

Ich habe ihn häufig in England besucht. Ich kannte seine neuen Freunde nicht, hatte aber schnell das Gefühl, dass sie ihn viel besser kannten als ich. Zurück in Deutschland habe ich auf seinem Facebook-Profil zuschauen können, wie sein Leben weiterging. In Theaterproben, an der Uni, auf irgendwelchen Hauspartys. In der zweiten Hälfte seines Auslandsjahres veränderte sich das. Ich hatte ein Uniprojekt, in das ich meine ganze Energie steckte, traf neue Leute.

Im Sommer kam er zurück. Gleich am ersten Wochenende hat er mich besucht. Früher hatte er jede Nacht bei mir geschlafen. Und obwohl es noch dasselbe Zimmer war, dieselben Möbel, dasselbe Bett, kam es mir vor, als wären wir in eine Existenz hineingesetzt, die wir zwar aus Erzählungen kannten, die aber nicht die unsere war. Ich hatte gar nicht vorgehabt, es zu beenden. Es war einfach vorbei.

Herrmann, 53, Schreiner

Als wir ein bisschen länger als ein Jahr zusammen waren, fuhren wir miteinander in den Urlaub nach Madeira. Beim Abendessen im Restaurant reklamierte sie immer wieder ihr Essen und scheuchte das Personal herum. Ich dachte ständig: Wie soll ich mit so einem Menschen eine Beziehung führen? Am Ende des Urlaubs wollte ich mich trennen. Doch am letzten Tag machte sie einen Schwangerschaftstest. Der war positiv. Ich beschloss, sie zu heiraten.

Das lag auch an meinen Eltern. Die hätten eine Trennung von der Mutter meines Kindes als Scheitern gesehen. Heute weiß ich, das war der große Motor unserer Geschichte. Ich wollte ihnen beweisen, dass ich nicht der Versager bin, für den sie mich hielten. Zurück in Deutschland gingen wir zu ihren Eltern und erzählten ihnen beim Kaffeetrinken von der Schwangerschaft und der bevorstehenden Hochzeit. Die waren begeistert. Ihr Vater sagte: Endlich hast du dich für etwas entschieden, endlich ein richtiger Mann!

Das Tragische war, dass ich etwas mit ihr angefangen hatte, obwohl ich das gar nicht wollte. Wir hatten uns auf einer Party kennengelernt und waren komplett unterschiedlich. Vor unserer Beziehung war ich viel mit Linken unterwegs gewesen, im Bund Naturschutz, bei den Kriegsdienstverweigerern. Sie brauchte immer den großen Auftritt, hing mit der Kleinstadtschickeria rum. Eigentlich lehnten wir uns von Anfang an ab. Liebe gab es nie. Ich begann, den ersten Stock ihres Elternhauses für uns auszubauen. Ich wollte einen Rahmen schaffen, der passt. Ich dachte, wenn ich nur alles dafür tue, dass die Umstände in Ordnung sind, wird es schon irgendwie funktionieren.

Nachdem wir eingezogen waren, wurde ich immer mehr zum Statisten. Ich bekam mein eigenes Zimmer, weil sie es wegen meines Schnarchens nicht aushielt, neben mir zu schlafen. Ihr war nur der Status verheiratet wichtig, den ich ihr brachte. Sie kehrte in ihr altes Leben in der Schickeria zurück. Am Wochenende war sie immer unterwegs. „Bussi, Schatzi, du bist so toll, du siehst so gut aus“, sagte ich zum Abschied. Ich spielte das Spiel mit, aber schon bald kotzte es mich nur noch an.

Wenig später brach ich aus. Ich fing an, mir wieder eigene Freunde zu suchen. An der Beziehung hielt ich trotzdem fest. Das Ende kam, als sie bei der Weihnachtsfeier mit ihrer Clique im angetrunkenen Zustand unser Sexleben breittrat, in allen Details. Da wusste ich: Das war es. Als ich wenig später auszog, hatten wir gerade mal ein einziges Jahr in unserem Haus gewohnt.

Die vollständigen Namen der Protokollierten sind der Redaktion bekannt.

Johannes Laubmeier

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