25 Jahre „Wilsberg“ im ZDF: „Wir sind die Wunderwaffe gegen Florian Silbereisen“
Schauspieler Leonard Lansink über 25 Jahre „Wilsberg“, unsoziales Verhalten von Privatdetektiven und ein Crossover mit dem Münster-„Tatort“.
Herr Lansink, die ZDF-Krimireihe „Wilsberg“ wird 25. Schauen Sie sich gelegentlich alte Folgen an?
Gelegentlich, auch wenn ich kein großer Fan von mir selbst bin und zudem schnell gelangweilt. Man sieht sich halt alt und dick werden.
Was geht Ihnen dabei sonst noch durch den Kopf?
Die alten Folgen machen mich etwas traurig, weil darin Barbara Rudnik noch mitspielt, die 2009 gestorben ist. Andererseits gefallen mir die ersten Folgen gar nicht so schlecht, weil Wilsberg da noch etwas ruppiger war.
Inwiefern?
Sein Verhalten war deutlich unsozialer. Er hat Kette geraucht, Rotwein und Bier getrunken und geschnorrt wie ein Weltmeister. Das haben wir weitgehend verschwinden lassen.
Den Alfa-Romeo leiht er sich aber immer noch bei Freund Ekki alias Oliver Korittke.
Ein Auto kann er sich immer noch nicht leisten.
Wünschen Sie sich den alten Wilsberg zurück?
Als Schauspieler träumt man immer gerne von der schwarzen Serie, ein bisschen Humphrey Bogart, ein bisschen Robert Mitchum. Also von einem Privatdetektiv, der im Regen steht, seine Kippe wegwirft und dem schönen Mädchen hinterher eilen muss. Für den Samstagabend ist der Wilsberg, den wir jetzt haben, aber gute Mischung.
In der ersten Folge spielte Joachim Król den Antiquar und Privatdetektiv.
Das lief ja zunächst als Fernsehspiel der Woche am Montag. Zu der Zeit gab es noch keine Pläne für eine eigene Reihe. Das änderte sich erst, als wir auf den Samstag befördert wurden.
Wie kamen Sie zu der Rolle?
Zwischen Król und der Regisseurin stimmte die Chemie nicht. Król sehe ich eher als Sprinter. Ich bin mehr der Langstreckenläufer. Als ich dazu kam, gab es nicht einmal ein Casting. Das ZDF hat mich gefragt. Ich war offenbar der Kerl der Wahl.
Und natürlich war schon damals allen klar, dass dies 25 Jahre halten wird.
Das hat sich erst durch die Zuschauerzahlen entwickelt. Wir sind halt die Wunderwaffe gegen Florian Silbereisen. Wenn wir sechs Millionen haben, hat er auch 5,9. Es gibt genauso viele Fans von Wilsberg wie von Volksmusik.
Und beide Gruppen haben den gleichen Altersdurchschnitt?
Dass Wilsberg so zahm geworden ist, hat den Vorteil, dass auch junge Zuschauer das gucken können, ohne dass denen gezeigt wird, wie Gehirn an die Wand spritzt. Was wir machen, ist für einen Krimi noch relativ dezent.
Gleichwohl wird das Ensemble immer älter.
Es gibt aber immer auch Gören. Alex, also Ina Paule Klink, war eine typische Göre. Und jetzt gibt’s mit Janina Fautz und ihrer Merle, dem Mädchen im Rollstuhl, eine neue Göre, die sich allmählich reinkämpft. Und bei den beiden letzten Folgen, kamen noch einige Figuren aus Bielefeld dazu.
In der Jubiläumsfolge „Wellenbrecher“ [ZDF, Samstag, 20 Uhr 15] auf Norderney trifft Münster und Bielefeld auch noch auf die Krimi-Mannschaft von „Friesland“. Wird das nicht langsam etwas unübersichtlich?
In der Folge muss Wilsberg dorthin, wo er nicht gerne ist. Fisch in fremden Gewässern. Dafür ist das schon ganz in Ordnung, zumal es eigenartige Bettszenen gibt, die man so nicht vermutet.
Und wann kommt das Crossover mit dem Münster-”Tatort”?
Wir Kollegen würden gerne, aber dann müsste im Drehbuch noch mehr Personal bedient werden. Und wann soll das laufen, am Samstag, am Sonntag? Das große Münster-Wochenende wäre schon der Bringer, aber man könnte es nicht wiederholen.
Wäre das nicht dennoch ein Wunsch für die 75. Folge?
Das wäre schon schön.
"100 ist eine schöne Zahl"
„Wellenbrecher“ ist die 67. Folge, drei weitere stehen schon fest. Wohin geht die Reise?
Für mich ist 100 eine gute Zahl, obwohl „Der Kommissar“ nur 97 erreicht hat. Aber wenn wir 100 haben, denke ich, warum machen wir nicht 111? Ein Buchhändler muss ja nicht in Rente. Solange er ein Buch heben kann, kann er auch Privatdetektiv sein.
Aber worin liegt denn noch der Reiz, was wollen Sie noch erzählen?
Das gilt ja für die ganze Filmgeschichte, dass alle Geschichten schon erzählt sind. Bei manchen macht man dann Hamlet im Weltraum oder man spielt Richard III. im Western. Mit unserer Grundkonstellation an Figuren kann man auch alles erzählen.
Was ist ihr Anspruch dabei?
Ordentliche Unterhaltung zu machen, bei der ein bisschen was hängenbleibt. Wir haben eine Folge über Fake News gemacht, die noch nicht gelaufen ist. Da wird auch erklärt, wie sowas funktioniert, und warum die Leute Scheiße glauben, nur weil sie das irgendwo auf Facebook oder Instagram lesen. Diese kleinen Nebeneffekte finde ich gut.
Wie schaffen es das Wilsberg-Team nach 67 Folgen, nicht in Routine zu ersticken?
Wir mögen uns und stehen uns relativ nahe. Das kleine Geheimnis ist sicherlich, dass man den Spaß sieht, den wir bei der Arbeit haben. Jedenfalls ist das meine Hoffnung, dass man sieht, dass wir uns nicht quälen.
Es gibt also auch persönliche Freundschaften.
Ich kann Oliver Korittke zwar bei seinen Konsolenspielen nicht so folgen, aber dafür können wir über andere Dinge reden. Wenn Rita Russek mit Ina Paule Klink über Mode redet, bin ich nicht so firm, aber mit Paule kann ich über Pferde reden und mit Rita über Italien.
Hat Münster Ihnen denn inzwischen die Ehrenbürgerschaft angetragen?
Nein, wir haben die Silberne Rathausmedaille. Bei 75 Folgen sollen wir die Goldene bekommen. Schauen wir mal. Davon einmal abgesehen: Mit der Medaille kann man umsonst die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und man bekommt eine Grabstätte. Ich möchte aber auch nicht in Münster begraben sein. Wobei ich nichts gegen Münster habe, nur gegen das Sterben.
Aber auch da: Was aus Münster kennt der Zuschauer nicht schon zu Genüge?
In einer Folge von Jürgen Kehrer wird es um eine Pumpernickel-Fabrik gehen. Das ist ja dieses super-schmackhafte westfälische Schwarzbrot. Mir schmeckt’s am besten, wenn es trocken genug ist. Man könnte aber auch was mit Brauereien machen, mit Pferden oder Schweinemast. Eine Uni-Klinik gibt’s auch noch.
Bei Wilsberg hat man den Eindruck, da ist jemand, der mit sich und seinem Leben zufrieden ist. Trifft das auch auf Sie selbst zu?
Man muss sich selbst ja zur Arbeit mitnehmen. Der Wilsberg muss mit meinen Unzulänglichkeiten leben. Wenn man ein gewisses Alter hinter sich gebracht hat, verhilft das bei der Schauspielerei zu einer gewissen Tiefe.
Sie ruhen also in sich?
Ich habe einen Hang zum Autismus, muss ich gestehen. Ich bin schweigsam und laufe mit Scheuklappen durch die Stadt. Aber ich bin schon relativ ruhig.
Haben Sie noch Hoffnung für Georg Wilsberg und Anna Springer?
Georg hat Angst vor einer innigen Beziehung, er hält nichts von Zusammenwohnen oder davon, morgens die Spülmaschine ausräumen. Anna würde hingegen schon. Ich glaube, dass wird nichts und bleibt so, wie es jetzt ist.
Das Interview führte Kurt Sagatz