Münster-Wochenende mit „Wilsberg“ und „Tatort“: Noch besser im Doppelpack
Erst „Wilsberg“, dann „Tatort“ – die erfolgreichen Krimis aus Münster treffen aufeinander. Ein nicht ganz fairer Vergleich.
Zwei der erfolgreichsten Krimis im deutschen Fernsehen spielen im westfälischen Münster. Seit 1995 löst der kauzige Antiquar und Privatdetektiv Georg Wilsberg (Leonard Lansink) im ZDF die kniffligsten Fälle und auch das ungleiche „Tatort“-Ermittlerduo aus Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) ist bereits seit 2002 im Einsatz. Beide Formate garantieren ihren Sendern gute Quoten. „Wilsberg“ lag zuletzt bei über sieben Millionen Zuschauern und beim „Tatort“ wäre alles unter elf Millionen Zuschauern eine Überraschung. An diesem Wochenende treten die beiden Ausnahmekrimis direkt aufeinander.
Im Relevanzvergleich hat „Wilsberg“ am Samstag mal wieder die Nase vorn. In beinahe jeder Folge kommt zur skurrilen Unterhaltung ein Thema von gesellschaftlicher Bedeutung hinzu. Als Autor der neuen Episode „Ins Gesicht geschrieben“ wurde der Journalist und Filmemacher Mario Sixtus gewonnen, der sich unter anderem als „Elektrischer Reporter“ bestens in der digitalen Welt auskennt, in der jeder mit jedem Informationen teilt, bis alle alles übereinander wissen.
Das führt zu der unheilvollen App „Face 23“, die Menschen per Gesichtserkennung identifiziert und alle im Netz verfügbaren Informationen über sie anzeigt. Da macht es sich gar nicht gut, wenn man wie Steuerfahnder Elmar Barnack (Christian Näthe) sein Studium als Pornodarsteller „Red Horse“ finanziert hatte. Immerhin hält Wilsbergs Kumpel Ekki Talkötter (Oliver Korittke) weiter zu ihm – auch nachdem mit Benjamin Heller (Jörg Pintsch) der Entwickler der App ermordet wurde.
Und sehen wir uns nicht in dieser Welt, dann sehen wir uns in Bielefeld
Ganz zutreffend ist der Vergleich der beiden Formate diesmal allerdings nicht: Der neue „Wilsberg“ (Regie: Dominic Müller) findet nur in den ersten Minuten im Münsteraner Antiquariat statt. Danach geht es nach Bielefeld, also in die ostwestfälische Stadt, die in jedem „Wilsberg“ mindestens ein Mal erwähnt wird. Die langjährigen Fans der Krimireihe kennen den Grund: Der für „Wilsberg“ zuständige ZDF Redakteur Martin R. Neumann stammt aus Bielefeld und sorgt dafür, dass seine Heimatstadt in jeder Folge Erwähnung findet. Dies galt besonders für die Folge „Die Bielefeld-Verschwörung“ von 2012, in der mit der Behauptung gespielt wurde, Bielefeld gebe es gar nicht. Doch einem bodenständigen Westfalen wie Wilsberg kann man mit solchen Mythen nicht kommen, vor allem wenn er selbst jemanden kennt, der nach Bielefeld gezogen ist, und es sich bei dem um seinen alten Kumpel Manni Höch (Heinrich Schafmeister) handelt, der vor Ekki Talkötter dem Privatdetektiv beim Lösen der Fälle half. Da ist es nur logisch, dass Manni Höch auch in der neuen Folge nicht unerwähnt bleibt. Thematisch passt Bielefeld im aktuellen Fall auch deshalb, weil der Datenschutz-Preis „Big Brother Award“ vom hier ansässigen Verein Digitalcourage vergeben wird. Und dass sich mit digitalen Nullen und Einsen ein spannender Krimi machen lässt, zeigt die unerwartete Auflösung des Falls – trotz einiger Schwächen der Folge.
Der „Tatort“ spielt sogar in Münsters guter Stube. Auf dem Domplatz wird regelmäßig Markt gehalten. Doch die Stadt ist nicht die einzige Klammer der beiden Krimiformate. Auch die enge Verzahnung der Ensembles ist bei beiden besonders stark ausgeprägt. Zu „Wilsberg“ gehören neben dem Detektiv und seinem Freund Ekki noch seine inzwischen erwachsene Patentochter Alexandra Holtkamp (Ina Paule Klink) sowie Kommissarin Anna Springer (Rita Russek) und ihr grenzdebiler Assistent Overbeck (Roland Jankowski). Der Kreis der ständigen Akteure ist im „Tatort“ aus Münster sogar noch größer. Neben Jan Josef Liefers und Axel Prahl gehören Christine Urspruch, Friederike Kempter, Mechthild Großmann und „Vaddern“ Claus D. Clausnitzer zur festen Besetzung.
Dabei steht der Münsteraner „Tatort“ im besten Fall für eine gelungene Mischung aus Krimi und Komödie, aus Spannung und Spaß. Thorsten Wettcke, Autor der Folge „Lakritz“, und Regisseur Randa Chahoud sind bei dieser Gratwanderung – anders in manchen Klamauk-Orgien – nicht ins Stolpern geraten. In den Dialogen kommt niemand ungeschoren davon, selbst der Rückblick in die Jugendjahre von Rechtsmediziner Boerne bleibt erträglich. Dass „Lakritz“ zu den sehenswerten Episoden gehört, liegt an den verwendeten Zutaten. Macht und Neid, Begehren und Eifersucht sind die Ingredienzien im Fall des ermordeten Münsteraner Marktmeisters Wagner (Pierre Siegenthaler), der 40 Jahre darüber bestimmte, wer mit seinen Stand reich werden durfte. Nun wurde ihm ein mit Zyankali versetztes Geschenk zum Verhängnis.
Lakritz macht auch den jungen Karl-Friedrich spitz
Die Lakritzpackung stammt vom Holländer Cornelius Bellekom (Ronald Top), der seine Leckereien erst seit Kurzem auf dem Markt verkauft, dort, wo Jahrzehnte der ortsansässige Lakritz-Laden von Monika Maltritz (Annika Kuhl) seinen Platz hatte. Just jene Monika, der Boerne vor vielen Jahren Nachhilfe gab, und die er noch mehr mochte als Lakritz. Nun, Jahre später, treffen sie wieder aufeinander, und wie in Münster üblich kreuzen sich noch manch andere Wege, bis es auch hier nach vielen Irrungen und Wirrungen zu einem unerwarteten Ende kommt.
Wie wichtig den Sendern ihre Münster-Krimis sind, zeigt überdies ein Blick ins weitere Jahresprogramm. Am 30. November läuft im ZDF mit „Schutzengel“ der nächste „Wilsberg“. Und nachdem 2018 nur ein „Tatort“ aus Münster lief, werden es in diesem Jahr drei sein. Am 22. Dezember treffen Thiel und Boerne auf „Väterchen Frost“.
„Wilsberg: Ins Gesicht geschrieben“, ZDF, Samstag, 20 Uhr 15; „Tatort: Lakritz“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15