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Der Columbo vom Prinzipalmarkt: Leonard Lansink genießt die Rolle des phlegmatischen Privatdetektivs Georg Wilsberg, der schon den einen oder anderen Undercover-Einsatz hinter sich hat.
© ZDF
Update

50 Wilsberg-Folgen in 20 Jahren: Der Columbo vom Prinzipalmarkt

Schrullig, aber liebenswert: Der Antiquar und Privatdetektiv Wilsberg löst seinen 50. Fall und holt damit für das ZDF den Tagessieg. Die Fans der Reihe können sich möglicherweise auf 25 weitere Folgen freuen.

So populär muss man erst einmal sein: Die Google-Maps-Anfrage „Antiquariat Wilsberg Münster“ führt tatsächlich zu einem Treffer. Angezeigt wird das Antiquariat Michael Solder (Wilsberg) mitsamt Bild in der Münsteraner Innenstadt. Nicht schlecht für eine fiktive Figur, die ihren Lebensunterhalt nur im Nebenberuf mit dem Verkauf alter Bücher bestreitet und ansonsten als Privatdetektiv in der erzkatholischen Bischofsstadt in Westfalen tätig ist.

Der ZDF-Samstagskrimi um den schrulligen Münsteraner – perfekt verkörpert von dem in Hamm in Westfalen geborenen Leonard Lansink – und seine ebenso eigentümlichen Mitstreiter überzeugt die rund sieben Millionen treuen Zuschauer seit 20 Jahren mit immer wieder neuen Drehungen und Wendungen. An diesem Samstag wird die 50. Folge ausgestrahlt. Und was die Fans besonders freuen dürfte: Wenn dem ZDF nicht die Puste ausgeht, könnten es sogar 75 werden. „Die Bücher für die nächsten vier Folgen für 2016 sind schon in Arbeit und erste Ideen für 2017 gibt es auch schon“, verriet ZDF-Redakteur Martin R. Neumann zum Jubiläum.

Ganz so erfolgreich wie der andere Münster-Krimi ist „Wilsberg“ nicht. Mit weit über zehn Millionen Zuschauern steht der ARD-„Tatort“ seit Jahren ganz oben in der Zuschauergunst. Dafür kommt der ARD-Sonntagskrimi aus Münster mit zumeist zwei Folgen pro Jahr im Frühjahr 2016 aber auch erst auf 30 Episoden. Konkurrenten sind die beiden Krimis für Lansink ohnehin nicht. „Wir kommen uns nicht ins Gehege. Für die Stadt ist beides gut. Und in Münster sind wir weltberühmt.“ Das Jubiläum wollten sich 7,58 Millionen (21,9 Prozent Marktanteil) nicht entgehen lassen. Für das ZDF bedeutete das den Tagessieg.

Als „Wilsberg“ im Februar 1995 startete, war der Antiquar noch der Münzsammler aus den Regionalkrimis von Jürgen Kehrer, dem Erfinder der Figur, die zunächst von Jürgen Król gespielt wurde, bevor Leonard Lansink übernahm. Dessen Lebensmittelpunkt ist Berlin, unlängst ist er von Schöneberg nach Friedrichshain umgezogen. Die Ehrenbürgerschaft von Münster wurde Lansink, der in wenigen Tagen 60 Jahre alt wird, noch nicht angetragen, allerdings durfte er sich bereits zweimal in das Goldene Buch der Stadt eintragen.

In der Jubiläumsfolge „Tod im Supermarkt“ (Buch: Eckehard Ziedrich, Regie: Martin Enlen) herrscht verkehrte Welt. Overbeck hat bei den Ermittlungen nach dem Mord an einem Marktleiter den Hut auf – wobei es sich natürlich wieder um die übliche Narrenkappe des an chronischer Selbstüberschätzung leidenden Kriminalassistenten handelt. Es ist schon bewundernswert, wie Roland Jankowski diese Rolle perfektioniert hat. Als Hauptverdächtiger gilt Wilsbergs Freund Ekki Talkötter (Oliver Korittke). Kommissarin Anna Springer (Rita Russek) wurde kaltgestellt. Ekki verliert völlig seine Fassung endgültig und entzieht sich der Polizei durch Flucht. Und weil die Kommissarin den Möchtegern-Profiler Overbeck nicht mehr in seine Schranken weisen kann, ermuntert sie Wilsberg, als Aushilfe im Supermarkt seine eigenen Ermittlungen anzustellen. Wie gesagt: verkehrte Welt.

Ekki statt Manni. Aber auch Oliver Korittke ist seit langem dabei

Beiden Krimi-Komödien aus Münster gemeinsam ist die erstaunliche Konstanz des handelnden Personals. Rein altersbedingt konnte Wilsbergs Ziehtochter Alex (Ina Paule Klink) nicht auf Dauer die ungestüme Jugendliche bleiben und hat inzwischen eine beachtliche Karriere als erfolgreiche und selbstbewusste Anwältin gemacht. Sie arbeitet somit in dem Beruf, in dem Wilsberg gescheitert war. Nicht gescheitert, aber auch nur bedingt erfolgreich ist freilich Overbeck. Immerhin wurde dessen Figur zumindest mit Blick auf die Zahl der Dialogeinsätze enorm aufgewertet. Doch nur eine Figur musste ausgewechselt werden. Wilsbergs Freund Manni (Heinrich Schafmeister) wurde von Ekki abgelöst. Allerdings liegt das auch schon länger zurück, Oliver Korittke gehört seit der 15. Folge zur Stammbesetzung. Leonard Lansink und Heinrich Schafmeister sind nach wie vor miteinander verbunden, auch wenn ihr gemeinsames Theaterprogramm „Ein seltsames Paar“ bis Anfang 2017 pausiert.

Dem „Wilsberg“-Ensemble dabei zuschauen, wie sich die Figuren in den beinahe immer gleichen Bahnen umkreisen, hat vor allem deshalb über 20 Jahre so gut funktioniert, weil sich die Temperamente so gut ergänzen. Der Phlegmatiker Wilsberg und die Cholerikerin Springer, der Melancholiker Ekki und die begeisterungsfähige Sanguinikerin Alex, sie halten die Balance, die durch den Wahnsinn von Overbeck, aber natürlich vor allem durch die Mordfälle gestört wird. Denn obwohl es sich bei „Wilsberg“ um Krimi-Komödien handelt und viele Fälle auf den ersten Blick skurril anmuten, werden doch sehr häufig Skandale und andere Themen von hoher gesellschaftlicher Relevanz verhandelt. So auch in der Jubiläumsfolge, in der eine Liste eines Bonuskarten-Anbieters Ekki Talkötters Leben auf den Kopf stellt. Wilsberg könnte das nicht passieren. Er kommt weiterhin ohne Waffen, eigenes Auto oder Smartphone aus. Sein Telefon ziert eine Wählscheibe, und er bevorzugt weiterhin Rabattmarken.

Welche Wünsche Lansink für die Zukunft der Reihe hat? „Wilsberg soll Single bleiben, das kommt mir sehr entgegen. Mit Anna Springer, das darf nichts werden, sonst ist die Spannung raus.“ Und eine Folge auf Norderney, der Lieblingsinsel der Münsteraner, oder in Osnabrück, wo der zweite Teil des Westfälischen Friedens geschlossen wurde, wäre schön.

„Wilsberg: Tod im Supermarkt“, ZDF, Samstag, 20 Uhr 15

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