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Das letzte Urteil in dem langen Streit um die Rundfunkgebühr ist gesprochen.
© Sören Stache dpa

Bundesverfassungsgericht: Was das Urteil zum Rundfunkbeitrag bedeutet

Millionen Menschen wird es nicht gefallen: Das Urteil zum Rundfunkbeitrag klärt viele strittige Punkte. Nun kommt der Ruf nach Reformen.

Lange wurde auf dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch gewartet, Millionen Beitragszahlern wird es nicht gefallen: Der Rundfunkbeitrag ist im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Argument der Beschwerdeführer, dass es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine Steuer handele, für die der Bund zuständig sei und nicht die Länder, wurde abgewiesen.

Die Länder dürfen den Beitrag festsetzen. Auch der Auffassung, es sei verfassungswidrig, dass jeder den Beitrag zahlen muss, unabhängig davon, ob er ein Empfangsgerät besitzt oder nicht, folgte der Erste Senat nicht. Allerdings können Gegner dieser Abgabe einen kleinen Erfolg verbuchen.

Was hat das Gericht entschieden?

Die Zahlungspflicht von 17,50 Euro im Monat bleibt bestehen. Der Beitrag fällt weiterhin pro Wohnung an, unabhängig von der Zahl der Bewohner. Ob und wie viele Fernsehgeräte oder Radios dort stehen, ist ebenfalls unerheblich.

Auch Unternehmen müssen weiterhin Rundfunkbeitrag für ihre Filialen bezahlen, außerdem für ihre beruflich genutzten Autos. Im Ergebnis hatten die vier Verfassungsbeschwerden nur in einem einzigen Punkt Erfolg: Der Doppelbetrag für Zweitwohnungen darf nicht mehr erhoben werden. Die Doppelbelastung betrifft aber relativ wenige Personen.

Welchen Wert hat das öffentlich-rechtliche Programmangebot?

Das Urteil hebt die Bedeutung des gebührenfinanzierten Rundfunks im Netzzeitalter sehr stark hervor. ARD und ZDF werden explizit ermahnt, ein Gegengewicht zu Privatsendern und sozialen Netzwerken zu bilden. Denn sie müssten aufgrund ihrer Beitragseinnahmen nicht gewinnorientiert arbeiten.

Dagegen müssten private Anbieter massenattraktive Programme gestalten, um Werbeeinnahmen zu sichern. Dies alles führe zur Vermischung von Fakten und Meinung, Inhalt und Werbung sowie zu neuen Unsicherheiten hinsichtlich Glaubwürdigkeit von Quellen und Wertungen.

„Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken“, schreiben die Verfassungsrichter wörtlich in ihr Urteil.

Das Programmangebot von ARD und ZDF sowie Deutschlandfunk sei umfassend. Die rund 90 Programme, die die Öffentlich-Rechtlichen rund um die Uhr zur Verfügung stellten, rechtfertigten deshalb den Beitrag von 17,50 Euro. Dass die monatliche Zahlungspflicht unabhängig vom Empfangsgerät allein auf die Wohnung erhoben wird, akzeptierten die Verfassungsrichter.

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Mehrpersonenhaushalte würden zwar relativ weniger belastet als Singles, aber das sei hinnehmbar, zumal Ehe und Familie unter besonderem Schutz des Staates stünden. Nur die Doppelbelastung für Zweitwohnungen sei nicht gerechtfertigt, wenn dieselbe Person bereits für die Erstwohnung zahle. Denn der Vorteil, dass man die 90 Programme empfangen kann, bestehe nur einmal.

Warum sind die Richter in ihrem Urteil nicht weiter gegangen?

Wichtiges Argument der vier Beschwerdeführer war, der Rundfunkbeitrag sei in Wirklichkeit eine Steuer, denn praktisch jedermann müsse zahlen. Steuern dürften von den Ländern, die den Rundfunkbeitrag bestimmen, aber gar nicht erhoben werden.

Dem widersprachen die acht Verfassungsrichterinnen und Richter aber schon im Mai in der mündlichen Verhandlung. Denn eine Steuer wird nicht für einen bestimmten Zweck erhoben. Der Rundfunkbeitrag wird hingegen ausschließlich zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet.

Auch für Unternehmen sah der Erste Senat keinen Grund, die Beitragspflicht zu reduzieren. Denn Radioprogramme würden sowohl in Kantinen als auch in Verkaufsräumen häufig zur Information oder Unterhaltung eingesetzt. Das sei ein Vorteil, für den ein Beitrag erhoben werden könne. Der Autovermieter Sixt oder Busunternehmer hätten ebenfalls einen Vorteil, wenn in ihren Autos Verkehrsinformationen abgerufen werden können.

Was ist mit der Zweitwohnung?

Die wichtigste Konsequenz des Urteils ist, dass das öffentlich-rechtliche System vom Bundesverfassungsgericht erneut bestätigt worden ist. An der Gebührenfinanzierung wird nicht gerüttelt. Genau das wollten die privaten Kläger aber erreichen. Das sagte einer von ihnen nach dem Urteil selbst und machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl.

Entfallen wird nun zumindest der Beitrag für Zweitwohnungen. Alle Betroffenen können sofort einen Befreiungsantrag stellen. Der Gesetzgeber muss bis spätestens Ende Juni 2020 nachbessern. Für die Öffentlich-Rechtlichen dürften die Einbußen bei insgesamt knapp acht Milliarden Euro an Einnahmen im Jahr kaum ins Gewicht fallen. Genaue Zahlen konnten gestern noch nicht genannt werden.

Wie reagieren die öffentlich-rechtlichen Sender – und deren Konkurrenten?

Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm begrüßte die Entscheidung: „Ich halte es für ein sehr gutes Urteil, ein wegweisendes Urteil, ein zukunftsweisendes Urteil. Die gesamte Konstruktion ist bestätigt worden, hat gehalten.“ ZDF-Intendant Thomas Bellut sagte, es sei gut, „dass über die Zulässigkeit des Beitrags jetzt höchstrichterliche Rechtsklarheit besteht".

Für die drei bundesweiten und werbefreien Programme des Deutschlandradios bedeute das Urteil „eine solide Perspektive für die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Qualitätsjournalismus“, kommentierte Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue das Urteil.

Aus Sicht von Hans Demmel, dem Chef des Verbandes Privater Medien (Vaunet), sollte das Urteil neben der Korrektur bei der Zweitwohn-Abgabe ein weiterer Anlass sein, das duale Rundfunksystem im Dialog mit allen Marktbeteiligten zu überprüfen. „Angesichts der sich wandelnden konvergenten Medienmärkte sollten künftige Reformkonzepte die Interessen der betroffenen Marktteilnehmer berücksichtigen. Wir halten dafür die Etablierung einer Strukturkommission unter Beteiligung der privaten Medien für zwingend notwendig“.

Bestätigung oder Reformbedarf – was sagt die Politik?

„Ich begrüße die Entscheidung des Senats sehr, gerade auch in der Ausgewogenheit ihrer Begründung. Diese bestätigt die Landesgesetzgeber, da dem Rundfunkbeitrag eine equivalente Leistung gegenüberstehe, nämlich ein umfangreiches Angebot in Form eines umfassenden, so auf dem freien Markt nicht erhältlichen Vollprogramms“, kommentierte die Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Malu Dreyer (SPD), das Urteil.

„Wir brauchen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der zusammen mit den Privaten und den Zeitungsverlagen Qualitätsjournalismus in Deutschland sichert.“ Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra (CDU) begrüßt das Urteil als „lang erwartete Klarstellung der Rechtslage“. „Damit steht nunmehr die Verfassungsmäßigkeit der wichtigsten Finanzierungsgrundlage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks endgültig fest.“

Für Beitragszahler, Rundfunkanstalten und auch für die Länder als zuständigem Gesetzgeber sei es entscheidend, dass die Rechtsgrundlage für die dauerhafte Finanzierung der Programme und Internetangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio juristisch abgesichert sei.

„Das Urteil ist eine klare Absage an das ,Weiter so’“, sagt hingegen Thomas Hacker, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Die FDP fordert Kürzungen in der Struktur der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Für den Grundversorgungsauftag seien nicht über 20 TV- und über 60 Hörfunksender und Doppelstrukturen notwendig.

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