Rundfunkbeiträge: Zeit für Reformen bei den Öffentlich-Rechtlichen
Eine Milliarde Überschuss in den Kassen: Statt über weitere Beitragserhöhungen sollten die Öffentlich-Rechtlichen jetzt über Reformen diskutieren. Ein Kommentar.
Dumm gelaufen. ARD, ZDF und Deutschlandradio hatten sich 2017 für ihre Etats bis Ende 2020 ein Minus von knapp 204 Millionen Euro errechnet. Die Expertenkommission KEF, die den Finanzbedarf prüft, kommt aktuell auf ein Plus von fast 550 Millionen Euro bis zum Ende der Beitragsperiode 2020. Und dann ist da noch eine weitere halbe Milliarde Euro in der öffentlich-rechtlichen Rücklage, weil 2017 der Monatsbeitrag nicht, wie von der KEF vorgeschlagen, von 17,50 auf 17,20 Euro gesenkt worden ist. Die über die Beitragshöhe entscheidenden Ministerpräsidenten wollen mit dieser Rücklage Zukunftsvorsorge treffen. Genauer: Ein mögliches Plus bei der Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio abpuffern.
Der Monatsobolus für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist zu einem elektronischen „Brotpreis“ geworden. Briefporto, Benzin, Deutsche Bahn – der Bundesbürger nimmt viele Preiserhöhungen schier gottgegeben hin. Bei seinem Beitrag zur Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschland muckt er auf. Das haben sich die Sender zunächst selbst zuzuschreiben. Der Rundfunkbeitrag muss von jedem Haushalt bezahlt werden, vollkommen egal, ob die Programme der Öffentlich-Rechtlichen genutzt werden oder nicht. Selbst ein Überlebensmittel wie Wasser wird nach Verbrauch berechnet.
Sind die Leistungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio in einer vielfältigen, fragmentierten, individualisierten Medienwelt so besonders, so einzigartig, dass diesem Rundfunk ein solches Alleinstellungsmerkmal bei der Art und Weise der Finanzierung zusteht?
Nein. Was in der Unterhaltung – Shows, Filme, Serien –, beim Sport – Fußball, Olympia – gezeigt und übertragen wird, das würde in der Konzentration auf relevantes öffentlich-rechtliches Fernsehen – politische Information, Nachrichten, Bildung – dem Zuschauer trotzdem nicht vorenthalten bleiben: Unterhaltung und Sport liefen dann und nicht schlechter im kommerziellen Medium.
Oder „Babylon Berlin“. Für die Produktion der außergewöhnlichen Serie hat das Pay-TV Sky fünf Millionen Euro bezahlt, ARD Degeto das Doppelte. Das Pay TV hat die ARD über den Tisch gezogen: Exklusive Erstausstrahlung, Verwertung bis zur Zweitausstrahlung im Ersten im Herbst 2018 - Sky macht sich einen Namen weg vom reinen Fußballsender, während der Doppelzahler ARD das Restpublikum erfreuen darf.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk klebt an seinem Anspruch von Omnipräsenz und Omnipotenz: alles für alle zu jeder Zeit. Da muss die nächste Beitragserhöhung schon ins Haus stehen, Überschuss hin, Überschuss her. Die Gesamteinnahmen belaufen sich auf sagenhafte 31 Milliarden Euro in der Beitragsperiode von 2017 bis 2020.
Es braucht Public-Service und Exzellenz
Was sich andeutet, das ist ein Dreikampf zwischen Sendern, KEF und Ministerpräsidenten um die Beitragshöhe ab 2021. 17, 40 Euro oder 18,40 Euro, irgendwo dazwischen wird es sich einpendeln. So könnte es immer weitergehen. Kann es nicht: Die Akzeptanz des Zwangsbeitrages wird abnehmen, weil sich der Konsum von Fernsehen weiter verzweigen, weiter individualisieren wird. Netflix ist Fernsehen, Sky ist Fernsehen, Dazn ist Fernsehen. Die Öffentlich-Rechtlichen werden nicht alles zahlen und senden können.
Höhere Beiträge werden ARD, ZDF und Deutschlandradio keine Zukunft sichern. Sie werden nur den öffentlichen Unmut fördern: über den Beitrag, der eigentlich eine Steuer ist, über Programme, die unverändert den „Wir-sind-allein-auf-der-Welt“-Anspruch behaupten, über die Rundfunkpolitik, die sich immer auf die Seite der Sender und nicht der Beitragszahler schlägt.
Stopp! Aus! Ende! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland muss sich neu konzentrieren, auf Meinungsbildungsmaßnahmen, auf Public Service, auf Exzellenz. Eine Umkehrung der Verhältnisse: Erst der Auftrag, dann der Beitrag.