Toilettengate im Bundestag: Kreml-Sender feiert "Gysi-Jäger" als Helden
Die extremen Israel-Kritiker, die Linksfraktionschef Gregor Gysi im Bundestag bedrängt haben, sollen dort Hausverbot bekommen. Der russische Auslandssender RT präsentiert sie als Vorbilder.
Die Linksfraktion im Bundestag hat sich jede weitere Zusammenarbeit mit ihnen verboten, im Bundestag sollen sie Hausverbot bekommen: die jüdischen Journalisten David Sheen und Max Blumenthal, die Linken-Fraktionschef Gregor Gysi am Montag aufs Übelste bedrängt und bis auf die Bundestagstoilette verfolgt haben. Ins Zeug für sie legt sich nun der staatliche russische Auslandssender RT, der vor einigen Tagen ein deutsches Programm startete. In der Sendung vom Donnerstagabend wurden die extremen Israel-Kritiker wie Helden präsentiert.
"Keine Sorge: Ich verschwinde nicht so schnell auf die Toilette, wenn man mir schwierige Fragen stellt, so wie manche Politiker", beginnt die Moderatorin Jasmin Kosubek die zweite Folge des Abendprogramms "Der fehlende Part - was andere nicht zeigen". Sheen und Blumenthal, die Gysi verfolgt hatten, würden nun "als Israel-Hasser vorgeführt". Dabei hätten beide "überhaupt keine Ahnung, warum sie so dargestellt werden". Und was macht RT deutsch aus dem #Toilettengate? "Gysi-Jagd bis aufs Klo", sagt Kosubek und lässt sich ihre Faszination anmerken: "Der Jäger bei uns im Studio."
Gysi hatte verhindert, dass im Namen der Linksfraktion Veranstaltungen mit Blumenthal und Sheen stattfinden - geplant ausgerechnet zum Jahrestag der Reichspogromnacht. Die beiden Abgeordneten Inge Höger und Annette Groth vom linken Flügel der Fraktion hatten die beiden Journalisten Sheen und Blumenthal dann aber in einer Verantwortung zu einem "Fachgespräch" in den Bundestag eingeladen, von dort zog ein empörter Trupp zum Bundestagsbüro von Gysi, um ihn wegen der Absage der Linksfraktions-Veranstaltungen zur Rede zu stellen. Die beiden Gäste Sheen und Blumenthal waren dabei in "aggressiver und total geladener Stimmung", wie Teilnehmer des "Fachgesprächs" sagen..
Zu Wort kommt bei RT deutsch zunächst Blumenthal, der im Interview mit Reporter Nicolaj Gericke wilde Verschwörungstheorien ausbreiten darf. Seine Auseinandersetzung mit Gysi nimmt der in den USA lebende Publizist zum Anlass zu behaupten, es herrsche im Westen eine totalitäre Kultur, "wir sind noch nicht reif für die Demokratie". In der Darstellung der Vorgänge am Montagnachmittag im Bundestag gebe es "sehr wenige Unterschiede zwischen der rechten Springer-Presse und dem ,Spiegel', das ist beinahe identisch". Alles basiere, so Blumenthal weiter, "auf Informationen, die sie von rechten Elementen in den USA haben".
Gericke hatte sich zuvor auf Twitter bereits eindeutig gegen Gysi positioniert, ihn etwa als "feige" beschimpft. Er schrieb: "Konfrontiert man so manchen Politiker mit Unbequemheit, so flüchten sie dorthin, wo sie hingehören. In die Toilette." Der Linken-Fraktionschef habe sich eingesperrt, um vor einer "Konfrontation zu flüchten".
Anschließend Studiogast bei RT deutsch ist der Journalist Martin Lejeune. Er hat das auf Youtube veröffentlichte Video gedreht, das zeigt, wie Gysi in den Fluren des Bundestages von Sheen und Blumenthal verfolgt wird, während Linke-Abgeordnete Spalier stehen. Als "Frontline-Reporter aus dem Bundestag" wird Lejeune von Kosubek angekündigt.
Journalist Lejeune: Gysi mitverantwortlich für Morddrohungen
Der sagt dann, es habe geklärt werden sollen, warum Gysi "zwei jüdischen Journalisten Redeverbot erteilen wollte". Denn der Linken-Fraktionschef habe Sheen und Blumenthal als "Israel-Hasser" bezeichnet und versucht, "sie mundtot zu machen". Dabei würden sich die beiden Journalisten für Menschenrechte und gegen Rassismus in Israel einsetzen. Durchaus berechtigt, wie Lejeune meint, den "die israelische Gesellschaft ist zutiefst rassistisch". Gysi habe somit seinen Teil zu einer "Kampagne" gegen die beiden Journalisten beigetragen und sei nun auch mitverantwortlich dafür, dass der seit Jahren in Israel lebende Sheen Morddrohungen ausgesetzt sei, erklärt Lejeune.
Der Berliner Linken-Chef Klaus Lederer hatte im Zusammenhang mit der Hetzjagd gegen Gysi an die Rolle von Lejeune bei der Berichterstattung über den Gaza-Krieg erinnert - demnach hat dieser die während des Kriegs durch die Hamas vollzogenen "Hinrichtungen in Gaza als extrem soziale Veranstaltung gerechtfertigt". Lederer schrieb diese Woche auf Facebook: "Derart sind die Kooperationspartner unserer ,Israel-Kritikerinnen'. Wer sich mit solchen Leuten ins Boot setzt, kann niemandem mehr erklären, dass es ihm um eine differenzierte Sicht auf den Nahostkonflikt geht."
Die Linksfraktion hatte das #Toilettengate am Dienstag ausführlich diskutiert. Die an der Aktion gegen Gysi direkt oder indirekt beteiligten Abgeordneten Höger, Groth und Heike Hänsel entschuldigten sich bei Gysi, dieser nahm diese auch an. Dennoch wurde die Aktion gegen den Fraktionschef "auf das Schärfste" verurteilt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) begründete die geplante Verhängung von Hausverboten gegen Sheen und Blumenthal mit den Worten, jeder Versuch, auf Mitglieder des Bundestages physischen Druck auszuüben, sie körperlich zu bedrängen und damit die Wahrnehmung der Aufgaben des Hauses zu gefährden, sei indiskutabel und müsse unterbunden werden. Unklar blieb am Freitag zunächst, ob neben Sheen und Blumenthal auch Lejeune Hausverbot im Bundestag bekommen könnte - er hatte gefilmt, Gysi aber nicht körperlich bedrängt.