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Schützenhilfe. Borowski (Axel Milberg, Mitte) und Brandt (Sibel Kekilli, links) bekommen Unterstützung von Polizist Torsten „Rauschi“ Rausch (Tom Wlaschiha, rechts).
© ARD

"Tatort" aus Kiel: Revierpflege

In Kiel ermitteln die Kommissare im Fall eines getöteten Pädophilen. Fragwürdige Unterstützung bekommen sie von "Rauschi" - einer Jugendliebe von Sarah Brandt.

Kiel-Gaarden ist ein ungemütliches Pflaster. Rund 40 Prozent der Bewohner beziehen Sozialleistungen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Wohnungen trist, die Stimmung trister. Oder aggressiv. In Kiel-Gaarden möchte man nicht wohnen. Aber einen „Tatort“ drehen – dafür ist das Viertel optimal. Weswegen Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) in „Borowski und die Kinder von Gaarden“ genau hier ermitteln.

Onno Steinhaus, ein vorbestrafter Kinderschänder, liegt erschlagen in seiner vermüllten Bleibe. Immer wieder lud er Jungs zu sich nach Hause ein, trank Alkohol mit ihnen, hörte laut Musik. „Party bei Onno“ nannten es die Kinder, die längst wussten, dass ihr Gastgeber ein Pädophiler war. Ein Pädophiler, der sich wegen seines Alkoholismus kaum noch wehren konnte, wenn man sich über ihn lustig machte oder auf ihn eintrat. Doch jetzt ist Onno tot, die Party aus. Und obwohl Kiel-Gaarden dem Treiben jahrelang zuschaute, will von Onnos Ableben niemand etwas mitbekommen haben.

Sarah Brandt flirtet mit "Rauschi", Borowski steht genervt daneben

Borowski und Brandt bekommen in dieser „Tatort“-Folge Ermittlungshilfe von „Rauschi“. Rauschi alias Torsten Rausch ( Tom Wlaschiha) ist zuständiger Polizeibeamter für Kiel-Gaarden – und ehemaliger Kneipenkumpan von Brandts Freund „Knacki“. Knacki und Rauschi haben Brandt früher nie zu ihren Poker-Abenden mitgenommen, aus Gründen: „Ich hatte Pickel und du warst the legend“, fasst die Kommissarin wenig beleidigt zusammen. Borowski steht da schon sauertöpfisch daneben. Er kann „Platzhirsch“ Rauschi nicht ausstehen und hat für die beginnende Liebelei überhaupt keinen Nerv. Gemeinsam haben er und Brandt ab da nur noch das Bedürfnis, Rauschi nachzustellen. Ihre Motive und Methoden aber sind völlig unterschiedlich, das separiert sie.

Rauschi entpuppt sich als ominöse Figur. Eiskalt – und on the rocks gespielt von Tom Wlaschiha. Während der Hauptverdächtige, der 15-jährige Timo, von Borowski verhört wird, beschäftigt sich Rauschi lieber intim mit Timos Mutter. „Revierpflege“ nennt er das. Bei wie vielen Frauen Rauschi sein Revier so pflegt, will Borowski lieber gar nicht wissen. Als der Kommissar Timo kurz darauf zu Hause abliefert und der Mutter erklärt, ihr Sohn stünde unter Mordverdacht, lässt die Frau ihren Sprössling wissen, dass es „echt großartig wäre, wenn er mal keinen Ärger machen würde“. Geht ja nur um möglichen Mord. Rauschi nutzt die Gelegenheit, um sich schmierig bis elegant von der Revierpflege zu verabschieden.

Timo, dazu muss der Zuschauer kein Hellseher sein, war es vermutlich ohnehin nicht. Gründe für den Mord hätte er, doch das ist eben nicht alles. Der blonde Schlaks beeindruckt Borowski mit beinahe philosophischen Aussagen, die der im Kieler Brennpunkt ganz sicher nicht vermutet hat. Während Brandt noch versucht, Timo als Mörder zu überführen, hat Borowski seine Ermittler-Antennen deshalb bereits neu justiert. Schließlich waren bei Onno Steinhaus auch noch andere Kinder – weit weniger sensible Zeitgenossen als Timo. Und was ist mit Rauschi? Oder der fülligen Nachbarin, die ihre Tage in Spionage-Haltung hinter der Fenstergardine verbringt – falls sie nicht gerade ihren ebenso fülligen Mops füttert?

Borowski und Brandt ermitteln eigensinnig vor sich hin - jeder in seine Richtung

Es gibt „Tatort“-Kommissare, die, von kleineren und größeren Reibereien abgesehen, an einem kriminalistischen Strang ziehen. Hier ist davon wenig zu merken. Borowski und Brandt ermitteln zwar; doch jeder eigenen Spuren folgend, jeder in nordischem Eigensinn brütend. Die Kamera begleitet sie nur gemeinsam, wenn sie im Büro sitzen und sich Papierkügelchen an den Kopf werfen – oder den Tatort betreten. Sonst: Solotour. Bis auf wenige Ausnahmen ist Teamarbeit in diesem „Tatort“ Fehlanzeige. Und Brandt trägt, wenn man ehrlich ist, diesmal nicht übermäßig viel zum Lösen des Falls bei. Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, ihrer Jugendliebe hinterher zu recherchieren. Was ihr von Borowski den Kommentar einbringt, sie solle lieber „ihren Rauschi ausschlafen“.

Die Wende, der letzte, überraschende Kniff, wie man ihn vom „Tatort“ kennt, bleibt auch diesmal nicht aus, ist aber durchschau- und erwartbar. Borowski und Brandt waren schon ab dem ersten Drittel des Films mehr oder weniger auf der richtigen Spur; ein aufmerksamer Zuschauer auch. Was bleibt von diesem „Tatort“, ist das Fazit, dass man in Kiel-Gaarden tatsächlich auf gar keinen Fall wohnen möchte. Und dass dem nächsten Kieler „Tatort“ weniger eigenbrötlerische Kommissare gut stehen würden.

„Tatort: Borowski und die Kinder von Gaarden“, Sonntag, ARD, 20 Uhr 15

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