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Moderator Christian Ehring moderiert während der Sendung "extra 3" den satirischen Song: "Erdowie, Erdowo, Erdogan" an.
© NDR/dpa
Update

Satire-Sendung "extra 3": Rekordquote dank Erdogan

Nie zuvor haben so viele Menschen eingeschaltet. Doch die Sektlaune beim NDR wird getrübt durch die Situation der Journalisten in der Türkei.

Mit erhobenem Haupt schreitet Christian Ehring die Treppen hinab, begleitet von orientalischen Klängen und einem türkischen Ansager. Der „extra 3“-Moderator kann es sich leisten: Schließlich hat seine Sendung in der vergangenen Woche mit einer Satire auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einen Medien-Coup gelandet.

„Wir senden heute aus dem Krisengebiet“, sagt Ehring. Als Reaktion auf die Einbestellung des deutschen Botschafters durch türkische Behörden habe man nun seinerseits den türkischen Botschafter in die Sendung einbestellt. Droht nun Krieg?

Für den nächsten Lacher sorgt ein Einspieler aus der Bundespressekonferenz, in der die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Sawsan Chebli, erklärt, eine Einbestellung sei eine „schärfere Form der Terminvereinbarung“ – und über die umständliche Formulierung selber lachen muss.

Kurzerhand wird Erdogan zum „Mitarbeiter des Monats“ gekürt: „Wir sind ein kleines Satiremagazin, er ist der größte Komiker seines Landes“, fügt Ehring an. Es gehe „extra 3“ nun vor allem um Deeskalation. Da sehe man auch darüber hinweg, dass der türkische Präsident die NDR-Sendung offenbar schaue, aber keine Gebühren zahle.

Ganze 880.000 Zuschauer verfolgten die Sendung, wie der NDR am Donnerstag in Hamburg mitteilte. So viele Zuschauer hatte die Sendung nie zuvor. Damit lag der Marktanteil bei 4,5 Prozent. NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz freute sich über „eine perfekte Werbung für die Sendung“. Die Freude darüber werde allerdings getrübt "angesichts der aktuellen Situation vieler Journalisten-Kolleginnen und -Kollegen in der Türkei".

Nicht nur Erdogan, auch Angela Merkel muss sich eine Spitze gefallen lassen. In Deutschland, doziert Ehring, laufe das so: „Wenn Sie Kritik hören wollen, gucken Sie ‚extra 3‘. Wenn Sie keine Kritik hören wollen, treffen Sie die Bundeskanzlerin.“ Damit spielt der Moderator auf die Verhandlungen der Europäischen Union mit der Türkei über die Bewältigung der Flüchtlingskrise an.

Merkel hatte Erdogan das Versprechen abgenommen, künftig alle illegalen Einwanderer, die von der Türkei aus nach Griechenland kommen, zurückzunehmen, und ihm dafür weitreichende Zugeständnisse gemacht. Für Kritik an Menschenrechtsverletzungen durch den türkischen Staat sei da wenig Platz, monierten Aktivisten.

Erdogan-Video jetzt mit türkischen Untertiteln

Dazu zählt auch die Einschränkung der Pressefreiheit, die im umstrittenen „extra 3“-Song thematisiert wurde. Momentan stehen in der Türkei zwei Journalisten der regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ wegen des Vorwurfs von Spionage und Terrorunterstützung vor Gericht. „Für jeden Gag, den türkische Satiriker machen dürfen über den Präsidenten, nehmen wir von 'extra 3' einen Erdogan-Gag zurück“, bot Ehring an.

Um Erdogan noch ein bisschen mehr zu ärgern, wird kurzerhand eine neue Version des Erdogan-Songs – mit türkischen Untertiteln – präsentiert. Vielleicht hatte die Redaktion da auf die „tageszeitung“ zurückgegriffen: Das linksgerichtete Blatt hatte bereits einen Tag zuvor eine türkische Fassung des Songtextes veröffentlicht.

Dass die „extra 3“-Macher ihren Coup genüsslich auskosten – immerhin war der Sendung für einige Zeit die Aufmerksamkeit der Weltpresse gewiss – zeichnete sich schon vor der Ausstrahlung ab. Über Facebook erklärte die Redaktion: „Seit Erdogan Präsident ist, laufen in der Türkei sage und schreibe 1.845 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung. Heute Abend machen wir die 2.000 voll!“

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