ZDF-Reihe "Schuld": Man stirbt schnell
„Schuld“: Das ZDF verfilmt sechs Kurzgeschichten von Ferdinand von Schirach.
In den USA machen sie sich gern ein bisschen lustig über die Deutschen und ihr gebührenfinanziertes Fernsehen. Warum sie denn so gar nichts Vernünftiges zustande bringen mit dem vielen Geld, wo sie sich sonst doch gern als Meister der Effizienz inszenieren. Kein „Prison Break“, kein „True Detective“, kein „House of Cards“. Gerade erst hat Vince Gilligan aus der losen Vorlage von „Breaking Bad“ ein Spin-off namens „Better Call Saul“ kreiert, es ist im Streaming-Dienst Netflix zu sehen und macht der deutschen Serienkonkurrenz das Leben schwer.
Diese Kritik ist, bei aller Verneigung vor den amerikanischen Großmeistern, ein bisschen ungerecht. Erstens ist im deutschen Fernsehen ist nicht alles „Marienhof“ oder „Verbotene Liebe“. Denn zweitens gibt es auch hier sehr wohl Perlen. „Weissensee“ etwa wird gerade in der dritten Staffel produziert, und am Freitag startet das ZDF sein Experiment mit „Schuld“. Sechs Episoden, verfilmt nach Kurzgeschichten des Berliner Strafverteidigers Ferdinand von Schirach, produziert von Oliver Berben. Alles andere als leichte Kost und ganz bestimmt nicht ausgerichtet auf Harmonie und Konsens. Der Autor selbst ist sich ziemlich sicher, es werde „zu Diskussionen kommen, zu Widersprüchen und Wutausbrüchen im Internet. Wenn ein Fernsehsender zeigt, dass der angeblich Böse nicht bestraft wird und dass die Fälle nicht so ausgehen, wie man es vom Tatort gewohnt ist, verstößt das gegen alle Regeln.“
Pathos und Kühle
Nun ist Nonkonformität für sich kein Qualitätsmerkmal. Es ist auch nicht alles gut an diesen sechs Filmen. In die Eingangssequenzen ist ein bisschen zu viel Kunst hineingestopft worden, am Ende dominieren das Pathos, ein Schwenk über die berühmte Freitreppe im Inneren des Kriminalgerichts Moabit und der aus dem Off gesprochene Satz: „Die Schuld eines Menschen ist schwer zu wiegen. Wir streben ein Leben lang nach Glück. Aber manchmal verlieren wir uns, und die Dinge gehen schief. Dann rettet uns nur noch das Recht vor dem Chaos. Eine dünne Schicht aus Eis, darunter ist es kalt, und man stirbt schnell.“
Es wird gar nicht so schnell und viel gestorben in diesen sechs Folgen, und auch das steht für die Qualität. Der Verfilmung gelingt es auf wunderbare Weise, der zuweilen aseptisch anmutende Atmosphäre der Kurzgeschichten eine menschliche Nähe zu geben, ohne dass dabei die Kühle und keine Partei nehmende Distanz der Vorlage verloren geht.
Kein Held, sondern Anwalt
Es gibt zwischen den einzelnen Episoden keinen inhaltlichen Zusammenhang, mal abgesehen von der Figur des Strafverteidigers Friedrich Kronberg. Moritz Bleibtreu spielt diesen Friedrich Kronberg mit einer meisterhaften Mischung aus Zweifel, Empathie und Zurückhaltung. Ganz anders als Sepp Bierbichler, der Schirachs Alter Ego in der Verfilmung der Fälle aus dessen erstem Buch „Verbrechen“ sein massiges Gesicht und seine wuchtige Statur gab. In der literarischen Vorlage ist der Anwalt ohnehin kaum mehr als der Erzähler. „Er hat nichts mit mir zu tun“, hat Ferdinand von Schirach im Tagesspiegel-Interview erzählt. „Der Anwalt ist kein Held, er macht nur seine Arbeit.“
Kronberg macht diese Arbeit gern, aber nicht immer. In seinem ersten Fall, er wird vom ZDF als letzter ausgestrahlt, erfährt er seine Sozialisation vor dem Strafgericht auf eine Weise, wie sie ihm alle Illusionen für die berufliche Zukunft nimmt. Schirach sagt, er habe das so ähnlich selbst erlebt. In der „Süddeutschen Zeitung“ ist ihm mal der Vorwurf gemacht worden, er schlachte alte Mandate aus, um neue zu gewinnen. Das sei ein ziemlicher Blödsinn, entgegnet von Schirach, weil er schon mal wegen des Anwaltsgeheimnisses nicht über eigene Mandate schreiben dürfe.
Irgendwann mal den falschen Abzweig genommen
In diesem Sinne hat sich nichts so abgespielt wie in seinen Geschichten erzählt wird, aber genau so ist es gewesen. Zum Beispiel in der Folge, die zur Premiere ausgestrahlt wird. Sie heißt „Der Andere“ und ist neben Moritz Bleibtreu großartig mit Devid Striesow und Bibiana Beglau besetzt. Eine erotische Dreiecksgeschichte, die nur scheinbar harmlos beginnt und die handelnden Charaktere auf einen Weg zwingt, bei dem einer irgendwann die falsche Abzweigung nimmt. Die Dinge gehen schief, und es ist an Anwalt Friedrich Kronberg, mit Hilfe der Strafprozessordnung einen Ausweg zu finden. Jenseits vom moralischen Anspruch auf Gerechtigkeit. Der Strafverteidiger ist kein Held, er macht nur seine Arbeit, egal, ob er Sympathie hegt für seinen Mandanten oder dessen Taten verabscheut. Er verteidigt.
„Schuld“ ab Freitag jeweils um 21 Uhr 15 im ZDF
Sven Goldmann