Journalisten im Exil: Jetzt schreiben sie
Stimmen der Freiheit: Wie Exiljournalisten die deutsche Medienlandschaft verändern
Wie viele Journalisten in Deutschland im Exil leben, lässt sich nicht genau sagen – eine Statistik dazu gibt es nicht, auf mehrere hundert wird ihre Zahl geschätzt. Sicher ist: Es werden immer mehr. Sie verlassen ihre Heimatländer, weil sie bedroht werden, Gefängnis, Folter, Mord zu befürchten haben, oder sie fliehen vor Kriegen. Gerade hat der Berliner Senat Stipendienprogramme für verfolgte Journalisten beschlossen, auch „Reporter ohne Grenzen“ vergibt Stipendien, Stiftungen, Sender und Verlage engagieren sich.
Die Hamburger Körber-Stiftung lud jetzt zum ersten „Exile Media Forum“, um all diese Aktivitäten sichtbar zu machen und zu vernetzen. „Wir sehen die Exilierten als Mittler zwischen den Welten“, sagte Bereichsleiter Sven Tetzlaff. Allerdings gelingt es bisher wenigen, in deutschen Medien Fuß zu fassen. Es gibt nur punktuelle Angebote wie Integrationsvolontariate bei ALEX Berlin, einen Weiterbildungsstudiengang der Hamburg Media School oder auch das Tagesspiegel-Projekt #jetztschreibenwir. Eher können Exiljournalisten für Plattformen arbeiten, die sich an die eigenen Communities wenden, wie die arabischsprachige Zeitung „Abwab“, die siebensprachigen Info-Seiten „Handbook Germany“ oder die arabisch- und farsisprachige Plattform „Amal, Berlin!“.
Ein Nebeneffekt dieser Projekte ist, dass auch andere Redaktionen sich neuen Sichtweisen öffnen. Seit es das Online-Projekt „WDRforyou“ mit Angeboten für Geflüchtete auf Deutsch, Arabisch, Farsi und Englisch gebe, wüchse auch in den anderen WDR-Redaktionen das Interesse, sagte Redakteurin Isabel Schayani. Ebru Tasdemir von der „taz“ bestätigte diesen Effekt: Die Türkei-Kompetenz aus dem deutschtürkischen Internetportal „taz.gazete“ fließe in die normale Berichterstattung ein.
In deutschen Redaktionen nur wenige Migranten
In deutschen Redaktionen sind Mitarbeiter mit Migrations- oder Fluchthintergrund selten. Alle wüssten, dass sich das ändern müsse, sagte Klaus Brinkbäumer, scheidender „Spiegel“-Chefredakteur. In Zeiten schrumpfender Etats seien Neueinstellungen allerdings nur sehr begrenzt möglich. Sheila Mysorekar (Neue deutsche Medienmacher) hofft dennoch, dass sich durch die Solidarität mit Exiljournalisten die Medienlandschaft insgesamt verändern werde.
Exilmedien im engeren Sinne haben nicht Zielgruppen in Deutschland im Blick, sondern möchten als Stimme der Freiheit in den Heimatländer wirken. Dazu gehört etwa der aserbaidschanische Exilsender Meydan TV, der zehn Prozent der Aserbaidschaner erreicht, und das deutsch-türkische Online-Magazin „özgürüz“ („Wir sind frei“) von Can Dündar, dem ehemaligen Chefredakteur der Tageszeitung „Cumhuriyet“, der seit 2016 im Berliner Exil lebt.
Exil tut weh. Wie weh, schilderte Can Dündar in einer emotionalen Auftaktrede in der Elbphilharmonie. Es beginne damit, dass man zur unerwünschten Person wird. „Innerhalb von fünf Jahren wurden wir zu Exilanten im eigenen Land.“ Dann die Sorge um die eigene Sicherheit, die Flucht und, im neuen Land, der Status des „ewigen Außenseiters“ und die fortdauernde Angst um die Liebsten und Kollegen in der Heimat, die er durch seine Reden und Artikel in Gefahr bringe. Die lange Hand Erdogans spüre er auch hier, sagte Dündar, der nicht ohne Personenschutz auftreten kann.
Das türkische Wort für Exil, sürgün, habe jedoch eine Nebenbedeutung: neue Chance. Wie kaltes Wasser sei das Exil: einerseits erschreckend, andererseits verjüngend, vitalisierend, befreiend. Er selbst lasse sich jedenfalls nicht das Gefühl der Zugehörigkeit zu seinem Land nehmen. Und, in Abwandlung des Zitats von Thomas Mann „Wo ich bin, ist Deutschland“ endete Dündar mit dem Satz: „Wo immer ich schreibe, ist die Türkei.“