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Rund 80 Exil-Vietnamesen protestieren in Berlin auf einer Kundgebung des Bundesverband der vietnamesischen Flüchtlinge.
© imago/Christian Mang

Fluchtort Berlin: Senat hilft Exilanten

In Berlin leben Oppositionelle aus vielen Ländern – die Landesregierung bietet nun Stipendien an.

Der Senat will Exilanten in der deutschen Hauptstadt nach Tagesspiegel-Informationen besser unterstützen. So werden in Berlin derzeit zahlreiche Projekte aufgelegt, um politisch Verfolgten zu helfen. Im aktuellen Doppelhaushalt sind dafür je 500 000 Euro für die Senatsverwaltungen für Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft eingestellt. In einer noch unveröffentlichten Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Daniel Wesener und Bettina Jarasch teilt die Senatskanzlei mit, „die weltoffene Ausrichtung der Metropole“ stärken zu wollen.

Im Mai trat Berlin dem Netzwerk „International Cities of Refugee Network“ (ICORN) bei, das in 60 Städten mehr als 200 Kunst- und Kulturschaffenden Zuflucht bietet. Mit der Mitgliedschaft ist ein Stipendium sowie die Bereitstellung einer Wohnung verbunden. Die Wirtschaftsverwaltung investiert in zwei Projekte: Sie bietet verfolgten Journalisten eigene Stipendienprogramme an und berät Unternehmen, die in den Herkunftsländern an der Arbeit gehindert werden. Die Kulturverwaltung wiederum bietet Medien- und Kulturschaffenden Fellowship-Programme an: 2018 und 2019 sollen 19 Stipendiaten daran teilnehmen. Die Einstein-Stiftung stellt in einem Sonderprogramm derweil verfolgten Gast-Wissenschaftlern an den Berliner Universitäten je 1,5 Millionen Euro für Projekte zur Verfügung.

Sollte sich die rot-rot-grüne Landesregierung tatsächlich gezielter um Exilanten kümmern, passt das zum anhaltenden Trend: Immer mehr politische Verfolgte, also nicht Armutsmigranten, suchen in Berlin ein temporäres oder dauerhaftes Zuhause. Wie berichtet, sind türkische, syrische, iranische und russische Oppositionelle in die Stadt aktiv. Dazu kamen ungarische, aserbaidschanische und vietnamesische Exilanten nach Berlin.

Exiljournalisten sind im Visier des vietnamesischen Geheimdienstes

Derzeit befasst sich der für Spionagefälle zuständige Generalbundesanwalt erneut mit einem Fall aus Vietnam. Im Visier des vietnamesischen Geheimdienstes sind demnach Exiljournalisten in Berlin. Einer von ihnen, der seit 25 Jahren in der Stadt lebt, hat über die Entführung eines anderen Vietnamesen zurück in dessen Heimat berichtet: Der entführte Mann ist in Vietnam inzwischen wegen Millionenbetruges verurteilt worden, ein Geheimdiensthelfer wiederum erhielt in Berlin eine Haftstrafe. Der nun vom Geheimdienst beobachtete Exilant ist Gründer der Online-Nachrichtenplattform thoibao.de: Die Seite wird in Deutschland und Asien häufig besucht.

In Vietnam ist die Seite nach Berichten der ARD nur noch auf Umwegen erreichbar. In Deutschland ist das Nachrichtenportal offenbar von IT-Spezialisten angriffen geworden. Die Seite war immer wieder nicht erreichbar, der Betreiber hatte bei der Berliner Polizei deswegen Anzeige erstattet. Erst im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass Vietnams Regierung eine „Cyber-Armee“, also eine Einheit mit IT-Experten, gegründet haben soll. Angeblich dienten der Truppe 10 000 Männer und Frauen. Sie sollen soziale Netzwerke beobachten.

Die vietnamesische Gemeinschaft in Berlin ist dahingehend gespalten: Während Tausende die Regierung in ihrer Heimat unterstützen dürften, lehnen wohl mindestens so viele sie ab.

Die genannten Förderprogramme des Senatsverwaltungen seien ein „guter Anfang“ für die Exilantenhilfe, teilten die Grünen-Politiker Jarasch und Wesener mit. Allerdings müssten diese „unter einem Dach“ geführt werden, um ihre Wirkung zu verstärken. Jarasch sagte, mit solchen Leuchtturmprojekten könne Berlin „international ein Zeichen setzen“ in einer Zeit, in der man beobachten könne, dass autoritäre Regimes weltweit erstarken.

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