Ausschluss bei Olympia wegen Dopings?: Hajo Seppelt: „Wir haben empfindlichen Nerv der Sportnation Russland getroffen“
Doping-Reporter Hajo Seppelt über eine wichtige Entscheidung, die am Freitag fällt, das Thema Doping in Russland, heikle Interviews und Hass-Mails.
Herr Seppelt, am Freitag will der Leichtathletik-Weltverband über einen möglichen Ausschluss russischer Leichtathleten von den Sommerspielen in Rio de Janeiro entscheiden. Sehen Sie sich in Ihrem Verve, was weitere Doping-Recherchen betrifft, angefeuert oder gebremst, weil Sie neulich bei einem Interview mit dem russischen Staatssender provoziert worden sind?
Nein, das nicht. Aber vorsichtiger müssen wir bei Recherchereisen künftig wohl sein, und die mutigen russischen Informanten natürlich auch. Letztlich zählt, dass unsere Informationen stimmen. Die Berichterstattung der ARD ist bestätigt durch die Untersuchungen einer Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur, zahlreiche Personen wurden, zum Teil lebenslänglich, international gesperrt.
Das sehen die Russen anders.
Dass russische Staatsmedien dies jetzt anders darzustellen versuchen, spricht für sich. Am Freitag wird der Weltleichtathletikverband sein Urteil fällen.
Welches Urteil des IAAF erwarten Sie? Was halten Sie für sinnvoll?
Ich kenne die Ermittlungen der Task Force der IAAF natürlich nicht und weiß daher nicht, was sie empfehlen werden. Mir ist nur bekannt, dass sich die Kommission die Rechercheergebnisse der ARD en detail angeschaut hat.
Sie haben mit ihren Recherchen die Aufmerksamkeit des russischen Staatsfernsehens geweckt. Bereuen Sie mittlerweile, dass Sie dem Interviewwunsch des Staatssenders Rossija nachgekommen sind?
Es gibt seit Monaten viele Medienanfragen aus dem Ausland zu unseren Recherchen über Doping im russischen Spitzensport. Ich beantworte sie gern, sofern es die Zeit erlaubt. Daher habe ich auch dem Interviewwunsch des russischen Fernsehens entsprochen. Im Verlauf des Interviews wurden die Fragen der TV-Reporterin immer unsachlicher und provokativer: ob ich ein bezahlter Agent sei, wieso ich gegen Putin arbeite, warum ich Russland den Ruhm nicht gönnen wolle.
Vielleicht waren Sie da zu naiv.
Irgendwann habe ich das Gespräch beendet. Rund eine halbe Stunde weigerte sich das russische Team, das Apartment zu verlassen, und filmte entgegen meiner Aufforderung weiter, selbst in meinem Schlafzimmer. Mir ist irgendwann so der Kragen geplatzt, dass ich verbal klar und deutlich wurde und sie aus dem Zimmer warf. Ich habe viel Erfahrung mit Interviews weltweit, aber ich muss mir den Vorwurf machen, nicht rechtzeitig erkannt zu haben, dass der Termin als Provokation angelegt war.
Haben Sie nach und mit Ihren Doping-Recherchen nicht manchmal auch Sorge um Leib und Leben?
Offensichtlich haben wir mit unserer Berichterstattung über das weitverbreitete Doping und die Korruption im russischen Sport, die hinauf bis zur Regierungsebene reichen dürfte, einen sehr empfindlichen Nerv der Sportnation Russland getroffen. Ich bekomme Hunderte von Emails und Twitter-Nachrichten, die oft hasserfüllt sind, manche enthalten auch unverhohlene Drohungen. So etwas habe ich in meinem Berufsleben noch nicht erlebt. Und ich bin Sportjournalist, kein Kriminalreporter. Verfolgt fühle ich mich noch nicht. Aber ich muss zugeben, dass es nicht angenehm ist.
Trügt das Gefühl, dass das Thema Doping einen breiteren Raum in der Sport-Berichterstattung der ARD eingenommen hat, anders als noch vor Jahren?
Da hat sich eine Menge getan. Die 2007 gegründete ARD-Dopingredaktion beim WDR hat etliche Berichte gefertigt und dabei oft den Finger in die Wunde legen können. Das öffentliche Bild des organisierten Sports hat sich durch investigative Berichterstattung verändert. Es kommt der Wahrheit sehr viel näher.
Die halbe Welt blickt nach Frankreich zur Fußball-EM. Gibt es im Profi-Fußball auch Doping? Haben Sie Erkenntnisse?
Das haben Sie zuletzt in der ARD sehen können: den Beweis für einen positiven Test eines Fußballprofis aus der russischen Ersten Liga, wie es aussieht, von ganz oben unter den Teppich gekehrt.