Pfoten weg!: Französische Journalistinnen gegen Übergriffe von Politikern
Aufschrei in der "Liberation": Französische Journalistinnen aus Print und Fernsehen wehren sich gegen sexuelle Anspielungen, Avancen und Übergriffe von Politikern - für die wird es nun mehr als nur peinlich.
„Sie gehen auf den Strich, Sie warten auf Kunden?“ – „Können wir das Interview im Hotel fortsetzen?“ – „Und Sie , Sie träumen von mir in der Nacht?“ – Das sind nur einige Beispiele für sexistische Bemerkungen von Politikern, die französische Journalistinnen in der Ausübung ihres Berufs über sich ergehen lassen müssen. Verbale und auch handgreifliche Übergriffe von männlichen Abgeordneten, Parteifunktionären und selbst Ministern gehören zu ihren täglichen Erfahrungen. Bisher haben sie darüber hinweggesehen, ohne zu protestieren. Doch nun haben sich einige von ihnen entschlossen, den Politikern die Grenzen aufzuzeigen.
„Pfoten weg!“ lautet der Titel eines Aufrufs in der linksliberalen Zeitung „Libération“, den vierzig Journalistinnen zahlreicher Medien, darunter der Zeitung „Le Monde“, der Nachrichtenagentur AFP sowie Rundfunk und Fernsehen, unterzeichnet haben. Unter Aufzählung drastischer Beispiele beklagen sie das „vorherrschende Machogehabe“ von Politikern, das sich in vielen Fällen ihnen gegenüber in einem „schlüpfrigen Paternalismus“ äußere. So zögerten Politiker nicht, einer jungen Reporterin durch die Haare zu fahren oder einer anderen den Rücken mit den Worten „Ah, was zeigen Sie mir da?“ zu tätscheln.
"Machistische Praktiken"
„Wir hatten gehofft, dass sich seit der Affäre Strauss-Kahn die Dinge ändern würden“, heißt es in dem Aufruf. Die Unterzeichnerinnen spielen damit auf das Interview an, das eine junge Journalistin vor Jahren mit dem früheren Finanzminister Dominique Strauss-Kahn führen wollte. Der spätere Direktor des Internationalen Währungsfonds, der 2011 wegen einer versuchten Vergewaltigung eines New Yorker Hotel-Zimmermädchens sein Amt verlor, hatte ihr einen Termin in einer Wohnung vorgeschlagen und hatte sie dort sexuell belästigt. Die Hoffnung der Unterzeichnerinnen des Aufrufs, dass die "machistischen Praktiken" von Politikern seitdem verschwinden würden, erfüllte sich jedoch nicht. Nichts würde sich ändern, solange die Politik in den Händen heterosexueller Männer – meist über sechzig – liege.
In den Wandelgängen der Nationalversammlung war der Aufruf am Tag der Veröffentlichung das beherrschende Thema. Die männlichen Abgeordneten befanden sich dabei, wie eine Reporterin für die Zeitung „Libération“ beobachtete, zumeist in der Defensive. Ein früherer konservativer Minister habe auf Fragen nach seiner Reaktion auf den Aufruf mit einem unwilligen Wort geantwortet, er hätte das gar nicht gelesen. Ein Assistent eines Abgeordneten habe ironisch gefragt, ob man ihnen, den Reporterinnen, noch die Hand schütteln dürfe. Manche Parlamentarier hätten allerdings auch mit Verständnis und Bekundungen von Solidarität reagiert. „Ich hätte nie gedacht, dass es das gibt“, sagte der konservative Abgeordnete Nicolas Dupont-Aignan, „das ist sehr traurig“. Der sozialistische Deputierte Philippe Martin habe den Aufruf mit den Worten unterstützt: „Nach dem Gesetz über die Gleichheit der Geschlechter müssen sich endlich die Verhaltensweisen entsprechend entwickeln.“
Hans-Hagen Bremer