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Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Dagmar Reim, Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck (links) und Berlins ehemaliger Bürgermeister Klaus Wowereit feiern im Februar 2004 den Start des gemeinsamen Senders.
© dpa
Update

Intendantin Reim hört auf: Der RBB brauchte Dagmar Reim, jetzt braucht er Zukunft

Dagmar Reim hat den Sender Freies Berlin und den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg zum RBB fusioniert und konsolidiert. Eine große Leistung - aber eine der Vergangenheit

Es ist ein guter Zeitpunkt, an dem Dagmar Reim aufhört. Gut, weil klug: Reim bestimmt ihren Abschied selber. Gut, weil klug: Der Rundfunk Berlin-Brandenburg muss dringend seine Zukunft bestimmen. Reim geht im Juni 2016, hätte sie bis 2018 weitergearbeitet, hätte der Wille zur Kontinuität den Willen zum Aufbruch überwölben können. Im Zweiländersender haben sich alle eingerichtet: die Intendantin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Zuschauer und Zuhörer, die Politik.

Dagmar Reim hat, und das ist mehr als eine Leistung, als Gründungsintendantin des RBB die Fusion von Sender Freies Berlin und Ostdeutschem Rundfunk Brandenburg vollzogen. Eine geglückte Senderfusion, die der Länderfusion von Hauptstadt und Mark vorausgehen sollte. Aber die Länder werden auf politischer Ebene nicht schaffen, was auf medienpolitischer Ebene gelungen ist. Dabei sind die Voraussetzungen so unähnlich nicht: SFB und ORB waren im neuen Rundfunk-Deutschland schlichte Bonsai-Sender. Aus eigener finanzieller Kraft nicht überlebensfähig, im ARD-Fernsehen Rand- und keine Spielfiguren. Bei den ortsüblichen Hakeleien zwischen Berlin und Brandenburg war es eine Sternstunde der Politiker beider Länder, die Notwendigkeit der Senderfusion zu erkennen und auf den Weg zu bringen.

Und vielleicht war es ein Zufall, auf jeden Fall ein Glücksfall, Dagmar Reim zur Gründungsintendantin zu wählen. Sie kam als Direktorin des NDR-Landesrundfunkhauses in die Masuren- und in die Marlene-Dietrich-Allee. Gebürtige Heidelbergerin, gläubige Katholikin mit einem schier calvinistischen Arbeitsethos, durch langjährige Hörfunkarbeit eine wortmächtige Frau in Ton und Schrift. Und klarem Kurs: eine neue ARD-Anstalt für Berliner und Brandenburger. Reim hat mit ihren Mitarbeitern Strukturen geschaffen, die den Sender finanziell überlebensfähig gemacht, 300 Stellen wurden sozialverträglich abgebaut, Frauenförderung ist weit mehr als ein Schlagwort, die Programmleistungen wurden konsolidiert: Zulieferungen zum Ersten, ein eigenes Drittes Fernsehprogramm, sechseinviertel Hörfunkwellen, multimediales Beiwerk.

Das RBB-Radio steht prächtig da: Mit der Antenne Brandenburg sendet der Marktführer in der Region, Radio Berlin 88 8 krault mit den übrigen Mainstream-Programmen um den Erfolg, der Kulturbürger wird mit dem Kulturradio gefüttert, Radio Fritz holt junges Volk ins Hörerrund, Radio Eins gibt dem Mittelalter-Bürger das gute Gefühl, dass Älterwerden nicht der größte Schrecken im Leben ist, das Inforadio arbeitet schnell und zuverlässig. Dieses Erfolgs-Potpourri ist auch der Radio-Intendantin Dagmar Reim zu danken. Sie hat auch Radio Multi-Kulti abgeschaltet, ohne dass es zum Sturm auf den Sender kam, auch weil es eine RBB-Beteiligung am Funkhaus Europa gibt.

Beim Fernsehen ist das Bild deutlich verwischter. Das RBB-Fernsehen ist der ins Unendliche gerichtete Versuch, Berliner und Brandenburger Zuschauerinteressen zu versöhnen. Tatsächlich vertragen sich Berliner Arroganz und Brandenburger Ignoranz nicht. Das RBB-Fernsehen ist nicht ohne Zufall dort am erfolgreichsten, wo es es spreizt, in die "Abendschau" für Berlin und in "Brandenburg aktuell". Fluch der Senderfusion: Das RBB-Fernsehen hat keine Identität, keine DNA, an jedem Abend streben die Macher an, diesen Missing Link zu übersenden. Der Zuschauer hat das bemerkt: Das RBB-Fernsehen erreicht im Vergleichsstab der übrigen ARD-Dritten nur die hinteren Ränge, es ist ein tapferer Kampf gegen die Schlussposition. Die Umstände sind es nicht allein, es ist diese Selbstgenügsamkeit, dieses Beharren im Ritual. Frag mal den berühmten Berliner Hipster nach dem RBB-Fernsehen: Der läuft schreiend in seinen Club!

Auch die Zulieferungen zum Ersten Deutschen Fernsehen sind nicht unbedingt verhaltensauffällig: "Tatort", "Polizeiruf 110", das Politmagazin "Kontraste", bisschen Scherz und Satire. Der RBB will vielleicht sein, was er nicht ist - ein Hauptstadtsender, der für Metropolenfernsehen einsteht. Der RBB sendet für Berlin, aber er strahlt nicht über Berlin hinaus. Die Musike spielt im Hauptstadtstudio, dort ist der RBB eben nur eine mittelkleine, mittelgroße ARD-Anstalt.

Hörfunk und Fernsehen des Rundfunks Berlin-Brandenburg sind die nicht die einzigen Medien, die die digitale Transformation bestehen müssen. Nur hat die öffentlich-rechtliche Anstalt eine Sorge nicht: das Geld. Durch das Jahrhundertgeschenk des Rundfunkbeitrages ist der RBB auf Jahre und Jahrzehnte salviert. Wer da noch immer klagt, der zeigt eines: Er weiß mit seinem Geld nicht das Richtige anzufangen.

Der RBB wird immer an seinen Programmleistungen gemessen. Dagmar Reim ist keine genuine Programm-Intendantin. Das aber braucht der Zweiländersender dringender denn je, jetzt, da sich erst das lineare Fernsehen ins nonlineare Medium diffundiert und der Hörfunk über kurz oder lang Internet-Radio wird. Bisher hat der RBB nicht zu erkennen gegeben, wie er in der multimedialen Welt eine Strahlemann sein will.

Zukunft, das ist ein Riesenwort, das ist eine Riesenaufgabe. Keine mehr für Dagmar Reim, aber eine für eine neue Dagmar Reim. Denn das braucht der öffentlich-rechtliche Sender: eine Persönlichkeit, die die Statur hat, den RBB neu zu erfinden. So wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg aus Sender Freies Berlin und Ostdeutschem Rundfunk Brandenburg erfunden wurde.

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