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 Live aus Berlin und in neuem Outfit: Die RBB-"Abendshow" mit Ingmar Stadelmann meldet sich zurück aus der Sommerpause.
© rbb/Thomas Ernst

Interview mit Ingmar Stadelmann: „Das Wort ,Mainstream‘ hat null Aussage“

Und wenn es wieder nicht klappen sollte? Ingmar Stadelmann über neue Diskurse und „Abendshows“, märkischen Humor, Marktanteile und Mieten.

Am Freitag kehrt die von Comedian Ingmar Stadelmann moderierte „Abendshow“ auf einem neuen Sendeplatz aus der Sommerpause zurück (RBB, 22 Uhr). Das Format hat nach schlechten Quoten einen Relaunch verpasst bekommen, gemäß dem Anspruch nach einem unterhaltsamen, erfolgreichen Hauptstadtmagazin.

Herr Stadelmann, erst einmal: Wie haben Sie als Comedian die bühnen- und auftrittslose Coronazeit überbrückt? Die „Abendshow“ hatte ja auch lange Sommerpause, seit Mai…

Ich hab’ meine Früh-Verrentung genossen und vom Balkon aus Leute zusammengeschissen, wenn sie Abstände nicht eingehalten haben. Das hat mir Freude bereitet und mir für meinen noch ausstehenden Alterungsprozess Hoffnung gemacht. Wir werden schließlich die Generation sein, die irgendwann sagt: „Es war nicht alles schlecht im Lockdown!“ und „Damals haben wir sechs Monate überlebt mit einer Rolle Klopapier“. Da freue ich mich drauf.

Nun kommen sie mit einem Abendshow-Relaunch ins RBB Fernsehen zurück, dürfen aber nur noch 30 statt 45 Minuten ran. Selbstbewusstsein haben Sie ja. Die Zeit kann Ihnen doch nicht reichen.
Ich denke mein Selbstbewusstsein reicht für 30 Minuten. Davon abgesehen hilft uns das inhaltlich schon sehr. Wir brauchen nicht zwei gute Gäste pro Sendung und können pointentechnisch viel mehr aussieben. Das macht uns stärker. Sie sehen: Ich glaube, was mir der RBB sagt (lacht).

„Kantiger, klarer, später“ soll es werden, sagt der RBB. Das kann man in Berlin doch auch schon um 20 Uhr 15 probieren.
Naja, sie haben um 20 Uhr 15 schon ein anderes Publikum als um 22 Uhr. Da reden wir ja jetzt nur von den Leuten, die uns linear schauen. Nicht gegen Topmodels oder Quizshows antreten zu müssen, kommt mir optisch wie intellektuell entgegen. Die Show, die ich machen will, ist keine 20-Uhr-15-Sendung. Jetzt hat sie einen Platz, der passt und der uns eine Sendung ermöglicht, die am Ende eben auch online und als Stream besser funktionieren wird.

Das sagen Sie. Es werden „besondere Perspektiven auf die Hauptstadt“ versprochen. Was soll es denn bei Chebli, Müller oder Hertha BSC geben, was nicht andernorts schon gesagt und geschrieben ist und nun die „Abendshow“ entdeckt?
Ist das ein Zitat aus der offiziellen RBB-Pressemitteilung? Da muss ich dann auch noch mal nachfragen. Jetzt, wo Sie das so sagen, macht mir das aber ganz schön Druck. Zum Glück haben wir ja schon herausgefunden, dass ich Selbstbewusstsein habe. Ich lass’ mir was einfallen bis Freitag, 22Uhr…

Stichwort klare Kante. Der Auftritt Ihres Kollegen Florian Schroeder bei einer sogenannten „Querdenker“-Demo gegen die Corona-Maßnahmen in Stuttgart hat hohe Wellen geschlagen. Sie sind Freund der klaren Worte. Würden sie sich in diesem Diskurs, in Abgrenzung zu „Verschwörungstheoretikern“, ähnlich wie Schroeder, auch da hinstellen und eher als „Mainstream“ definieren?
Florian Schröders Auftritt fand ich toll. Er hat das Wort „Mainstream“ aber eben satirisch gebraucht, weil er weiß, mit welchem Code es in dieser Verschwörungsblase belegt ist.

Und zwar?
Das Wort „Mainstream“ ist meiner Meinung nach im Diskurs eine Null-Aussage. Es ist zum Totschlagargument dieser „Querdenker“ geworden, um jeden, der eine rationale Sichtweise auf Dinge hat, zu diskreditieren. Nur weil jemand aus Prinzip das Gegenteil glaubt von dem, was offizielle Quellen oder eben der mutmaßliche „Mainstream“ sagen, ist er eben noch lange kein „Querdenker“ oder „erwachtes Schlafschaf“.

Aber der Begriff hat trotzdem Wucht.
Was ist denn dieser ominöse „Mainstream“? Wie viele Menschen müssen etwas sehen und glauben, damit es „Mainstream“ ist? Wer definiert das? Und was ist am Ende unabhängiger: eine Satire-Show im RBB vom Souverän, dem Volk, finanziert, egal, ob ihnen gefällt, wen oder was wir verarschen oder ein Youtuber mit Millionen Aufrufen, der für Klicks und Reichweite exakt liefern muss, was der Algorithmus will?

Diese „Abendshow“ ist die dritte Format-Reform seit 2017. Auffällig ist, dass das Format mit unter drei Prozent Marktanteil vor allem in Brandenburg durchfällt, auch mit dem Wechsel zu Ihnen als Moderator. Man bekommt das Gefühl, die Brandenburger mögen keine Satire.
Ich verrate ihnen jetzt was Exklusives: Ich habe meine 55qm Zwei-Zimmer-Wohnung in Berlin Mitte aufgegeben und mir mit der gesparten Miete ein Haus mit Seegrundstück Nähe Templin finanziert. Ich werde bald die brandenburgische Seele begriffen haben. Dann gehen die Quoten bestimmt auch dort durch die Decke. Vielleicht liegt's aber auch einfach am mangelnden Breitband-Internet-Ausbau, warum der gewünschten Zielgruppe Zugang zum Produkt verwehrt bleibt. Ich werde da eine RBB-Taskforce bilden. Im Notfall müssen wir die Sendung eben händisch ausliefern. Jeder hier hat dasselbe Recht auf sein Stück „Abendshow“. Ob analog, digital oder persönlich. Dafür steh ich mit meinem Namen.

Schon überlegt, was Sie machen, wenn es mit dem Re-Start nicht klappen sollte?
Ich denke, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ehrlich miteinander zu sein und zu sagen: Leute, es hat nicht sein sollen! Wir brauchen einen Re-Re-Start.

Sie haben ja noch die Bühne, Ihr Programm „Verschissmus“. Wegen Corona dürfen da nur 100, 200 Zuschauer rein…
Ich hatte ein bis zwei Testshows, um zu gucken, was möglich ist. Um für mich ein Gefühl zu entwickeln, wie es sich anfühlt, nach so langer Pause wieder aufzutreten und auch, um Theatern die Möglichkeit zu geben, wieder betrieben werden zu können. Eine Tour, wie ich sie normalerweise zweimal jährlich spiele, ist nicht möglich. Was sich da aktuell abspielt ist eine Katastrophe für Bühnenkünstler. Kulturelle Infrastruktur geht flöten in einer Form, die wir alle noch über Jahre spüren werden. Ich kann da nur auffordern: Kaufen Sie Tickets. Gehen Sie in Theater. Unterstützen Sie Veranstalter und Veranstaltung, die Sie mögen.

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