Kabarettist Florian Schroeder und die Anti-Corona-Demo: „Wollt ihr die totale Meinungsfreiheit?“
Wie der Kabarettist Florian Schroeder bei der Stuttgarter „Querdenken“-Kundgebung den Corona-Gegnern mit Hegels Dialektik den Wind aus den Segeln nimmt.
„Mein Name ist Schroeder und ich komme aus dem Mainstream“. So stellt sich der Kabarettist Florian Schroeder auf der Stuttgarter „Querdenken“-Kundgebung am Samstag dem Publikum vor. Anzug, Krawatte, Mikro, Applaus. „Man hat mir gesagt, hier in Stuttgart ist die Freiheit.“ Gejohle, Riesenapplaus.
Raffiniert? Ja, aber gleichzeitig spielt Schroeder mit offenen Karten.
Zunächst gibt der 40-jährige TV-Satiriker dem Affen Zucker: „Wenn in Berlin 1,3 Millionen waren, dann sind wir heute hier locker 130.000.“ (Die Polizei zählte in Stuttgart mehrere hundert Anti-Corona-Demonstranten, die Veranstalter sprechen von 5000.) Und schließt eine Zote vom Gesundheitsministerium-Staatssekretär im Puff an.
Aber dann zaubert er einen Überraschungsgast aus dem Hut, den württembergischen Philosophen Georg Friedrich Wilhelm Hegel, dessen 250. Geburtstag dieses Jahr gefeiert wird.
Im Stuttgarter Schlossgarten entfaltet Hegels Dialektik bald eine verblüffende Wirkung: Zunehmend vermischen sich Zustimmung, Gejohle und Buhrufe. Am Ende von Schröders Zwölfminuten-Auftritt herrscht Verwirrung, Irritation.
Synthese, Antithese, Prothese, Sie kennen das aus der Schule.“ Schroeder blödelt zunächst, aber er blufft nicht, sondern spielt auf der Tribüne Pingpong mit den Argumenten der Masken- und Maßnahmen-Gegner. „Sind unsere Medien gesteuert?“ Fortissimo-Ja. Nachdem er aufgezählt hat, womit Jens Spahn oder das Robert-Koch-Institut sich seit März blamiert haben, fügt er hinzu, er habe diese Infos aus der „Zeit“ und dem „Spiegel“– lauter Mainstream-Medien. Und fragt noch einmal: „Sind unsere Medien gesteuert?“ Das Ja fällt jetzt deutlich verhaltener aus.
Schroeder: Diktatur? Dann wären Sie jetzt nicht hier, und ich auch nicht
Nächste Frage. „Leben wir in einer Corona-Diktatur?“ Einhellige Zustimmung. „Wenn wir irgendeine Form von Diktatur hätten, dürftet ihr euch hier nicht versammeln und ich dürfte hier nicht sprechen.“ Oder die Pressefreiheit. „Wollt ihr die totale Meinungsfreiheit?“ Begeisterte Jas. „Sehr gut“, freut sich der Kabarettist.
Und macht gleich den Coronatest. „Ich bin der Auffassung, dass Corona eine hochgefährliche, ansteckende Krankheit ist, und ich bin der Überzeugung, dass Maskentragen und Abstand halten das Wichtigste und Beste ist, was wir in diesen Tagen tun können.“ Die wütende Ablehnung folgt auf den Fuß, ebenso Schröders Synthese: „Wenn ihr für Meinungsfreiheit seid, müsst ihr meine Meinung aushalten.“
Geht das, mit Rechten reden, wird seit Pegida und AfD gefragt? Man muss es nur können. Fragen stellen, nachfragen, gegenfragen, sich einlassen. Florian Schroeders Stuttgart-Auftritt könnte zum Lehrstück für die ja oft scheiternde Kommunikation mit Menschen werden, die weniger am Austausch von Argumenten interessiert sind als an der Bestätigung ihrer eigenen Meinung (was ja keineswegs nur auf Aluhüte zutrifft).
Schroeder geht frank und frei zu Werke, er übt keine Kritik, nimmt die Demonstranten ernst mit ihrer Forderung nach dem Ende der Schutzmaßnahmen. Aber er benennt die Konsequenzen. 2020 sei bestimmt nicht das neue 1933, aber vielleicht das neue 1929. „Wer wird die Wirtschaftskrise auslösen? Diejenigen, die sagen, wir brauchen keine Maske tragen, weil es Maulkörbe sind; und das Virus ist eine Erfindung oder stammt aus einem Labor in Wuhan.“ Mit der Folge, dass sich die Masken-Freiheitskämpfer die Ketten selber an, die sie nicht haben wollen.
"Großartiger Auftritt!", twittert Deniz Yücel über Florian Schroeder
Schroeders Auftritt bei „Querdenken 711“ wird im Netz viel diskutiert( ähnlich wie mit umgekehrtem Vorzeichen der krude Auftritt des ehemaligen Nationalspielers Thomas Berthold bei der gleichen Veranstaltung). „Großartiger Auftritt!“, schreibt etwa Deniz Yücel. „Aber man muss auch festhalten: Die Veranstalter haben Florian Schroeder ausreden lassen“. Doppelte Dialektik.
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Mit seiner im Fernsehen auch mal beißenden Seriosität ähnelt Schroeder mitunter Jan Böhmermann. Der hatte mit seinem Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Erdogan 2016 ebenfalls ein dialektisches Duell für die Meinungsfreiheit ausgefochten. Satire auf Metaebene: Manche fanden, er sei übers Ziel hinausgeschossen. Satire auf Augenhöhe: Schröders Dialektik bleibt bodenständig.
Als das Strafverfahren gegen Böhmermann wegen „Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts“ eingestellt wurde, freute sich Schroeder. Er fand es gut, dass „Satire ernst gemeint ist und ernst genommen wird, dass sie Teil des Diskurses ist“. Während Böhmermann etwa mit Blick auf Österreich noch letztes Jahr betonte: „Mit Rechten wird nicht geredet. Aus!“, hat Florian Schroeder am Samstag gezeigt, wie Satire zum Diskurs beitragen kann.
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