zum Hauptinhalt
Sonnenuntergang auf der Terrasse mit Blick auf den winterlichen See.
© Promo

Erholung im Umland: Lausitz: Entspannung statt Tagebau

Früher qualmten in der Region die Bagger aus dem Tagebau. Doch längst haben Banja und Bademantel den Dreck und die harte Arbeit abgelöst.

Von Torsten Hampel

Hundert Schritte von dort, wo das Wasser dampft, der Mensch und die Luft und abends das Essen, steht ein Ortsausgangsschild. Es informiert darüber, dass die Stadt Senftenberg hier zu Ende und der nächste größere Ort 24 Kilometer weit weg ist und Hoyerswerda heißt. Wer will, kann dampfend zu diesem Schild herüberschlurfen, in Badeschlappen und Bademantel, immer noch dampfend zurückkehren und darüber staunen, wo man hier gerade ist und was man hier eigentlich tut, und dass es so ganz anders ist, als man dem Vorurteil nach in der Lausitz erwartet hätte.

Weil man hergekommen ist, um sich am Senftenberger See ganzkörpermassieren zu lassen. Um sich den Sonnenaufgang über diesem 50 Jahre alten Gewässer anzuschauen, das von Eingeweihten immer noch „Restloch Niemtsch“ genannt wird und vor dieser Namensgebung ein Braunkohletagebau gewesen ist. Ein Energielieferant im Süden Brandenburgs, mit Dreck assoziiert und harter Arbeit und Niedergang, an dessen Ufer man nun ein „Heubad im Kraxenofen“ nimmt, ein „Kräuteröl-Duftbad“, ein „Brotbad“ oder ein „Schwitzbadritual mit Birkenreisig“.

Man ist hier im Lausitzer Seenland - inmitten noch etlicher anderer Restlöcher, die übrigbleiben, wenn der Tagebau schon weg ist, die mittlerweile ebenfalls geflutet wurden oder diese Prozedur noch durchlaufen und bald schon Europas größte künstliche Wasserlandschaft sein werden. Die Leute kommen hierher zum Yoga oder zum Ayurveda, fürs Hammam, die riesige finnische Sauna und das Dampfbad und die Banja. Sie kommen, um zu schwimmen, sich aufzuheizen und wieder abzukühlen.

Wobei, die Banja ist neulich abgebrannt.

Der Senftenberger See ist ein Überbleibsel aus dem Tagbau in der Lausitz. Heute befindet sich hier ein Erholungsgebiet.
Der Senftenberger See ist ein Überbleibsel aus dem Tagbau in der Lausitz. Heute befindet sich hier ein Erholungsgebiet.
© picture alliance / Andreas Frank

Maik Zander sieht es gelassen. Ein technischer Defekt sei das gewesen, niemand kam zu Schaden. Zander ist Jahrgang 1964 - sein Vater war Abteilungsleiter in der Eisenhütte, die Mutter Telefonistin im Gummiwerk -, er ist der Chef hier im „Wellnesshotel Seeschlösschen“. Überhaupt macht er wenig Aufhebens von den Dingen, die ihm so zugestoßen sind und von denen, die sich daraus entwickelt haben.

1991 lehrte er an der Senftenberger Ingenieurhochschule und leitete ein Labor, seine Frau war Kindergärtnerin, sie wurde arbeitslos. „Da hab' ich gesagt, sei nicht traurig, ich bau dir ein Café.“

Ein Café im Nachbardorf mit Speiseeisproduktion im Keller und ein paar Pensionszimmern obendrüber, dem 1995 ein Restaurant am Seeufer folgte und schließlich das Seeschlösschen, das zunächst Lausitz-Therme hieß. 1998 war Baubeginn. „Kamikaze war das“, sagt Zander. Doch vielleicht zu seinem eigenen Erstaunen gelang ihm alles, er sagt den dankbar klingenden Satz: „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt eine Veranlassung, meine Heimat zu verlassen.“

Es hat ein bisschen geschneit draußen, Zander sitzt mittags in der Hotelbar im ersten Stock, schaut durch das große Fenster auf den See. Unten im Erdgeschoss ziehen seine Gäste ihre Bahnen im Schwimmbad, am Kamin vorbei. Lümmeln auf riesigen, frotteebezogenen Liegen. Laufen im Bademantel durch den Garten, tief durchatmend um einen Teich herum, von Blockhütte zu Blockhütte, von Sauna zu Sauna, ächzen im kalten Außenpool, nehmen Fußbäder, reiben sich ab mit zerstoßenem Eis. Lassen sich mit Ölen begießen und mit Heilerde einschmieren, inhalieren Kräuteraufgüsse.

Schwitzen, duschen, dann gut essen

Das Hotel Seeschlösschen von außen.
Das Hotel Seeschlösschen von außen.
© Promo

„Sie sind noch gar nicht da“, mahnt einen die Physiotherapeutin, als man sich gerade zur Ayurveda-Massage hingelegt hat. „Ich warte noch einen Moment, kommen Sie erstmal an.“

„Sie sind ja immer noch da“, sagt die Physiotherapeutin, als sie eine Stunde nach dem Ende der Massage wieder ins Zimmer kommt und ihren Patienten auf der Pritsche liegend wiederfindet. Eingeschlafen.

Zeit spielt keine Rolle hier, sie vergeht, sie ist einfach da, und das offenkundig in großen Mengen. Man kann Tage in diesem Hotel verbringen, ohne einen der Gäste schneller als schlendernd durch das Haus laufen zu sehen. Menschen, die sich Mobiltelefone ans Ohr halten, gibt es hier nicht.

Das setzt sich draußen fort. Der Aufenthalt im Hotel raubt den Gästen jeden - sowieso nicht zu befriedigenden - Ehrgeiz, möglichst alle Attraktionen im Seenland, die vielen neuen Ufer, Promenaden und Landschaften zu besichtigen. Sie gehen stattdessen spazieren vorm Haus, über den hauchdünnen Schnee.

Am Rand des Stadtzentrums steht ein Schloss mit Museum und das Theater „Neue Bühne Senftenberg“, ringsherum viel Wasser. Es gibt die „Indoorskihalle Snowtropolis“ mit einer 130 Meter langen Abfahrtspiste, die denkmalgeschützte Gartenstadtsiedlung Marga und Zanders Seeschlösschen mit seinen schmiedeeisernen Fenstern und Ecktürmchen, mit Naturstein außen, altem Holz, Brokat und schweren Ledersesseln innen und einer Orgie aus Farben: mit rotem, violettem, petrolfarbenem Samt bezogene Stühle, manche stehen auf Goldfüßen. Abends werden sich die Räume füllen, mit Menschen, die rosige, entspannte, nach all dem Baden, Duschen und Schwitzen festlich wirkende Gesichter haben und leise miteinander sprechen. Sie sind auf dem Weg ins Restaurant oder kommen von dort, haben ein Vier-Gänge-Menü gegessen oder etwas von der Karte, die nach ayurvedischen Regeln zubereitete Gerichte versammelt.

Störungen, so scheint es, kommen hier nicht vor

Was das eigentlich sein soll? „Essen ist Medizin“, sagt Zander. Wobei es beim Ayurveda, so wie er es versteht, nicht darum gehe, Krankheiten zu heilen, sondern erst gar keine zu bekommen. Eine Weltanschauung sei das, sagt Zander, mit dem Ziel, „Störungen aufzuheben“.

Er sei lange auf der Suche gewesen nach einem Alleinstellungsmerkmal in der Region. „Und wir hatten schon eine Weile ein paar ayurvedische Anwendungen, die liefen gut.“ Herumgefahren sei er dann, hat auf Ayurveda spezialisierte Wellnesshotels in Europa besucht. „Das ist es, dachte ich dann.“

Seine Gäste, sagt er, kämen vor allem aus Sachsen und Brandenburg, aus Berlin, auf dem Hotelparkplatz stehen Autos mit nordfriesischen und Potsdamer und Münchner Kennzeichen, „die Tschechen entdecken auch langsam unseren See“. Und viele, die einmal bei ihm zu Gast gewesen seien, kämen wieder.

Störungen aufheben, hat Zander gesagt. Vielleicht ist das auch die bestmögliche Beschreibung für sein Haus. Störungen, so scheint es, kommen hier nicht vor.

Reisetipps für die Lausitz

Entspannen am Beckenrand des Pools.
Entspannen am Beckenrand des Pools.
© Promo

Hinkommen

Von Berlin fahren Regionalbahnen in etwa eineinhalb Stunden bis Senftenberg. Tickets ab 18 Euro. Mit dem Auto über die A13 Richtung Dresden, Abfahrt Freienhufen.

Unterkommen

Die günstigsten Doppelzimmer im Hotel Seeschlösschen kosten pro Nacht 140 Euro inklusive einem Vier-Gänge-Menü:

ayurveda-seeschloesschen.de.

Zur Startseite