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Ayurvedische Öle
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Naturheilkunde: „Wir müssen Dinge neu denken“

Wir sollten Naturheilkunde stärker nutzen - vor allem bei chronischen Krankheiten, wo die Schulmedizin nur verwaltet, nicht heilt. Das meint Charité-Professor Andreas Michalsen. Ein Gespräch.

Herr Michalsen, Sie sind eigentlich Internist. Wie kamen Sie zur Naturheilkunde?

Ich war lange in der Notfall- und Intensivmedizin tätig. Da kommt man irgendwann an den Punkt, wo man sich fragt: Dieser Patient kommt zum fünften Mal zum Herzkatheter – kann man dem nicht ursächlich helfen? Mich begeistern die technischen Möglichkeiten moderner Medizin, aber damals hat sich mein Eindruck verdichtet, dass sie meist nicht heilt, sondern verwaltet. Ich wollte die Patienten nicht mehr mit acht oder zehn Tabletten nach Hause schicken, während ihre Krankheit – egal, ob Arthrose oder Diabetes – keineswegs geheilt war. Ich entwickelte fast eine Art sportlichen Ehrgeiz: Es musste andere Wege geben. So kam ich zur Naturheilkunde.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, bei dem Sie merkten: Naturheilkunde funktioniert?

In dieser Form nicht. Mein Vater war Arzt und spezialisiert in Naturheilkunde. Er kam mittags nach Hause und erzählte beim Essen von seinen Patienten: Wen er wie therapiert, wem es geholfen hat. Ich fand das furchtbar langweilig, aber hörte ständig, dass Methoden wie Fasten oder Bäder nach Kneipp wirken.

Wie haben Sie das später verifiziert?

Durch seriöse Studien. Meine Arbeit ist seit jeher wissenschaftlich getrieben, ich sehe es als meine Aufgabe, durch Forschung dazu beizutragen, dass naturheilkundliche Methoden überprüft und die wirksamen dann bekannter werden und mehr Menschen helfen können.

Was haben Sie in den Studien untersucht?

Es gibt in der Naturheilkunde zwei Bereiche. Den einen kennen fast alle: klassische Methoden wie Yoga, Meditation, Fasten, Ernährung, Bewegung. Da kommt sehr viel Forschung aus den USA. Mich haben zunächst aber die historischen Methoden interessiert. Ich las immer schon gern Bücher zur Medizingeschichte und glaube nicht, dass Ärzte früher kollektiv doof waren und ausschließlich blindlings herumgedoktert haben, obwohl es natürlich auch davon viele gab. Spannend wird es, wenn man sieht, dass Kulturen, die überhaupt nicht miteinander im Austausch standen, ähnliche Methoden anwandten. Heilkräuter des Ayurveda oder der chinesischen Medizin sind in Asien, aber gleichzeitig auch in Amazonien oder Afrika verbreitet. Ich wollte traditionelle Heilverfahren selbst erforschen und habe dazu Studien entwickelt.

Eine der ersten Studien war zu Blutegeln.

Mit tollen Ergebnissen. Die schiere Größe des Effekts hat uns ziemlich beeindruckt.

Dann haben Sie das Schröpfen untersucht und schließlich sogar den Aderlass, eine höchst umstrittene Methode.

Da war ich auch am skeptischsten. Aber da ich mich bereits an Blutegel und Schröpfen gewagt hatte, beides auch Methoden, die auf den ersten Blick eher brachial wirken, wollte ich es auch beim Aderlass wissen. Ergebnis: Der Aderlass senkt den Blutdruck bei Patienten sehr wirksam, sogar deutlicher als entsprechende moderne Medikamente. Dieses Ergebnis hat mich am meisten in meiner wissenschaftlichen Arbeit überrascht.

Welche noch?

Meine erste Yogastudie. Dass Yoga Stress und Wohlbefinden positiv beeinflusst, damit hatten wir gerechnet. Aber dann sahen wir in der Detailanalyse, dass sich auch Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Depression und Lebensqualität verbesserten. Was war das denn? Gleich so viele positive Effekte auf einmal. Das war schön zu sehen und machte mir deutlich, dass Naturheilkunde oftmals gleichzeitig auf mehreren Ebenen Heilung anstoßen kann.

Die Wartelisten sind lang

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Machen Sie Yoga?

Ja klar, solche Studienergebnisse lassen einen nicht unbeeinflusst. Inzwischen ernähre ich mich vegetarisch, faste regelmäßig, mache Yoga, achte auf viel Bewegung. Ich versuche, das umzusetzen, was ich meinen Patienten rate.

Und die zeigen Interesse an Ayurveda, Fasten, Blutegeln, Schröpfen und Aderlass?

In der Tat. Wir haben hier in Berlin am Immanuel Krankenhaus in Kooperation mit der Charité inzwischen 60 stationäre und 30 teilstationäre Betten sowie zwei Ambulanzen. Die Nachfrage ist unglaublich groß, die Wartelisten lang. Das hat mich auch dazu bewogen, das Buch zu schreiben. Ich will denen gerecht werden, die sich sowieso schon für Naturheilkunde interessieren, und den anderen zeigen, dass sich viele Erkrankungen wie Rheuma, Depression, Bluthochdruck, Diabetes oder Rückenschmerzen oder Arthrose zu einem beträchtlichen Anteil mit Naturheilkunde bessern und oftmals mit ein bisschen Eigeneinsatz sogar heilen lassen. Unser Körper verfügt über phänomenale Selbstheilungskräfte, das haben unsere Großeltern noch gewusst. Aber wir rennen bei jedem Problem sofort zum Arzt.

Der in vielen Fällen ja auch ziemlich nützlich ist: Stichwort Autounfall oder Herzinfarkt.

Absolut, wir haben eine extrem leistungsfähige Akutmedizin, die ist wichtig. Aber genau diese ist wenig effizient, wenn es um chronische Erkrankungen geht. Schauen Sie sich an, wie wir uns mit Medikamenten auch schaden: Cortison erhöht Gewicht, verursacht Diabetes und Bluthochdruck, Schmerzmittel belasten den Magen, verursachen Nierenschäden, Insulin macht dick. Ich will zeigen, dass es für die so häufigen chronischen Erkrankungen auch andere Wege gibt.

Was sagen die Schulmediziner dazu?

Die Zeiten, in denen man beschimpft wurde, wenn man sich der Naturheilkunde zugetan zeigte, sind vorbei. Die Kollegen sehen ja selbst, dass es bei den chronischen Krankheiten so nicht weitergeht. Die Bereitschaft, Dinge neu zu denken, wächst. Wir hatten ja auch eine Zeit, in der man glaubte, dass man jeden Infekt mit Antibiotika behandeln sollte. Heute setzen sich viele Ärzte für einen klugen, bewussten Gebrauch ein. Auch Magensäurehemmer werden nicht mehr bedenkenlos verschrieben. Das erhöhte Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose oder Demenz ist mehr Ärzten bewusst. Ich habe das Gefühl, dass gerade etwas im Umbruch ist. Uns nutzt die beste technische Medizin nichts, wenn wir so weitermachen. Zehn Prozent der Deutschen haben Diabetes, 40 Prozent Bluthochdruck, 50 Prozent Rückenprobleme. In zehn oder zwanzig Jahren sind wird ein Volk kranker Invaliden, wenn sich nichts ändert. Wer soll das bezahlen? Chronischen Krankheiten verursachen 80 Prozent aller Kosten im Gesundheitssystem.

Und die Naturheilkunde kann helfen?

Ja, aber die Frage ist nicht, ob Naturheilkunde hilft, sondern wie sie stärker genutzt werden kann. Sie hat viele Pfeile im Köcher.

Aber es ist ja durchaus riskant, von einer jahrelangen schulmedizinischen Betreuung zur Naturheilkunde zu wechseln.

Wir betreiben eine integrative Medizin, keine alternative Medizin. Keiner soll von jetzt auf gleich seine Medikamente absetzen. Die nimmt man einfach weiter, wir arbeiten dann ergänzend mit unseren Methoden und schauen Stück für Stück, wie die Naturheilkunde helfen kann.

Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?

Sie können sich beim Yoga das Knie verletzen oder beim Fasten einen Kreislaufkollaps bekommen, wenn Sie sich Blutegel ansetzen lassen, kann die Wunde nachbluten oder sich entzünden. Naturheilkunde ist nicht nebenwirkungsfrei, aber wenn man das wissenschaftlich vergleichbar aufaddiert, ist sie deutlich nebenwirkungsärmer als die Schulmedizin. Die aber segensreich ist und natürlich immer ihre Berechtigung hat, das möchte ich noch einmal betonen. Es muss uns einfach gelingen, das Beste aus beiden Disziplinen zu kombinieren.

Dafür müssten aber auch die Patienten mitmachen. Es ist eben bequemer, jeden Tag eine Tablette gegen Bluthochdruck zu schlucken statt sich mit täglich Bewegung zu kasteien und womöglich noch beim Essen Abstriche machen müssen.

Ja, das höre ich oft. Der Klassiker ist der Vorwurf, ich sei ein Spielverderber. Wenn ich sage: „Machen Sie Yoga, verzichten Sie möglichst auf Fleisch, meditieren Sie“ – dann heißt es, das mache keinen Spaß, wo bleibt der Genuss? Aber das Gegenteil ist der Fall, diese Maßnahmen führen zu mehr Lebensqualität und damit Genuss. Man schläft besser, fällt nicht mehr ins Koma nach fettem Mittagstisch, das Wohlbefinden steigt. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier, Veränderungen brauchen ihre Zeit. Und manchmal muss man sich ein bisschen zu seinem Glück zwingen und Neues nicht ablehnen, sondern einfach ausprobieren.

Andreas Michalsen: Mit der Kraft der Natur. Meine Erfahrung aus Praxis und Forschung, Insel Verlag, Berlin 2017, 303 Seiten, 19,95 €. Andreas Michalsen ist Chefarzt der Abteilung für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus und Professor für Naturheilkunde an der Charité. Das Gespräch führte Claudia Füßler.

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