Studie zum Alkoholkonsum in Deutschland: Jugendliche trinken weniger, junge Erwachsene umso mehr
Bei Jugendlichen kommt Alkohol aus der Mode. Für junge Erwachsene gilt das Gegenteil, sie betrinken sich wieder häufiger. Vor allem Frauen.
Das Tabak-Rauchen ist unter Jugendlichen schon seit längerem out. Nun scheint bei den Heranwachsenden auch die zweite große Volksdroge aus der Mode zu kommen: Nur noch 8,7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen hierzulande trinken regelmäßig – also mindestens einmal wöchentlich – Alkohol. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für 2018. Und es ist der niedrigste Wert überhaupt seit dem Beginn solcher Erhebungen vor 45 Jahren. 2004 lag er noch bei 21,2 Prozent.
38 Prozent der Jugendlichen haben Alkohol noch nie probiert
Parallel dazu befindet sich die Zahl der Jugendlichen, die noch nie Alkohol getrunken haben, auf historischem Höchststand. 38,1 Prozent der Befragten gaben an, bisher ihre Finger konsequent von Bier, Wein oder Spirituosen gelassen zu haben. 2004 machten die Abstinenzler dieser Altersgruppe nur 20,1 Prozent aus. Das Alter, in dem junge Menschen in Deutschland erstmals zu alkoholischen Getränken greifen, erhöhte sich seither im Schnitt von 14, 1 auf 15 Jahre.
Das alles sei sehr erfreulich, sagte die Drogenbeauftragte der Regierung, Marlene Mortler, am Mittwoch bei der Präsentation der Studie, „bitte weiter so“. Doch die CSU-Politikerin hatte auch Unerfreuliches zu berichten: Unter den 18- bis 25-Jährigen stieg die Quote der regelmäßigen Trinker merklich an – von 30,7 auf 33,4 Prozent binnen zwei Jahren. Und beim sogenannten Rauschtrinken ist die Entwicklung ebenso bedenklich: Im Monat vor der Befragung haben sich nach eigenen Angaben 37,8 Prozent der jungen Erwachsenen mit mehr als fünf Gläsern Alkohol schwer betrunken. Ein Anstieg um satte fünf Prozentpunkte gegenüber 2016 und der höchste Wert seit sechs Jahren.
Der Anteil junger Trinkerinnen wächst
Am stärksten zugelegt haben beim Rauschtrinken junge Frauen. Ob Junggesellinnen-Abschied oder Frustsaufen: Die Quote derer, die sich im vorausgegangenen Monat mindestens einmal bis zum Umfallen zugekippt haben, stieg binnen zwei Jahren von 22,6 auf 28,4 Prozent. Und der Anteil junger Trinkerinnen mit riskanten Alkoholmengen kletterte von 11 auf 14, 9 Prozent. Eine stimmige Erklärung für diese Entwicklung haben die Experten nicht – außer dem Hinweis, dass sich das Saufverhalten der Geschlechter eben zunehmend angleiche.
Erwachsensein bedeute nicht, dass es plötzlich in Ordnung ist, zu viel Alkohol zu trinken“, mahnte Mortler. Ziel müsse es sein, „lebenslang einen bewussten Umgang“ mit der Droge zu erreichen. Schon mit 0,5 Promille im Blut sei das Unfallrisiko im Verkehr doppelt so hoch. Wer viel trinke, riskiere nicht selten seine Partnerschaft. Und attraktiv auf andere wirke es auch nicht gerade, bei Parties „besinnungslos in der Ecke zu liegen“.
Konsum weltweit um 70 Prozent gestiegen
BZgA-Leiterin Heidrun Thaiss warnte auch vor gesundheitlichen Risiken. Alkohol sei ein Zellgift, das bei Jugendlichen, im Wachstum besonders verheerend wirke. Der Statistik zufolge sterben hierzulande mehr als 20.000 Menschen pro Jahr an den direkten Folgen ihres Alkoholkonsums. Und rund 200 Krankheiten werden auf diese Weise mitverursacht. Das Risiko von Krebs und Herzerkrankungen etwa erhöht sich dadurch erheblich.
Auch weltweit wir immer mehr getrunken, wie eine aktuelle Studie belegt. Eine Auswertung von Daten aus 189 Ländern habe ergeben, dass der Alkoholkonsum der Weltbevölkerung von 1990 bis 2017 um 70 Prozent gestiegen sei, berichtete das Fachblatt „The Lancet“. Die Ursache sei neben Bevölkerungszuwachs auch ein stärkerer Pro-Kopf-Konsum. Dabei gibt es große regionale Unterschiede. Während in China, Indien und Vietnam teilweise mehr als doppelt so viel getrunken wird wie noch vor knapp 30 Jahren, halten sich die Osteuropäer inzwischen stärker zurück. Allerdings befindet sich der Verbrauch dort auf weit höherem Niveau. Der höchste Anstieg seit 2010 wurde mit 34 Prozent im wirtschaftlich aufstrebenden Südostasien beobachtet.
Drogenbeauftragte appelliert an die Kommunen
Weltweit erhöhte sich der Verbrauch pro Person und Jahr von 5,9 auf 6,5 Liter reinen Alkohol. Deutschland liegt bei etwas mehr als 13 Litern. Und 1,77 Millionen Menschen hierzulande gelten als alkoholabhängig.
[Eine Vielzahl an Beratungsstellen in der Stadt steht Abhängigen zur Seite, wenn sie Hilfe suchen. Dazu kann ein Telefonanruf der erste Schritt sein. Der Drogennotdienst Berlin ist unter der Nummer 030/19 237 rund um die Uhr erreichbar, ebenso die bundesweite Sucht- und Drogen-Hotline mit der Nummer 01805/31 30 31.
Die Fachstelle für Suchtprävention hat in jedem Berliner Bezirk eine Beratungsstelle. Die Geschäftsstelle liegt an der Chausseestraße 128/129 in Mitte und ist unter 030/29 35 26 15 erreichbar.
Die Alkohol- und Medikamentenberatungsstelle des Diakonischen Werks liegt am Segnitzdamm 46 in Kreuzberg, die Telefonnummer ist 030/614 30 56.
Die Caritas bietet Suchtberatung an der Großen Hamburger Straße 18 mit der Nummer 030/66 63 34 00 sowie an der Königsberger Straße 11 mit der Nummer 030/666 33 90 an.
Die Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle für Abhängige von Alkohol, Medikamenten und anderen Suchtmitteln führt unter anderem Beratungs- und Behandlungsstellen an der Goebenstraße 8 in Schöneberg. Die Nummer ist 030/216 50 08 sowie an der Holsteinischen Straße 38 I in Wilmersdorf: 030/23 62 13 33.
Die Anonymen Alkoholiker treffen sich jeden Abend am Wernerwerkdamm 36 in Siemensstadt und sind telefonisch unter 030/192 95 erreichbar.]
Angesichts solcher Zahlen sei es dringend nötig, mit Aufklärung und Prävention „am Ball zu bleiben“, so die Drogenbeauftragte. „Wir müssen etwas gegen die Selbstverständlichkeit tun, mit der in Deutschland getrunken und zu viel getrunken wird.“ Mortler appellierte vor allem an die Kommunen. Diese könnten Alkoholverkaufszeiten begrenzen, den Jugendschutz beim Alkoholverkauf besser kontrollieren, dafür sorgen, „dass Volksfeste nicht zu Massenbesäufnissen werden“ – und ihre Suchthilfe besser ausstatten. Zudem seien die Unternehmen für ihre Beschäftigten in der Pflicht. Suchtprävention dürfe in den Betrieben „nicht nur die Kür sein“.
Und der Bund? 2018 habe man die Präventionsmittel um eine Million Euro aufgestockt, berichtete Mortler. „Das kann nur ein Anfang sein.“ Die Idee, ordentlich an der Preisschraube für Alkoholika zu drehen, haben Politiker bereits im vergangenen Jahr verworfen
Von einem Werbeverbot keine Rede
Bliebe ein Werbeverbot für Alkohol, von dem die Drogenbeauftragte ebenfalls nichts wissen will. Zunächst, so sagte sie, gehe es darum, endlich das längst beschlossene Tabakwerbeverbot durchzubekommen. Sie hoffe, dass dies vor der Sommerpause gelinge. Alkoholwerbung zu verbieten, wäre aus Mortlers Sicht wegen des Widerstands der Wirtschaft „ungleich schwieriger“. Was aber, wie sie sagte, die öffentlich-rechtlichen Sender nicht daran hindern sollte, mit freiwilligem Verzicht voranzugehen.