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Ein halber Liter Bier enthält etwa 20 Gramm reinen Alkohol.
© Foto: Roland Weihrauch/dpa

Eine Dose Bier pro Tag: Weltweit wird immer mehr Alkohol getrunken

Ein Forscherteam unter deutscher Leitung hat Daten zum globalen Konsum ausgewertet. Europäer trinken am meisten – doch andere holen rasant auf.

Wie schädlich Alkohol für die Gesundheit sein kann, ist bereits seit Jahren bekannt. Und dennoch wird weltweit immer mehr getrunken, so das Ergebnis einer internationalen Studie im Fachblatt „The Lancet“. Eine Auswertung von Daten aus 189 Ländern ergab, dass der Gesamt-Alkoholkonsum der Weltbevölkerung von 1990 bis 2017 um 70 Prozent gestiegen ist. Ursachen waren der Bevölkerungszuwachs und der stärkere Konsum pro Kopf.

Allerdings gab es große regionale Unterschiede. Während der Konsum beispielsweise in China, Indien und Vietnam stark wuchs, ist er in osteuropäischen Ländern von einem hohen Ausgangsniveau deutlich gesunken. In Deutschland beobachteten die Wissenschaftler eine Stagnation mit leicht sinkendem Trend.

2017 tranken die Moldawier am meisten

Für die Untersuchung analysierte das Forscherteam um den Psychologen Jakob Manthey von der TU Dresden Daten zum Alkoholkonsum von Menschen im Alter von 15 bis 99 Jahren aus 189 Ländern für die Jahre 1990, 2010 und 2017. Aus diesen Daten prognostizierten sie auch die Entwicklung des Alkoholkonsums für das Jahr 2030.

Die Wissenschaftler stellten fest, dass 2017 in nordafrikanischen Ländern sowie Ländern des Nahen Ostens am wenigsten getrunken wurde, während es in Zentral- und Osteuropa am meisten war. Der höchste Anstieg seit 2010 aber wurde mit 34 Prozent im wirtschaftlich aufstrebenden Südostasien beobachtet.

Im Detail hatte das osteuropäische Moldawien 2017 den höchsten Konsum (15 Liter reiner Alkohol pro Kopf) und das überwiegend muslimische Kuwait den geringsten (weniger als 0,005 Liter). Die unterschiedlichen Zahlen und Entwicklungen führen die Wissenschaftler auf Faktoren wie Religion, Gesundheitspolitik und Wirtschaftswachstum zurück. Vor allem das ökonomische Wachstum scheint sich hierbei auszuwirken, wie die Beispiele China und Indien zeigen, wo sich der Alkoholkonsum zwischen 1990 und 2017 jeweils etwa verdoppelt hat.

Eine Dose Bier pro Tag

Weltweit trank jeder Mensch im Jahr 1990 im Schnitt umgerechnet 5,9 Liter reinen Alkohol. Bis 2017 stieg dieser Konsum auf 6,5 Liter. Zur Einordnung: 6,5 Liter Alkohol pro Jahr entsprechen etwa 14 Gramm puren Alkohols pro Tag. Ein halber Liter Bier enthält etwa 20 Gramm reinen Alkohol. Die Menge wäre also in etwa gleichzusetzen mit einer 330-Milliliter-Dose Bier pro Tag.

In Deutschland wie in anderen Ländern mit hohem Einkommen stagnierten oder sanken die Zahlen laut der Studie indes: So wurden 1990 hierzulande noch 16,32 Liter reinen Alkohols getrunken, 2010 waren es 12,95 Liter. 2017 folgte eine leichte Steigerung auf 13,05 Liter. Für 2030 prognostizieren die Wissenschaftler jedoch einen Konsum von 11,63 Litern.

„Unsere Studie bietet einen umfassenden Überblick über die sich verändernde Landschaft des weltweiten Alkoholkonsums“, sagt Jakob Manthey. „Vor 1990 wurde der meiste Alkohol in Ländern mit hohem Einkommen konsumiert, mit den höchsten Leveln in Europa.“ Dieses Muster habe sich jedoch deutlich verändert. Vor allem Staaten mit mittleren Einkommen wie China, Indien und Vietnam holten rasant auf. Dieser Trend werde sich voraussichtlich bis 2030 fortsetzen, so dass Europa dann nicht mehr den höchsten Alkoholkonsum haben werde, so Manthey.

Eine weitere Beobachtung der Wissenschaftler: Die Zahl der lebenslangen Abstinenzler blieb global ungefähr stabil (1990: 46 Prozent, 2017: 43 Prozent), ebenso wie die der starken Trinker (1990: 18,5 Prozent, 2017: 20 Prozent). Die Forscher schätzen, dass sich diese Zahlen kaum verändern werden, allerdings werde die Menge des konsumierten Alkohols stärker als die Zahl der Trinker wachsen – mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen.

Prognosen mit Vorsicht betrachten

In einem Kommentar zu der Studie, der ebenfalls in „The Lancet“ veröffentlicht wurde, warnen die Suchtmediziner Sarah Callinan von der australischen La Trobe Universität und Michael Livingston vom Karolinska Institut in Stockholm hingegen, die Vorhersagen der Studie mit Vorsicht zu betrachten. So seien exakte Prognosen zu Alkoholkonsum und Wirtschaftswachstum immer sehr schwer zu treffen.

Nichtsdestotrotz sollten gerade Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ihre Suchtmittelpolitik anpassen, da eben hier damit zu rechnen sei, dass die Menschen künftig mehr trinken. Beispiele aus Ländern mit hohem Einkommen hätten gezeigt, dass etwa höhere Preise oder eine Einschränkung der Verfügbarkeit effektiv sein könnten, schreiben Callinan und Livingston. Gleichzeitig seien Werbeverbote oder Restriktionen sinnvolle Maßnahmen – auch gegen den Widerstand der Industrie.

WHO: Jeder 20. Tod aufgrund von Alkohol

Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO ging im Jahr 2016 jeder 20. Todesfall weltweit auf Alkoholkonsum zurück. Dabei stellen Verkehrsunfälle, Herz- und Kreislauferkrankungen sowie Krebs nur einen Teil der Todesursachen, die direkt oder indirekt mit Alkohol in Verbindung gebracht werden. Entsprechend sollte der missbräuchliche Alkoholkonsum von 2018 bis 2025 global um zehn Prozent gesenkt werden – ein Ziel, das den Studienautoren zufolge vermutlich verfehlt wird. „Stattdessen wird Alkohol einer der Hauptrisikofaktoren für vorhersehbare Krankheiten bleiben und seine Auswirkungen werden sich wahrscheinlich relativ zu anderen Risikofaktoren erhöhen“, prognostiziert Manthey. (fsch /dpa)

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