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Unterschätzte Volksdroge. Alkohol birgt jede Menge Risiken.
© Alexander Heinl/dpa

Aktionswoche Alkohol: Gefährlich voll

Alkohol am Steuer ist in Deutschland eine der Hauptursachen für Verkehrsunfälle. Suchtexperten warnen vor den Gefahren der unterschätzten Volksdroge.

Der Blick in die Verkehrsstatistik wirkt erst mal beruhigend. Die Zahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss sinkt beständig – und das, obwohl die Autos mehr geworden und die zurückgelegten Kilometer deutlich gestiegen sind. So verringerten sich die Alkoholunfälle mit Personenschaden seit 1975 um fast 75 Prozent. Und die Zahl der dabei Getöteten sank allein in den vergangenen zehn Jahren um mehr als die Hälfte: von 603 auf 256

Bei jedem vierten Unfall mit Personenschaden ist Alkohol im Spiel

Dennoch ist Alkohol am Steuer eine Hauptursache für Verkehrsunfälle geblieben. Bei mehr als 34.000 hatte auch im Jahr 2015 mindestens ein Beteiligter etwas davon intus. Bei den knapp 24.000 Unfällen mit Personenschaden, die sich zwischen 22 und 6 Uhr ereignen, ist bei jedem vierten Alkohol im Spiel. Und wenn es kracht, sind die Folgen bei alkoholisierten Verkehrsteilnehmern besonders heftig. Fast jeder 14. Unfalltote geht auf das Konto der Volksdroge Nummer eins.

Beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) hätten sie daher gerne eine klare Regel. „Wer fährt, trinkt nicht. Und wer trinkt, fährt nicht.“ Der Verband propagiert ein absolutes Alkoholverbot am Steuer – da der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit schwerer wiege als der Wunsch einiger, auch als Verkehrsteilnehmer ein bisschen bechern zu dürfen.

Null Promille nur bis 21

Es sei nicht nachvollziehbar, sagt DVR-Geschäftsführer Christian Kellner, dass die enorm erfolgreiche Null-Promille-Regelung für Fahranfänger und Autofahrer unter 21 danach schlagartig nicht mehr gelte. Dabei seien gerade die 21- bis 25-Jährigen bei Alkoholunfällen am mit Abstand häufigsten beteiligt.

„Kein Alkohol unterwegs“ lautet auch die Forderung der Initiatoren einer am Samstag startenden Aktionswoche gegen Alkohol. Vom 13. bis 21. Mai informieren Freiwillige in Einkaufszentren und auf Marktplätzen aber auch über die vielen anderen Gefahren und Risiken der nach wie vor schwer unterschätzten Droge.

"Ein Gift, das Menschen krank macht"

„Die Aktionswoche kratzt am Mythos, Alkohol sei ein Kulturgut“, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren (DHS), Raphael Gaßmann. „Wir wollen, dass die Menschen Alkohol realistisch sehen – auch als ein Gift, das Menschen krank macht, den Arbeitsplatz kosten kann, tausende Verkehrsopfer fordert und oft bei Gewalttaten im Spiel ist.“

Pro Jahr, so erinnern die Organisatoren, sterben in Deutschland 74.000 Menschen an den direkten und indirekten Folgen des Alkoholkonsums. Mit 150 Litern im Jahr trinke hierzulande jeder eine ganze Badewanne leer, sagt Gaßmann. Statistisch gesehen kommt alle sieben Minuten einer zu Tode, weil ihm der regelmäßige Konsum von Bier, Wein oder Schnaps Leber und Bauchspeicheldrüse zerfressen, Rachen und Magen lädiert, Darm und Blutgefäße geschädigt hat.

15.000 Entwöhnungen pro Jahr

Für mehr als 200 Krankheiten gilt Alkohol als mitverantwortlich. Zigtausende landen regelmäßig mit Vergiftungen in den Klinik-Notaufnahmen. Rund 15.000 Entwöhnungen organisiert und bezahlt die Rentenversicherung pro Jahr. Drei Millionen Kinder wachsen in suchtbelasteten Familien auf. 40 Prozent der Schwerkriminalität ereignen sich unter Alkoholeinfluss.

Ein Gläschen kann nicht schaden? Es ist, wenn man genauer hinsieht, ein einziger Horror.

Und vielleicht muss man bei der Aufklärung ja tatsächlich mit Adam und Eva anfangen, wie es die Drogenbeauftragte der Bundesregierung tut. „Alkohol ist kein Lebens-, sondern ein Genussmittel“, stellte Marlene Mortler als Schirmherrin zum Auftakt der Aktionswoche klar. Er dürfe „nicht zu unserem Leben gehören wie die Butter zum Brot“. Wenigstens in Schwangerschaft, am Arbeitsplatz und am Steuer müssten „Bier, Wein und Co. tabu sein“.

Andere Länder sind strenger

Eine Null-Promille-Grenze am Steuer wagt die CSU-Politikerin dennoch nicht zu fordern. War es doch schon ein Kampf, von den 0,8 auf 0,5 Promille runterzukommen, wie in den meisten anderen EU-Ländern. Von ihnen haben es nur Malta und Großbritannien bei 0,8 belassen. Polen, Schweden, Estland, Finnland und Zypern ziehen die Grenze aber bereits bei 0,2 Promille. Und in Tschechien, Ungarn und Rumänien müssen Autofahrer mittlerweile sogar stocknüchtern sein.

Auch für ein Verbot des Alkoholverkaufs an Tankstellen, wie es die DHS verlangt, will sich Mortler nicht verkämpfen. Bleibt, um wenigstens an einer Stelle konkret zu werden, der Alkoholverkauf nach 22 Uhr. Hier appelliert die Drogenbeauftragte an die Länder und Kommunen. Allerdings hat das einzige Bundesland, das bisher ein solches Verbot verhängt hat, gerade erst einen Rückzieher gemacht: Im kommenden Jahr wollen die Regierenden in Baden-Württemberg ihre umstrittene Verordnung wieder einkassieren.

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