Berliner Intensivpfleger an der Corona-Front: „Jede Schicht ist jetzt eine krasse Schicht“
Ricardo Lange berichtet jede Woche aus dem Krankenhaus. Diesmal: Dauer-Kopfschmerzen und ein Date mit dem Bürgermeister. Ein Interview.
Ricardo Lange, 39, arbeitet als Pflegekraft auf einer Berliner Intensivstation. Seine Klinik ist eine der 17 Einrichtungen mit einem Covid-Schwerpunkt. Hier berichtet er jede Woche von Nachtschichten, Provisorien und Hoffnungsschimmern.
Herr Lange, nach Ihrem Urlaub sind Sie zurück auf der Intensivstation. Wie ist die Stimmung?
Extrem gedämpft, Scherze sind selten geworden. Selbst wir erleben doch normalerweise Schönes: Verloren geglaubte Patienten erholen sich. Menschen mit schweren Hirnschäden fangen plötzlich wieder an zu sprechen. Bei unseren Covid-Fällen geht es meistens bergab. Und wir arbeiten an der Grenze zur Selbstaufgabe, während andere Ski fahren. Wie viele Monate sollen wir das noch aufrecht erhalten?
Sie betreuen fast nur noch hoffnungslose Fälle.
Jede Schicht ist jetzt eine krasse Schicht. Früher kam ich ausnahmsweise mal völlig erledigt von so einem Dienst, heute ist das die Regel. Vorgestern hatte ich gleich zwei Patienten mit 4MRGN, also einem multiresistenten Erreger und obendrauf Covid. Deren Körper sind total geschwächt.
Vor Corona haben wir diese Leute 1:1 betreut, damit wir die Keime nicht verschleppen. Das ist bei der Personallage mit so vielen Patienten und positiv getesteten Kollegen mitten in der Erkältungssaison nicht mehr drin – ich renne also erst ins Zimmer des Covid-Kranken ohne Keim, der hängt stattdessen übrigens an der Dialyse, und dann zu den beiden mit dem Erreger.
Kittel an, Kittel aus, Schuhe desinfizieren und von vorne. Bevor ich den Dienst antrete, wünsche ich mir schon, dass er bald wieder vorbei ist.. Meine Haut hatte sich gerade erst erholt, nach zwei Nachtschichten unter der Maske ist sie nun wieder rot und gereizt. Die Dauer-Kopfschmerzen sind auch zurück.
[Weitere Folgen der Kolumne "Außer Atem" mit Ricardo Lange lesen Sie hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier]
Macht Ihnen derzeit irgendetwas gute Laune?
In wenigen Tagen treffe ich den Regierenden Bürgermeister. Wir hatten uns in einer RBB-Talkshow kennengelernt, er wirkte nachdenklich, als ich von meinem Alltag berichtete. Am Tag darauf rief mich sein Büro an. Obwohl Michael Müller sehr beschäftigt ist, nimmt er sich Zeit für mich – und die Pflege.
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