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Das Original. Pierre Brice als Winnetou am Pueblo Plateau. RTL sendet an Weihnachten die Neuverfilmung.
© mauritius/United Archives

Winnetou-Kulissen: In den Schluchten des Balkan

Krka-Wasserfall, Zrmanja-Fluss, der Gipfel Tulove Grede: Die Drehorte von "Winnetou" sind spektakulär. Rauchzeichen aus Kroatien.

Ein bisschen mulmig war ihr schon, dort oben auf der Kante der röhrenden Gischt. Gordana Zeitz-Ceko weist mit dem Finger auf die Krka-Wasserfälle. „Da bin ich runter gesprungen“, sagt die 68-Jährige. Man meint, noch immer ein Frösteln in ihrer Mimik zu erkennen. Lange schwarze Haare umrahmen ihr Gesicht, sie hat sie zu zwei Zöpfen gebunden.

Sie war gerade 16 Jahre, als ein deutscher Filmproduzent sie ansprach. Mitten auf der Straße in ihrer kroatischen Heimatstadt Sibenik. Weil Daliah Lavi krank geworden war, stockte die Produktion für den Karl-May-Film „Old Shatterhand“. Als Halbindianerin Paloma Nakama sollte sich die Schauspielerin ins Wasser stürzen – ausgeschlossen in ihrem Zustand. Gordana schien der ideale Ersatz.

Sie ließ sich nicht lange überreden. „Ich habe 1000 D-Mark bekommen, für die paar Sekunden“, sagt sie. Nackt sollte sie hinunterspringen. „Man hat mich dick mit brauner Farbe eingeschmiert, und vor dem Sprung wartete ich, in eine Decke gehüllt auf mein Kommando.“ Dass das Wasser, „es war ja schon Herbst“, empfindlich kalt war, nahm sie hin.

Auch mit dem Werben der Hauptdarsteller kam sie zurecht. Aus Angst, Pierre Brice oder Lex Barker könnten nachts in ihr Hotelzimmer eindringen, stellte sie einen Tisch vor die Tür. Geschwärmt hat sie weder für diesen Winnetou mit dem markanten Grübchen am Kinn noch für Old Shatterhand, der so herrlich mit den Wangenknochen mahlen konnte. „Ich mochte Rik Battaglia“, gesteht sie. War das nicht der böse Anführer der Dexon-Bande? Der widerliche Rollins, der Winnetou im dritten Teil in die ewigen Jagdgründe beförderte? Gordana zuckt die Schultern. „Er war ein schöner Mann, ungeheuer männlich“, sagt sie.

Wilder Osten. Gordana Zeitz-Ceko doubelte in "Old Shatterhand".
Wilder Osten. Gordana Zeitz-Ceko doubelte in "Old Shatterhand".
© Hella Kaiser

Viele Touristen kennen Winnetou nicht

Die Schauspieler der Karl-May-Filme sind Ikonen geworden, die Verfilmungen Kassenschlager. Doch dass die Filme um edle Indianer, miese Schurken, galoppierende Pferde und brennende Postkutschen im kollektiven Gedächtnis der Nachkriegsgenerationen verankert sind, liegt auch an den atemberaubenden Kulissen in Kroatien. „Diese Landschaften waren den amerikanischen nicht nur ähnlich, sondern sogar viel schöner“, sagt Vladimir Tadej.

Schon für den ersten Film, „Der Schatz im Silbersee“ (1962), war er Szenenbildner. Zum Silbersee erkoren die Filmleute den Kaluderovac-See, eines von 16 ineinanderfließenden Gewässern von Plitvice. Als Winnetou hier im dritten Teil vor einem Wasserfall posierte, war Plitvice bereits ein Nationalpark. 1979 wurde das einzigartige Gebiet zum Unesco-Weltnaturerbe erklärt. Das bedeutet, dass nichts mehr verändert, geschweige denn ein Film gedreht werden darf. 1,3 Millionen Touristen besuchen jährlich die Region. In der Hauptsaison im August drängeln sich täglich rund 13 000 Menschen auf den Pfaden entlang der Seen.

Viele von ihnen, besonders jene aus Asien, kennen Winnetou nicht. Aber in Starigrad-Paklenica, gleich an der Adria gelegen, ist er allgegenwärtig. Das Motel Alan, in dem die Darsteller während der Dreharbeiten wohnten, ist heute ein Museum. Schlichte, kleine Zimmer sind zu besichtigen, ein Original-Kanu, ein paar Kostüme, ein großer Plastikkaktus. „Kakteen haben wir ja nicht in Kroatien“, erklärt Zvonimir Cubelic. „Die wurden dann eben in der Landschaft drapiert.“ Der 40-Jährige ist ein gefragter Reiseführer zu den Drehorten. „Ich hatte nie einen Karl-May-Film gesehen, bis immer mehr Deutsche hierher kamen und Fragen nach den Schauplätzen stellten.“ Er machte sich schlau und kann nun zu jedem Steinhaufen eine Indianer-Geschichte erzählen.

"Die Griechen haben den Olymp, wir haben den Velebit"

Vom Hotel Alan, das 1968 neben dem alten Motel eröffnete, ist es zu Fuß nicht weit in den Velika Paklenica-Canyon. Szenen für zehn Winnetou-Filme wurden hier gedreht. Je weiter man in den Nationalpark eindringt, um so höher wachsen rechts und links die Felswände des Velebit-Gebirges. Der Vaganski Vrh ist mit 1757 Meter der höchste Gipfel des schroffen Kalksteinmassivs. Fast 150 Kilometer zieht es sich parallel zur Küste entlang. Bleich und rau ist das Gestein, gekrönt von ungezählten wilden Zacken. „Die Griechen haben den Olymp, die Japaner den Fuji, wir haben den Velebit“, sagt Zvonimir stolz. Als Besucher schaut man hinauf und ist sicher, dass sich gleich ein paar Indianer hinter den Felsen aufrichten werden.

Zu ebener Erde braucht man mehr Fantasie. „Leider haben sie die Straße asphaltiert“, bedauert Zvonimir. Zudem ist viel Grün gewachsen in den vergangenen Jahrzehnten. Und im Nationalpark darf nichts mehr gerodet werden. Das Team von Regisseur Philipp Stölzl, das für RTL neue Winnetou-Streifen an den Originalschauplätzen drehen wollte, winkte enttäuscht ab. „Das hier ist doch nicht Wildwest“, fanden sie – und drehten woanders. Im Fernsehen wird der Dreiteiler an Weihnachten (ab 25.12.) ausgestrahlt. Ohne den Canyon.

Wer genau hinschaut, findet genug Karl-May-Fantasien. Dort, dieser überhängende Felsen, auf dem sich zum Beispiel Winnetou und Old Shatterhand versteckten und unter dem, in einem anderen Film, Old Surehand Deckung vor einer Steinlawine suchte. Auf Old Surehand beziehungsweise seinen Darsteller Stewart Granger waren die Produzenten nicht gut zu sprechen. Dem Briten missfiel es, dass ein „unbekannter“ Franzose die Hauptrolle spielte. Er war doch der Star – und benahm sich auch so.

Damals waren die Wege zu den Drehorten, etwa hinauf zum Gipfel des Tulove grede, schwierig zu befahren. Die Straße war voller Geröll, mit Schlaglöchern übersät. Granger wurde im Mercedes hingebracht. Szenenbildner Vladimir Tadej behauptet, dass sich der Brite über die „harte Federung“ beschwert habe. Erst als man ihm einen Citroen DS zur Verfügung stellte, war er halbwegs zufrieden.

Bergtouristen müssen aufpassen

Röhrende Gischt. An den Krka-Wasserfällen wurden unter anderen Szenen für "Old Shatterhand" gedreht.
Röhrende Gischt. An den Krka-Wasserfällen wurden unter anderen Szenen für "Old Shatterhand" gedreht.
© Hella Kaiser

Die Kroaten lästerten in den 1960er Jahren über die Deutschen, „die jetzt Indianer spielten“. Aber mitmachen wollten sie gern. Die Firma Rialto Film aus Berlin zahlte pünktlich und gut. Für den „Schatz im Silbersee“ wurden zwei Dutzend junge Zagreber Schauspieler engagiert. Sie versicherten, gut reiten zu können. Doch als Banditen hatten sie wie die Teufel zu galoppieren – ein Fiasko. Die meisten konnten sich kaum auf den Tieren halten. Am Ende der Szene saßen nur noch zwei Reiter im Sattel.

Dass die Pferde nicht eben pfleglich behandelt wurden, ahnt man schon, wenn man die wilden Episoden im Film sieht. Blickt man auf das felsige, unebene Gelände am Fuße des Tulove grede, glaubt man kaum, dass hier überhaupt galoppiert werden kann. „Dort hinten“, sagt Zvonimir und weist auf einen Steinhaufen, „ist das Grab von Nscho-tschi“. Pierre Brice als ihr Bruder Winnetou stand hier für insgesamt elf Filme vor der Kamera. In diesem Sommer hat seine Witwe an einem Felsen, gemeinsam mit Martin Böttcher, dem Komponisten der Filmmusik, eine Gedenktafel für Pierre Brice enthüllt.

Inzwischen schätzen Wanderer den Velebit und seine steinigen Wege. Der kroatische Schriftsteller Edo Popovic hat in seinem Buch „Anleitung zum Gehen“ ausführlich über seine Wanderungen in diesem Gebiet berichtet – und dem Velebit eine Liebeserklärung gemacht. Aber im südlichen Teil, dort, wo die Winnetou-Filme einst gedreht wurden, müssen Bergtouristen aufpassen. Noch immer liegen dort Minen aus dem Kroatienkrieg (1991-1995). „Das meiste ist geräumt, aber man muss unbedingt auf den ausgewiesenen Wegen bleiben“, warnt Znovimir.

Ein weiterer Drehort war das das Velebit-Gebirge.
Ein weiterer Drehort war das das Velebit-Gebirge.
© Hella Kaiser

"Winnetou ist niemals zu ersetzen"

Ob die gewöhnlichen Urlauber auch den sagenhaften Aussichtspunkt finden, den Filmfans sofort als „Pueblo-Plateau“ identifizieren? Hoch erhebt es sich über dem sich durch eine Schlucht windenden Fluss Zrmanja. Die Zelte der Indianer sind längst verschwunden, doch der Kenner hat die Leinwandbilder im Kopf. Zrmanja-Fluss? „Quatsch“, ruft einer, „das ist doch der Rio Pecos.“ Bei Karl May flíeßt er wie in der Wirklichkeit durch New Mexico. Auf dem Plateau befreite Old Shatterhand die an Marterpfähle gebundenen Indianer, hier vollzog er die Blutsbrüderschaft mit Winnetou. Ein Ort zum Niederknien.

Ein dicker Felsbrocken versperrt den Fotografen die beste Sicht. Zvonimir grinst und hebt den Stein an der Seite hoch. Das Ding ist aus Pappmaché. Eine zurückgelassene Requisite der RTL-Filmcrew. Diesen Schauplatz haben sie sich natürlich nicht entgehen lassen. Schließlich hat sich nichts verändert an dem Ort. Nur gebrannt hat unten wohl nichts mehr in den wilden, bedrohlich wirkenden Kanuszenen auf dem Wasser. In den 60ern verbot noch niemand, Benzin in den Fluss zu schütten.

Die Neuverfilmung ist Karl-May-Fans schnurz. „Winnetou ist niemals zu ersetzen“, sagt einer, der am Plateau steht. Auf seinem orangefarbenen T-Shirt prangt das Konterfei des Indianerhäuptlings. Gekauft hat er es in einem Souvenirshop. „Es musste einfach sein.“ Postkarten mit den legendären Filmszenen werden dutzendweise angeboten. Wie schön, wie edel, wie tapfer er war, dieser Winnetou! Ein Mann für die Ewigkeit. Pierre Brice wird niemals zu ersetzen sein.

Reisetipps für Kroatien

ANREISE

Die nächstgelegenen Flughäfen zur Welt des Winnetou sind Zadar und Split. Ryanair und Easyjet fliegen nonstop von Berlin-Schönefeld aus hin (ab etwa 65 €) – allerdings nicht im Winter. Mit der Lufthansa geht es über München täglich ab 300 €.

UNTERKUNFT

Schön wohnt man in urigen Steinhäusern oberhalb der Küste in Starigrad Paklenica. Je nach Größe (vier bis zwölf Personen) ab 91 €. Zu buchen übers Internet: adriagate.com

Wer es städtischer mag, sucht sich eine Bleibe in Zadar. Das Boutiquehotel Bastion liegt mittendrin. Doppelzimmer ab 170 € (hotel-bastion.hr).

Nahe der Plitvicer Seen wohnt man beispielsweise ab 43 € im Jezero Hotel (np-plitvicka-jezera.hr).

EINKEHR

Das Restaurant Kornat in Zadar bietet kroatische Spezialitäten, modern interpretiert (Liburnska obala 6, restaurant-kornat.hr).

WINNETOU-DREHORTE

Im Hotel Alan in Starigrad Paklenica (in der kommenden Saison ausgebucht) gibt es Flyer, mit denen man die Drehorte auch allein finden kann. Mehr Spaß machen geführte Touren, kundige Guides vermitteln Hotels.

AUSKUNFT

Mehr Infos hat die Kroatische Zentrale für Tourismus unter croatia.hr zusammengestellt. Die Rivijera Paklenica findet man unter rivijera-paklenica.hr/de im Netz.

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