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Porträt: Für immer Winnetou

Eins mit der Rolle des Apachen-Häuptlings: Die ARD widmet ihre „Legenden“ dem Schauspieler Pierre Brice.

Elf Karl-May-Filme in sieben Jahren haben Pierre Brice unsterblich gemacht. Die von Horst Wendlandt produzierten deutschen Winnetou-Verfilmungen werden zu einem Erfolg, den niemand vorhersehen konnte. Im Deutschland der 60er Jahre befindet man sich im Edgar-Wallace-Fieber und in Schwärmerei für Winnetou. Hauptdarsteller Pierre Brice, der den Apachen-Häuptling Winnetou verkörpert und vorher in eher zweitklassigen italienischen und spanischen Filmen mitspielte, wird über Nacht zum Star. Deutsche Frauen schicken ihm tagtäglich körbeweise Fanpost, auch Heiratsanträge.

Pierre Brice – 1929 im französischen Brest am Atlantik geboren und heute 83 Jahre alt – wird zu einer lebenden Legende. In der ARD-Reihe „Legenden“ geht Autorin Cordula Kablitz-Post dem Werden dieser Legende nach, sie interviewt Zeitzeugen, Freunde und Kollegen, darunter Mario Adorf, Götz George oder Christiane Krüger. „Der hat ja nicht gespielt, der war das ja“ sagt George, der in drei Karl-May-Filmen an der Seite von Pierre Brice spielte. Brice, so scheint es, hat diesen Winnetou, diesen modernen Heilsbringer und Gutmenschen mit seinen Idealen von Freiheit, Toleranz und Freundschaft nicht gespielt, Brice scheint ihn vielmehr inkarniert zu haben. Brice war Winnetou, und Winnetou war Brice. Produzent Arthur Brauner, selbst eine Legende, kommentiert dies folgendermaßen: „Einen größeren, überdimensionaleren Erfolg als ,Winnetou‘ hätte er niemals erreichen können. Das ist das absolute Nonplusultra, das sich ein Schauspieler nur wünschen kann“.

Der erste „Winnetou“-Film, „Der Schatz im Silbersee“, wurde vor 50 Jahren unter der Regie von Harald Reinl in Jugoslawien gedreht, Horst Wendlandt hatte Brice zuvor auf der Berlinale entdeckt. Das war 1962. An Brice’ Seite sind von Anfang an Lex Barker, Ralf Wolter, Eddi Arent, Karin Dor und andere zu sehen. Die Reihe bleibt erfolgreich – bis hin zu „Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten“ (1968), erneut von Reinl inszeniert. In Deutschland erhält der Franzose Brice schließlich das Bundesverdienstkreuz, er wird zu einem Nationalhelden, hier, im Nachbarland – während ihn in seiner Heimat kaum jemand kennt, er auch im französischen Film nicht in Erscheinung tritt.

Heute lebt der Natur- und Tierliebhaber Brice, der einst vier Jahre lang in Indochina gekämpft hat, seit vielen Jahren auf einem historischen Landgut vor den Toren von Paris, zusammen mit seiner deutschen Frau Hella, die er 1980 heiratete. Brice hat sein Leben dieser einen Rolle gewidmet. Nachdem die Karl-May-Filme für das Kino nicht mehr weiterproduziert wurden, hat er die Rolle auf der Freiluftbühne in Elspe und in Bad Segeberg Jahre weitergespielt. In den 80er Jahren wurde sie für das deutsche Fernsehen in einer 14-teiligen Reihe „Mein Freund Winnetou“ des WDR revitalisiert. 1998 folgt der Fernseh-Zweiteiler „Winnetous Rückkehr“. Doch an die Erfolge von einst vermag Brice nicht mehr anzuknüpfen. Das Publikum, es hängt am Original-Winnetou aus den 60er Jahren. Ab und an schwingt Wehmut mit, wenn Pierre Brice heute von seinem Winnetou erzählt. Von dieser für ihn einzigartigen Rolle, die zur Berufung wurde, zur Lebensaufgabe. Vielleicht auch zur Last. Thilo Wydra

„Legenden: Pierre Brice“, 15 Uhr 30, ARD

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