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Die Hollywood-Schauspielerin. Elizabeth Taylor war acht Mal verheiratet und Exzessen zugeneigt.
© Mauritius/Collection Christophel

Taylor, Becker& Mcqueen: Im Schatten von sehr berühmten Namensvettern

Künstler müssen sich einen Namen machen. Doch was, wenn ein Superprominenter unverschämterweise schon genauso heißt? Drei Schicksale.

Elizabeth Taylor

Im Zeitalter des Internets ein hoffnungsloser Fall: Wer Elizabeth Taylor googelt, würde nie auf die Idee kommen, dass es eine britische Schriftstellerin gibt, die so heißt, noch dazu eine renommierte. Für ihren Kollegen Kingsley Amis war sie sogar „eine der besten Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts“.

„Die andere Elizabeth Taylor“ – so wird sie immer wieder genannt. Dass es eine prominente Schauspielerin gab, die so hieß wie sie, fand Taylor nicht lustig. „Ich hasse meinen Namen“, vertraute sie, die bis zu ihrer Hochzeit noch den Namen Betty Coles getragen hatte, einer Freundin an. Manchmal erhielt sie Fanpost besonderer Art, dann hatte man sie mal wieder verwechselt. „Männer schreiben mir“, erzählte Taylor der „Times“, „und bitten mich um ein Foto von mir im Bikini. Mein Mann findet, ich sollte ihnen eins schicken und sie erschüttern, aber ich besitze keinen Bikini.“

Als 1945 Elizabeth Taylors erster Roman erschien, hatte ihre berühmte Namenscousine gerade den Durchbruch als Kinderstar geschafft. Dass die Schriftstellerin von vielen übersehen wurde, hatte jedoch noch einen anderen Grund. Es lag zuallererst an ihren Stoffen. In ihren Büchern passiert nichts. Nur „das Drama des Undramatischen“, wie sie selbst es nannte. Alltägliche Geschichten, häusliche Schauplätze und unspektakuläre Figuren der Mittelschicht, die selten glücklich sind, sich oft selbst betrügen. Künstler, Dienstboten, Ehefrauen, ältere Witwen. Taylor schreibt über sie präzise, feinfühlig und doch gnadenlos.

Unspektakulär glamourös. Die britische Schriftstellerin Elizabeth Taylor lebte zurückgezogen.
Unspektakulär glamourös. Die britische Schriftstellerin Elizabeth Taylor lebte zurückgezogen.
© Dörlemann Verlag/The Estate of Elizabeth Taylor

In den 60er Jahren kam Taylor aus der Mode

Anders als der gleichnamige Hollywoodstar hielt Elizabeth Taylor sich mit allen Kräften aus der Öffentlichkeit raus. Führte ein unaufgeregtes Leben in einem Dorf in Buckinghamshire, war von 1936 bis zu ihrem frühen Tod 1975 mit demselben Mann verheiratet, einem Süßwarenfabrikanten. In der Biografie „The Other Elizabeth Taylor“ ist allerdings zu lesen, dass sie in den 30er Jahren der Kommunistischen Partei beitrat. Ein Genosse war ihr langjähriger Geliebter, er entwarf die Umschläge ihrer ersten Bücher.

Elizabeth Taylor die Zweite war Hausfrau, Gattin und Mutter, und als solche Schriftstellerin, die am glücklichsten war, wenn sie im Sessel saß und schrieb. Zum Einkaufen trug sie Perlenkette und Hüte, letztere immerhin erstand sie im selben Geschäft wie die zu Exzessen neigende, achtmal verheiratete, glamouröse Liz. Ihre wenigen Fernsehinterviews waren für beide Seiten traumatisch. Viel mehr als Ja oder Nein war ihr nicht zu entlocken. Freunde verdammte sie zum Vernichten ihrer Briefe, von denen es heißt, dass sie großartig waren. Die Monate vor ihrem Krebstod nutzte sie dazu, viele Dokumente zu entsorgen.

In den 60er Jahren kam Taylor aus der Mode. Erst posthum wurde sie mit einem wichtigen Literaturpreis ausgezeichnet. Seit einiger Zeit wird sie wiederentdeckt, mit Neuausgaben ihrer Werke, von denen das bekannteste „Mrs. Palfrey at the Claremont“ ist, die Geschichte einer Witwe, deren Tochter keine Lust hat auf die alte Mutter, und die in ein etwas schäbiges Londoner Hotel einzieht. Im deutschsprachigen Raum hat sich der Dörlemann Verlag um Taylors Werk verdient gemacht, gerade erschien dort der dritte Roman (insgesamt sind es zwölf). „Angel“ ist die Geschichte einer giftigen Frau und erfolgreichen Autorin.

Wie, fotografiert Boris Becker jetzt auch?

Der Tennisstar. Boris Becker ist Dauergast in der Klatschpresse.
Der Tennisstar. Boris Becker ist Dauergast in der Klatschpresse.
© dpa

Boris Becker

Begegnet sind sie sich bis heute nicht. Dabei hat Boris Becker, der Fotograf, die Laufbahn des sechs Jahre jüngeren Tenniscracks Boris Becker schon ziemlich früh beobachtet. Am Bildschirm. Als der Leimener Teenager dann als erster Deutscher Wimbledon gewann, musste sich sein Namensvetter entscheiden. Sollte er sich umbenennen?

Die Antwort: Nö. Er hatte doch schon ein paar Semester Fotografie studiert, erste kleine Ausstellungen gehabt, schon als Jugendlicher angefangen, zu filmen und zu fotografieren. Eine Portion Trotz war vielleicht auch dabei: „Ich hab’s nicht eingesehen“, sagt Becker.

Als junger Künstler muss man sich normalerweise erst einen Namen machen. Den hatte Boris Becker nun schon. Er musste ihn nur neu besetzen. Also Stipendium der Villa Massimo, Einzelausstellung im Landesmuseum Bonn, Professur in Köln. Auf den Spuren von Lawrence von Arabien hat er in Syrien und Jordanien fotografiert, hat mehrere Bücher herausgebracht. In der Welt der Kunst ist der Schüler von Bernd und Hilla Becher längst bekannt. Vorbei die Zeiten, da manche „Boris Becker“ für einen unlustigen Künstlernamen hielten, ihn nicht ernst nehmen wollten. Nur Fachfremde zucken noch zusammen: Wie, fotografiert Boris Becker jetzt auch?

Boris Becker, Tennisstar a.D., füttert die Klatschpresse immer wieder aufs Neue, mal ist es der Bankrott, dann die gescheiterte Ehe. Boris Becker, der Künstler, hat es nur einmal groß in die Boulevardzeitung geschafft: Als ihm sein blauer VW-Bus gestohlen wurde, mit dem er jahrelang unterwegs war, berichtete der „Kölner Express“. Gerade weil er so unspektakulär arbeitet, Kunst und nicht Journalismus macht, durfte er fotografieren, was andere nicht ablichten konnten. Drogenverstecke beim Zoll zum Beispiel. Becker zeigt eher die Spuren, die Menschen hinterlassen haben, als die Menschen selbst. Seine wichtigsten Motive: Architektur und Landschaft. Wohnhäuser, Hochhäuser, Gebirgszüge, Sandwüsten, italienische Stoppelfelder. West-Berlin, das Lebensgefühl in den 70ern, 80ern, die Brachen haben ihn stark geprägt. Becker, groß geworden im Rheinland als Sohn des Schriftstellers Jürgen Becker, hat dort studiert, bevor er nach Düsseldorf wechselte.

Bekannt ist er für seine Langzeitprojekte

Becker und Becker könnten nicht unterschiedlicher sein. Der eine laut, der andere leise. Während der eine vor 19 Jahren als Profi schon in Rente ging, macht der andere immer weiter. Gleicht der Lebenslauf des einen einer Achterbahn, geht der andere stetig seinen Weg. Bekannt ist Boris Becker, schmal, eher klein, für seine Langzeitprojekte. Angefangen hat das mit den Aufnahmen von Bunkern, hunderte von ihnen.

Der Fotograf. Über Boris Becker schrieb mal der „Kölner Express“.
Der Fotograf. Über Boris Becker schrieb mal der „Kölner Express“.
© privat

Was ihn gereizt hat? Dass man ihnen oft nicht ansieht, was sie sind, dass sie, zum Schutz, getarnt wurden als Kirchen zum Beispiel. Eines seiner Bilder gab auch den Namen für die Galerie, die er mit seiner Frau, einer Modemacherin, in Köln eröffnete, woraus dann ein Verlag entstand: Sprungturm. Den hat er in einem alten Badesee entdeckt. Verwittert, vergessen, allein steht er da wie ein Monument.

Beckers Fotos sind nicht plakativ, man muss sehr genau hingucken. „Eine allgemeine Ortlosigkeit“ hat er, in seinen eigenen Worten, eingefangen, „ein Überall und Nirgends“ evoziert. Sein jüngstes Projekt: eine Art fotografisches Tagebuch. Persönlich, nicht privat.

Die Hautfarbe hat für Steve McQueen keine Bedeutung

Der Schauspieler Steve McQueen ist bis heute ein angehimmeltes Idol.
Der Schauspieler Steve McQueen ist bis heute ein angehimmeltes Idol.
© imago/AGD

Steve McQueen

Was die Mama sich denn dabei gedacht habe, fragte ein Filmkritiker einmal: „ihren ziemlich schwarzen und ziemlich britischen Sohn nach dem ziemlich weißen und ziemlich amerikanischen Schauspieler zu nennen“, und antwortete sich selbst, dass es wohl eine merkwürdige Form von Humor gewesen sein muss.

Aber warum nicht? Der smarte, durchtrainierte Star war damals, 1969, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, der bestbezahlte Schauspieler Hollywoods, Rennfahrer, Held der Protestgeneration, sexy. „The King of Cool“. Und die Hautfarbe, das betont der inzwischen erwachsene Steve McQueen gern, habe für ihn sowieso keine Bedeutung, definieren lässt er sich darüber nicht. „Wenn ich auf den Boden spucke, ist das schwarze Spucke oder Spucke?“ Also.

Der Künstler Steve McQueen widmet sich schwierigen Themen.
Der Künstler Steve McQueen widmet sich schwierigen Themen.
© AFP

Steve McQueen ist erfolgreich als Video-Künstler, er wurde mit dem Turner Prize, einem der wichtigsten Kunstpreise, ausgezeichnet, vertrat sein Land auf der Biennale in Venedig, wurde zweimal zur Documenta eingeladen. Und er ist ein preisgekrönter Regisseur. Ein Mann der Extreme. In seinem ersten Film geht es um den tödlichen Hungerstreik eines IRA-Aktivisten, „Hunger“ machte Michael Fassbender 2008 bekannt, der auch die Hauptrolle in McQueens zweitem Film über einen Sexsüchtigen spielte. Und „12 Years a Slave“ erzählt die wahre Geschichte eines freien Schwarzen, der entführt, verkauft und gequält wird, der Film erhielt gleich drei Oscars. McQueen, der mit seiner Familie in Amsterdam lebt, hat die Statur eines Ringers, als der er auch in seinem Uni-Abschlussfilm auftrat. Die Körper krachten darin aufeinander.

Was er tat, tat er exzessiv

In seinen Filmen blickt Steve McQueen der Jüngere in Abgründe – wie der Ältere es in seinem Leben tat: Sohn einer Alkoholikerin, hat der Hollywoodstar seinen Vater nie kennengelernt, dafür diverse Stiefväter, die ihn verprügelten, erst landete er in Gangs, dann in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche, das war seine Rettung. Was er tat, tat er exzessiv, Rauchen, Drogen, Rennfahren, Affären, Sport, Motorräder sammeln.

Das ist es, was die McQueens verbindet, mal abgesehen von ihrer Legasthenie. Die Entschlossenheit. Die Kompromisslosigkeit. „Ich will nicht überleben“, sagt Solomon Northup, die Hauptfigur in „12 Years a Slave“. „Ich will leben.“

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