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Hingucker. „Du hast keine Kultur, weil du von Sklaven abstammst“, steht auf einem der T-Shirts von Isaiah Lopaz. Er gibt auch Anti-Rassismus-Workshops – getrennt für hell- und dunkelhäutige Berliner.
© Mike Wolff

Rassismus-Debatte: Tolerantes Berlin? Von wegen

Der Künstler Isaiah Lopaz bedruckt T-Shirts mit rassistischen Sprüchen aus seinem Alltag, um seine Erfahrungen in Berlin zu dokumentierten. Die Stadt hält er für längst nicht so tolerant und multikulturell, wie sie gerne wäre.

Die Tasche fest umklammert, dazu ein skeptischer Blick und immer wieder die Frage: „Wo kommst du her? Nein, wo kommst du wirklich her?“ Das erlebt Isaiah Lopaz täglich. Er ist Künstler, er ist US-Amerikaner, er ist schwul und er ist schwarz. Wie die Menschen in Berlin ihm begegnen, verletzt ihn. Aber er möchte sich nicht verkriechen. Er möchte der Stadt die Augen öffnen. Denn: „So tolerant und multikulturell, wie Berlin gerne wäre, ist es nicht“, sagt Lopaz.

Vor elf Jahren kam der 38-Jährige nach Berlin. Die Stadt sei inspirierend und ein großartiger Ort für Künstler. Mehr gute Worte hat er für seine Wahlheimat aber nicht übrig. Was er in den vergangenen Jahren hier erlebte, hat ihn schockiert. Rassismus gibt es nicht mehr? Das ist eine Lüge, meint Lopaz. Rassismus werde lediglich totgeschwiegen.

Kunstprojekt gegen Rassismus

Das möchte er ändern. 2016 startete er sein Kunstprojekt „Things You Can Tell Just By Looking At Him“ (Dinge, die du sagen kannst, indem du ihn nur anschaust). Er sammelte Sprüche, die den alltäglichen Rassimus in Berlin offenbarten und druckte sie auf T-Shirts. „Das hat als persönliches Projekt begonnen. Ich wollte meine eigenen Erfahrungen dokumentieren. Inzwischen ist es sehr viel mehr als das.“ Was Botschaften auf Shirts auslösen können, beweist der jüngste Skandal um Kampagnenbilder von H&M. Der schwedische Moderiese zeigte einen kleinen Jungen mit dunkler Hautfarbe, auf seinem Shirt die Botschaft: „Coolest Monkey in the Jungle“ – also „Coolster Affe im Dschungel“. Für das Foto wird H&M nicht nur in sozialen Netzwerken heftig kritisiert.

Auf einem der T-Shirts, die Isaiah Lopaz drucken ließ, steht zum Beispiel „It’s a shame you don’t know your roots“ (Es ist eine Schande, dass du deine Wurzeln nicht kennst). „Ich habe keine Wurzeln. Ich bin kein Baum. Ich bin ein Mensch“, sagt Lopaz. Seine Großmutter kommt aus Texas, ihr Mann aus Florida, die anderen Großeltern aus Mississippi. Seine Eltern sind in Los Angeles aufgewachsen, genauso wie er. „Die Leute können sich nicht hinter vermeintlicher Unwissenheit verstecken. Der Sklavenhandel und die Geschichte der Afro-Amerikaner werden in diversen Hollywoodfilmen thematisiert.“ Auch die Frage, ob er afrikanisches Essen zu einer Party mitbringen könnte, zeigt ihm daher, dass die Menschen, denen er begegnet, nicht sehen, wer er wirklich ist. „Sie urteilen vorschnell, nur aufgrund meiner Hautfarbe.“

Die Debatte in Deutschland hält er für nicht kritisch genug

Rassismus sei es nicht nur, wenn man jemanden aufgrund seines Aussehens nicht zu mögen. Die Diskussion über Rassismus sei nicht komplex und kritisch genug. Das habe auch die jüngste Debatte um Boris Beckers Sohn Noah gezeigt. Der AfD-Politiker Jens Maier hatte Noah Becker auf Twitter rassistisch beleidigt. Boris Becker hatte in einem Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“ geschrieben, Noah wolle dem Hass mit noch mehr Liebe begegnen. „Das klingt sehr poetisch, aber wir leben seit Jahrhunderten in einer liebenden Gesellschaft. Beim Rassismus geht es um Macht und Gerechtigkeit“, sagt Lopaz. „Die Verantwortung wird immer wieder an uns Schwarze abgegeben. Es heißt, wir dürften nicht so sensibel sein, wir müssten die Sprache besser lernen.“ Seiner Meinung nach ist das die falsche Denkweise.

Seit einem Jahr gibt er Workshops und möchte damit einen Ort schaffen, an dem sich die Teilnehmer über ihre Erfahrungen austauschen können – Schwarze und Weiße. Aber nicht gemeinsam. „Wir haben unterschiedliche Aufgaben im Kampf gegen Rassismus“, sagt Lopaz. Deswegen bietet er unterschiedliche Workshops an. „Mit schwarzen Teilnehmern tausche ich mich über unsere Erfahrungen aus. Es geht darum einen inneren Frieden zu finden. Hier entstehen zum Beispiel neue T-Shirts mit Sprüchen, die die Workshopteilnehmer zu hören bekommen haben.“ Im Workshop für weiße Teilnehmer ginge es vor allem darum, sie zu sensibilisieren. „Meiner Meinung nach sind die Weißen dafür verantwortlich, Rassismus abzubauen.“

Toleranz alleine reicht nicht aus

Toleranz alleine reiche nicht aus. „Ich toleriere, dass mein Nachbarn, eine Party feiert, obwohl ich schlafen möchte. Aber ein Mensch verdient mehr, als nur toleriert zu werden. Es geht um Würde. Darüber muss die Gesellschaft nachdenken.“

Wut, Traurigkeit, Enttäuschung – all das empfindet Isaiah Lopaz, wenn die Frau am Supermarkt ihre Tasche an sich zieht, sobald er vorbei geht, oder das Pärchen im Park ihn nach Drogen fragt. Er sei nicht naiv, Rassismus gebe es überall. Trotzdem spürt Lopaz, dass seine Zeit in Berlin sich dem Ende neigt. Er möchte einen Ort finden, an dem es eine Art von Rassismus gibt, die er besser akzeptieren kann. „Ich habe eine Idee, wo dieser Ort sein könnte. Aber das bleibt mein Geheimnis.“

Anna Pia Möller

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