Mulacks neue Berliner Küche III: Hackepeter Deluxe
Die Wurzeln liegen in Frankreich, ein Berliner Kneipier machte daraus deftig-rustikales Barfood. Hier erlebt Mett eine raffinierte Neuinterpretation.
Am Anfang war das Mett
Schon 1801 erklärte das „Berlinische Frauenzimmer-Lexicon“: „Mett heißt das reine, von allem Fette abgesonderte Fleisch.“ Aus dem Mett leitete sich vermutlich auch die im süddeutschen Raum gebräuchliche Bezeichnung „Metzger“ ab, „Mettwürste“ sowieso. Es sollte aber noch mindestens zwei Jahrhunderte dauern, bis das Mettbrötchen oder der Mettigel das Licht der Welt erblickten, denn damals wäre angesichts miserabler hygienischer Bedingungen niemand von klarem Verstand auf die Idee gekommen, Fleisch roh zu essen.
Hugenotten brachten das Tartare de Boeuf nach Berlin
Bis aus Mett der Berliner „Hackepeter“ werden konnte, mussten – wie so oft, wenn es um kulinarische Innovationen geht – französische Hofköche den ersten Zwischenschritt gehen, den allerdings mit Rindfleisch. Das gab es in den in adligen Küchen in einer Frische, die es vertretbar machte, es roh zu servieren – das „Tartare de Boeuf“ war geboren. In der Regel wurde es erst unmittelbar vor dem Servieren gehackt, am besten vor den Augen des Gastes. Diese früher als vertrauensbildende Maßnahme entstandene Sitte wird noch heute in besseren Restaurants gepflegt, allerdings blieb diese effektvolle Spezialbehandlung ausnahmslos dem Fleisch von der Kuh vorbehalten. Im 17. Jahrhundert lernten mit dem Zuzug der Hugenotten dann auch die Berliner das Kochen. Die französischen Glaubensflüchtlinge hatten zahlreiche neue Gemüsesorten wie Spargel, Blumenkohl, Gurken und noch mehr raffinierte Rezepte im Gepäck. Letztere wurden allerdings vom preußischen Pragmatismus und der Geringschätzung jeglicher Genusskultur einer Vereinfachung unterzogen.
Ein Berliner Kneipier erfand den Hackepeter
Die Ehre, das edle „Tartare de Boeuf“ auf rustikales märkisches Niveau gebracht zu haben, gebührt wohl dem Berliner „Budiker“ – heute würde man ihn „Kneipier“ nennen – Eduard Martin. Er zerhackte Schweinefleisch, würzte es mit viel Salz, streute Zwiebeln darüber und hatte mit diesem frühen Barfood so großen Erfolg, dass er sogar eines seiner Restaurants nach dieser Speise benannte. Woher er den „Peter“ nahm, ist nicht überliefert. Möglich, dass er damals noch Petersilie verwendete. Es wäre aber auch vorstellbar, dass er schlicht Mitleid mit dem Gehackten hatte – „Peter“ war ein gängiges Kompositum für etwas oder jemanden, dem das Schicksal übel mitspielt, siehe „Ziegenpeter“ und „Wackelpeter“.
Der Hackepeter wurde zum Berliner Klassiker
Berlin ist heute ohne seinen Hackepeter nicht denkbar, auch wenn das Idiom Mett als „Mettigel“ eine kurzfristige Wiederauferstehung auf den Buffets der Nachkriegszeit erlebte. Die Tür in die feine Küchenwelt blieb aber beiden verschlossen. Das Hack liebt die Schrippe, blieb ein Kind der Straße – Powerriegel der Werktätigen, Restkraftverstärker angeschlagener Zecher.
Kristof Mulack hat in seiner Schulzeit beides, Hackepeter und Zwiebelmett, kennen- und lieben gelernt. Als er das erste Mal in einem französischem Restaurant Tatar gegessen hatte, gefiel ihm dessen Raffinesse, ihm fehlte aber das Fettig-Deftige des Schweinefleischs. So entstand die Idee, Raffinement mit Berliner Tradition zu verbinden. Et voilà: Hier ist der „Hackepeter de luxe“.
"Hackepeter Deluxe" - das Rezept
Zutaten
500 g Zwiebelmett (hat jeder Berliner Fleischer im Angebot) 25 ml Chipotle-Tabasco 3 EL Werder Premium-Ketchup 1 EL mittelscharfer Senf 4 Perlzwiebeln 4 Cornichons 1 TL Senfsaat 1 EL Apfelessig 4 Bio Eier Beize aus 50 g Salz und 50 g Zucker 4 Scheiben Sauerteigbrot Zum Garnieren: frischer Kerbel einige Blätter Blutampfer geräuchertes Paprikapulver
Zubereitung
Zwiebelmett mit dem Chipotle-Tabasco, dem Ketchup und dem Senf zu einer Masse verkneten.
Die Cornichons in feine Scheiben schneiden und die Perlzwiebeln in einzelne Segmente zupfen.
Die Senfsaat in einer Pfanne anrösten, anschließend mit dem Apfelessig ablöschen und kurz quellen lassen.
In einer Schale Salz und Zucker mischen. Die Eier trennen und das Eigelb vorsichtig in die Beize legen. Nach 10 Minuten das leicht gestockte Eigelb herausnehmen, abwaschen und auf Backpapier legen.
Das Brot mit etwas Öl beträufeln – ich empfehle kalt gepresstes Rapsöl – und dann im Ofen bei 200 Grad goldbraun rösten.
Anrichten
Mit einem Anrichtering das Zwiebelmett an der äußeren Seite eines Tellers platzieren. In die Mitte des Metts das Eigelb setzen. Drum herum abwechselnd Perlzwiebelsegmente und Cornichonscheiben fächern und das Ganze mit Kerbel und Blutampfer garnieren.
Neben den Hackepeter das geröstete Brot legen und alles mit etwas geräuchertem Paprikapulver bestreuen.
Tipp
Man kann einfache Dinge auch verkomplizieren: So könnte man absolut frisches und fettes Schweinefleisch sehr fein schneiden und dann mit Zwiebelwürfeln, Salz und Pfeffer mit der Messerklinge zerreiben. Man könnte das Fleisch auch mit fein geschnittenen Zwiebeln (noch feiner wird es mit Schalotten) durch den Fleischwolf drehen und dann abschmecken. Wenn man Glück hat, macht das sogar der Fleischer, auch wenn er danach die Maschine reinigen muss. Ich spare mir die Mühe und kaufe in der „Blutwurstmanufaktur“ (Fleischerei Benser, Karl-Marx-Platz 9–11, Neukölln) das fertige Zwiebelmett, das hat genau die richtige Fettigkeit und Würzung.
Gleiches gilt für den Ketchup: Man kann selbst anfangen, herumzuexperimentieren, aber das Werderaner Premium-Ketchup bringt alles mit, was der Hackepeter braucht: fruchtiges Tomatenaroma, leichte Süße und den vertrauten Geschmack der Kindheit.
Hier finden Sie weitere Rezepte aus der Serie "Mulacks neue Berliner Küche"
Teil 1: Königsberger Klopse
Teil 2: Blumenkohl polnisch
Teil 4: Senfeier mit marinierter Bete
Teil 5: vegetarische Soljanka