Mulacks neue Berliner Küche II: „Blumenkohl polnisch“
Kristof Mulack fühlt sich zu Hause, wo einfach und günstig gekocht wird. Was sich aus Blumenkohl mit Ei und Semmelbröseln machen lässt, zeigt die Rezeptkolumne.
Der Name führt in die Irre: „Blumenkohl polnisch“ ist ein Klassiker der deutschen Küche und eine feste Größe in Berliner Haushalten und Kantinen. Wie bei Spaghetti Bolognese lässt die Verortung des Gerichtes aber keinen Rückschluss auf die Urheberschaft zu: Kein Italiener würde „Spaghetti Bolognese“ bestellen, wenn er Appetit auf „Pasta al ragù“ hat.
Die Ortsangabe stimmt beim norditalienischen Klassiker zumindest in Teilen: Die „Bolo“ ist die in Deutschland vereinfachte Adaption des Traditionsgerichts. Und auch die Wurzeln für „Blumenkohl polnisch“ liegen in Polen: „Kalafior z maslem i bulka tarta“ ist dort eine weitverbreitete Zubereitungsart des Blumenkohls (Kalafior) mit einem Topping aus Butter (maslem) und darin gerösteten Semmelbröseln (bulka tarta).
In der Küchensprache, die schon immer französisch war, hat sich für diese Garnitur der Begriff „Beurre à la polonaise“ oder einfach „à la polonaise“ etabliert.
Der Kantinenklassiker ist eine grenzüberschreitende Idee
Dass daraus der Klassiker mit Petersilie und gehacktem Ei entstand, ist vermutlich keine rein polnische Idee. Vielmehr scheint das gehaltvolle Upgrade dem Heißhunger des jungen Industrieproletariats entsprungen zu sein: Ab Mitte des 19. Jahrhunderts strömten Hunderttausende Arbeitskräfte aus den preußischen Ostprovinzen an die Spree und an die Ruhr. Mit im Gepäck: der „Kalafior z maslem i bulka tarta“ – bis dato noch ohne gehacktes Ei.
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Zwar verwendet die polnische Küche häufig gekochte Eier, zum Beispiel als Einlage für die Sauermehlsuppe „Zurek“ oder den Heringssalat „Hekele“. Aber die Dreifaltigkeit aus Blumenkohl, gehacktem Ei und Beurre à la polonaise scheint eine grenzüberschreitende Idee der Arbeiterküche gewesen zu sein. Und so fühlt sich der „Blumenkohl polnisch“ auch heute noch dort am wohlsten, wo einfach, sättigend und günstig gekocht wird: in Kantinen und Alltagsküchen.
Wenige Spitzenköche versuchten sich an einer Neuinterpretation
Während Blumenkohl, im Ganzen gebacken, mit der Entdeckung der levantinischen Küche einen regelrechten Hype erfuhr, bleibt die „polnische“ Variante ein noch nicht gehobener Küchenschatz, an dessen Neuentdeckung sich bislang nur wenige versuchten: Das „Pots“ im Ritz-Carlton zum Beispiel hievt ihn mit Rauchfisch Velouté und – optional – einem Klecks Kaviar auf Gourmetniveau. Das „Oderberger“ in Prenzlauer Berg ersetzt den Blumenkohl aktuell zwar durch Schwarzwurzeln, wahrt aber mit Onsen-Ei und „polnischen Bröseln“ den Bezug zum Berliner Klassiker.
Raffiniert wird der Blumenkohl als Schnitzel ausgebacken
Kristof Mulack hat an der polnischen Ostsee bei der Großmutter eines Freundes den „Blumenkohl à la polonaise“ mit weich gekochtem, ganzem Ei – „zum Zerquetschen“ – als perfektes Katergericht kennen- und „lieben“ gelernt.
[In seiner ersten Rezeptkolumne hat Kristof Mulack den Klassiker "Königsberger Klopse" neu interpretiert. Zu Rezept und Video geht es hier entlang.]
In seiner Speisekneipe „Lausebengel“ nimmt er die Berliner Version mit gehacktem Ei als Vorbild, spitzt sie aber texturell und aromatisch zu: Den Blumenkohl frittiert er - wie in der ostmediterranen Küche zum Beispiel den Makali weit verbreitet - zum krossen „Schnitzel“, die Semmelbrösel ersetzt er durch knusprig geröstete Panko-Krumen, die Aromenwucht kommt von einer „polnischen“ Kräuter-Mayo, Senfsaat und Salzzitronen sowie den nordisch dunkel angerösteten Blättern des Kohls – zeitgemäße Gemüseküche in unverstellter Tradition, aber raffiniert und mit extra viel Geschmack.
Das Rezept
Zutaten für 4 Personen
2 Köpfe Blumenkohl
6 Bio-Eier
6 große Spreegurken
1 EL Senfsaat
1 Bund Dill
1 Bund Schnittlauch
1 Bund Kerbel
2 Zitronen
50 g Panko-Mehl
200 ml Apfelsaft
300 ml Apfelessig
300 ml Rapsöl
2 EL Senf mittelscharf
1 Msp. Xanthan
Salz und Zucker
Zubereitung
Die äußeren Blätter des Blumenkohls abrupfen, einige der weiter innen liegenden Blätter für später aufheben.
Jeweils aus dem Blumenkohl zwei je ungefähr zwei bis drei Zentimeter dicke Schnitzel herausschneiden. Den Rest des Blumenkohls in ein Weckglas geben und mit Essig, Zucker und Salz süß-sauer einlegen.
Die Bio-Eier wachsweich kochen. Zwei Eier davon fein hacken und die restlichen in einen Messbecher geben.
Etwas von den Kräutern als Deko aufheben, den Rest mit Spreegurken, Senf, Apfelsaft, Rapsöl sowie dem Saft der zwei Zitronen und dem Xanthan in den Messbecher geben. Alles mit einem Stabmixer auf mittlerer Stufe zu einer Emulsion mixen und mit Salz und Zucker abschmecken.
Die Senfsaat in einer Pfanne kurz anrösten, mit Apfelessig ablöschen und ohne Hitze quellen lassen.
Die Schale der Zitronen mit einem Sparschäler abziehen und in feine Streifen schneiden. Etwas Zitronensaft mit Salz und Zucker zu gleichen Teilen mit der Schale aufkochen und bei schwacher Hitze ziehen lassen, bis der Zucker karamellisiert und die Zitrone nicht mehr bitter ist.
Nun die Blumenkohlschnitzel bei 160 Grad frittieren, bis sie goldbraun sind. Der Kohl darf noch Biss haben.
Die Butter braun zerlassen und dann das Panko-Mehl darin goldbraun anrösten und auf einem Stück Küchenrolle abtropfen lassen.
Die Blumenkohlblätter in etwas Öl scharf anrösten. Sie dürfen an manchen Stellen ruhig etwas verbrannt sein.
Die Blumenkohlschnitzel auf Küchenpapier abtropfen lassen und je ein Schnitzel in der Mitte eines Tellers platzieren. Darauf die „polnische“ Kräuteremulsion streichen. Das gehackte Ei sowie die Blätter vom Blumenkohl, geröstete Panko-Brösel, die Salzzitronenstreifen und die Kräuter darauf garnieren.
Tipp
Wenn der restliche eingelegte Blumenkohl schon durchgezogen ist, kann man einzelne Röschen noch mit auf den Teller geben. Das gibt einen schönen Säurekontrast.
Hier finden Sie weitere Rezepte aus der Serie "Mulacks neue Berliner Küche"
Teil 1: Königsberger Klopse
Teil 3: Hackepeter Deluxe
Teil 4: Senfeier mit marinierter Bete
Teil 5: vegetarische Soljanka