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Schild an Zaun mit der Aufschrift: Abklärungsstelle Corona-Virus, Eingang.
© Christophe Gateau/dpa
Exklusiv

Quarantäne verlängert: Zweiter Corona-Fall an Sophie-Scholl-Schule in Schöneberg

Lehrer und Schüler der Sophie-Scholl-Schule müssen bis 25. März zu Hause bleiben. Es war die erste Berliner Schule, die vollständig in Quarantäne musste.

Mehr als 1200 Schüler und Lehrer in Quarantäne seit Donnerstag: Als erste in Berlin schloss die Sophie-Scholl-Schule in Schöneberg am Donnerstag vergangener Woche komplett, weil sich ein Mitglied des Kollegiums mit Corona infiziert hatte. An diesem Montag meldete das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg den Betroffenen einen zweiten Fall. Das Amt hat nun die Quarantäne bis 25. März verlängert.

Da beide Infizierte noch kurz vor der Schließung der Schule in Schulkonferenzen und Gemeinschaftsräumen eng mit Lehrerinnen und Schülerinnen zusammengesessen hatten, gehen viele im Kollegium von zahlreichen weiteren bisher unerkannt Infizierten aus. Und weil die Quarantäne außerdem nur das Schul-Kollegium und die Schüler selbst erfasste, könnte das Virus über deren enge Familienangehörige weiter verbreitet worden sein in den letzten Tagen.

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Das Beispiel zeigt, dass auch deshalb die immer weiter reichenden Einschränkungen des Öffentlichen Lebens sinnvoll sind, um die Ausbreitung der Pandemie in Berlin zu bremsen.

Bezirk: „Labordiagnosen nur bei Symptomen“

Gesundheitsstadtrat Oliver Schworck (SPD) sagte auf Anfrage: „Während der Quarantäne wird nur im Fall von Symptomen eine Labordiagnose durchgeführt“. Erst wenn sich die Corona-Infektion bei einem der Schüler oder Lehrer bestätige, müssten auch deren Familienangehörige in Quarantäne.

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„Eine vorsorgliche Quarantäne der Kontakte von Kontaktpersonen ist nicht vorgesehen“. Alles andere würde auch die Kapazitäten der Ämter überfordern. Im Gesundheitsamt von Tempelhof-Schöneberg sei ein „Krisenstab“ aufgebaut worden, verstärkt um Mitarbeiter anderer Verwaltungen.

„Das Gesundheitsamt ist täglich mit zwei Teams im Bezirk unterwegs, um Testungen symptomatischer Personen, die in Quarantäne sind, durchzuführen“. So könnten die „tagesaktuellen Bedarfe zurzeit gedeckt werden“.

Mehr Informationen zu Corona in Berlin

Keinen Fuß vor die Haustür gesetzt seit fünf Tagen - Klassenlehrerin Constanze Wenzel ist seit Freitag in Quarantäne. Gestern brachte eine Freundin das Mittagessen vom Vietnamesen mit. Vorgestern ihr Sohn Nudeln mit Tomatensoße. Es hilft, dass sie viele Freunde im Akazienkiez hat. Enge Vernetzung bei gebotener körperlicher Entfernung: Freunde und Familie stellen die Einkäufe hin, „wir bleiben auf Abstand und plaudern noch etwas“. Dann schließt sich ihre Tür zur Außenwelt wieder.

Gesundheitsamt „Unterbringung in geschlossenem Krankenhaus“ droht

Und dann „muss man sich schon aufraffen und strukturieren, um nicht zu verschlonzen“, sagt sie. Da helfe der Chatkontakt im Kollegium. Aber die Anweisungen der Ämter sind strikt: Lehrer und Schüler dürfen die Wohnung nicht verlassen und keinen Besuch empfangen.

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Sie sind „verpflichtet zwei Mal täglich Fieber zu messen, ein Tagebuch bezüglich Symptome, Temperatur, allgemeinen Aktivitäten zu führen“. Bei erhöhter Temperatur von 37,5 Grad oder „unspezifischen Allgemeinsymptome oder akute respiratorische Symptome jeder Schwere (z.B. Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, Kopf – oder Gliederschmerzen etc.)“ müssen sie das Bezirksamt kontaktieren. Andernfalls droht „die Unterbringung in einem geschlossenen Krankenhaus“. Die vom dem Virus ausgehende Gefahr für die Bevölkerung wiege schwerer als die „Freiheit der Person“, heißt es in dem Schreiben.

Wie Bezirk und Lehrer reagieren

  • Nur Kontaktpersonen kommen in Quarantäne - deren Verwandte nicht
  • Eine Lehrerin erzählt von der Quarantäne: Aufrappeln trotz Isolation
  • IT der Schule hat eigene Online-Plattform, die wird nun richtig hilfreich
  • Tests gibt es nur, wenn Betroffene in Quarantäne Symptome melden
  • Für den Krisenstab zog Bezirk Personal aus anderen Abteilungen ab
  • Das persönliche Netzwerk fängt auf, bleibt aber auf Abstand

Constanze Wenzel hat sich eingerichtet und den schulischen Notbetrieb aus der Quarantäne wieder aufgenommen. Und da hilft eine gute IT-Abteilung. „Unsere IT-Leute hatten lange vor Corona die Plattform ‚Bolle‘ für unsere Schule entwickelt“. Bisher waren dort nur Schulnoten und Fehlzeiten von allen Lehrern zentral eingetragen worden.

Die Schüler laden sich nun die Aufgaben runter

Jetzt wird das Portal geöffnet für die Schüler, die dort in Gruppen den Kursen zugeteilt werden. Über „Bolle“ laden die Schülerinnen das Material runter und können über eine Kommentarfunktion in dem Programm auch mit den Lehrerinnen kommunizieren.

Am Montag hatten sich 400 Schüler dort registriert und 500 Aufgaben per Download auf ihre Rechner geladen. Ein Drittel am ersten Tag anwesend im Fernunterreicht – „das lässt sich gut an“, findet die Klassenlehrerin. Zumal einige Kollegen das Material auch auf herkömmlichen Wege per Mail verschicken, also die Zahl der mit Lernstoff versorgten Schüler noch höher ist.

Dass der Start in den kollektiven Berliner Notbetrieb bei den Ämtern schon mal holpert, findet Constanze verständlich. Die Gesundheitsämter müssten ihr Personal erst Mal rekrutieren. Die Hotline habe sie auch nach 20 Anrufen nicht erreicht. Dafür fließen die Informationen aus dem Kollegium Online.

Und da die Öffentlichen Rundfunkanstalten ihr Bildungsangebot auf die Krise eingestellt haben und um Schulsendungen erweitert haben, wird sie ihren Unterricht mit Filmmaterial aufpeppen oder auch die täglichen Podcasts vom Chef-Virologen der Charité im NDR ins Spiel bringen.

„Am Schlimmsten trifft es noch unsere Schüler“, sagt sie. Diese sollten kommenden Woche zu einem Schüleraustausch nach Alicante aufbrechen. Per Whatsapp hatten die ihre Gastfamilien in Spanien kennen und schätzen gelernt. „Erst letzten Dienstag hatten wir mit den Kontaktlehrern gesprochen und durchaus mit der Reise geplant“, sagt die Lehrerin. Aber das erscheine ihr nun wie eine Erinnerung aus einer lange vergangenen Zeit.

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