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Raus aus der Schule, rein ins digitale Klassenzimmer - auch am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Wilmersdorf.
© Susanne Vieth-Entus

Schulschließungen wegen Coronavirus: Wie es um den digitalen Unterricht in Berlin steht

Extrem diffus ist die Ausgangslage der Schulen beim notwendigen Wechsel auf Lernplattformen. Jetzt muss alles ganz schnell gehen – klappt das?

Was nun? Das prangt als Ausgangsfrage über Berlins wichtigster Lernplattform: Quasi über Nacht wurde der vom Land finanzierte und von Lehrern organisierte digitale „Lernraum Berlin“ zum wichtigsten Schulinstrument, um die Zeit der Coronavirus-bedingten Auszeit zu überbrücken. Aber was geht dort überhaupt und was gibt es für Alternativen in diesen Zeiten, da allein in Berlin mehr als 400.000 Schüler aus ihren Schulen ausgesperrt sind, um die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen?

Die Ausgangslage ist extrem diffus. Neben Schulen, die noch komplett analog arbeiten, gibt es andere, die schon vor Jahren damit begonnen haben, ihre Lern- und Arbeitsabläufe zu digitalisieren.

Aber selbst jene, die schon weit fortgeschritten sind, werden angesichts ihrer geschlossenen Schulen „nochmal eine steile Lernkurve hinlegen“, erwartet Nico Wirtz vom John-Lennon-Gymnasium in Mitte, obwohl seine Schule sogar die Titel "Smartschool" sowie „Exzellente digitale Schule“ trägt.

[Was in Berlin zu und gesperrt ist, wie der Regierende die Stadt auf die kommenden Wochen einstimmt – und die aktuellsten Zahlen zu den Infizierten. Das lesen Sie hier im Coronavirus-Blog für Berlin]

An anderen Schulen dürfte die Lernkurve also noch wesentlich „steiler“ werden müssen, um alle Schüler zu Hause mit Material versorgen und mit allen Schülern auch digital oder in Videokonferenzen kommunizieren zu können.

Viele Lehrer meiden bisher die Berliner Lernplattform

Um zu verstehen, wie weit Berlins öffentliche Schulen noch davon entfernt sind, die Zwangsferien lerntechnisch gut zu überstehen, reicht ein Blick auf die Zahlen. Eine davon: Im „Lernraum Berlin“ sind bisher erst rund 7500 Lehrer angemeldet von mehr als 33.000.

Allerdings gehören sie laut Bildungsverwaltung zu Kollegien von rund 480 Schulen, was wiederum bedeutet, dass zwei Drittel der öffentlichen Schulen zumindest einen Fuß in der Tür haben.

Karsten Bergmann leitet den "Lernraum Berlin".
Karsten Bergmann leitet den "Lernraum Berlin".
© privat

Der gefragteste Mann im „Lernraum Berlin“ ist Karsten Bergmann. Der Lehrer sitzt sozusagen rund um die Uhr im naturwissenschaftlichen Trakt des Wilmersdorfer Friedrich-Ebert-Gymnasiums, um nicht nur seine eigenen Schüler in den Lernraum einzuweisen, sondern auch die Fragen unzähliger Kollegen zu beantworten. Denn anders als mancher annimmt, steckt hinter der Plattform kein riesiger Apparat von Pädagogen und Softwarefachleuten: Die Hauptarbeit verrichten acht Lehrkräfte, die für ein paar Stunden vom Unterricht freigestellt sind, um den „Lernraum“ zu entwickeln. Was sie in den Schulen vorfinden, ist sehr unterschiedlich: „Das Spektrum reicht von kleinen Gruppen von Lehrkräften bis hin zur ganzen Schule“, betont Bergmann.

„Ziel ist es, mit wenig Verwerfungen durch diese Zeit zu kommen“

Manche nutzten die Plattform eher für die Schul- und Unterrichtsorganisation, andere würden die Schüler stärker einbeziehen. Jetzt gehe es darum, dass alle Schüler einen Zugang bekommen und dort auf die Aufgaben zugreifen können, die ihnen ihre Lehrer gruppenweise zur Verfügung stellen. „Ziel ist es, mit wenig Verwerfungen durch diese Zeit zu kommen“, fasst Bergmann sein Anliegen zusammen, während die Schüler ihn mit ihren Fragen umlagern.

Das Rosa-Luxemburg-Gymnasium informierte am Montag auf seiner Homepage über die Aktivitäten hinsichtlich der Lernplattform.
Das Rosa-Luxemburg-Gymnasium informierte am Montag auf seiner Homepage über die Aktivitäten hinsichtlich der Lernplattform.
© Screenshop: sve

Dass nicht alle Schüler zu Hause einen Laptop oder ein anderes Endgerät haben, sei kein Hinderungsgrund, sagt Bergmann. Wer darauf warte, werde gar nicht erst anfangen können: ein einfacher Einstieg kann über heruntergeladene Arbeitsblätter erfolgen, die bearbeitet und über schnelles Abfotografieren wieder abgegeben werden können.

Eine Million Online-Zugriffe statt 50.000

Die Kommunikation läuft über das Smartphone mittels der Lernraum App. Wie all dies im Einzelnen ablaufen kann, findet sich auf der „Corona-Seite“ des „Lernraum“ – und zwar sowohl für Einsteiger ohne Vorkenntnisse als auch für Lehrer, die schon länger engagiert sind. Und die Nachfrage steigt rapide: Über eine Million Zugriffe auf die Seite von eingeloggten Nutzern habe es allein am Sonntag gegeben, berichtete Bergmann am Montag. Früher waren das rund 50.000 Zugriffe.

Schule nach dem 17. März: Für viele Wochen blieben die Klassenzimmer verweist.
Schule nach dem 17. März: Für viele Wochen blieben die Klassenzimmer verweist.
© Kay Nietfeld/dpa

Die "Smartschool" fühlt sich gut vorbereitet

„Das ist für viele eine Expedition ins Neuland“, sagt Nico Wirtz, der am John-Lennon-Gymnasium das digitale Lernen verantwortet. Das basiert dort nicht auf dem für die Schulen kostenlosen „Lernraum Berlin“, sondern auf der kommerziellen Plattform „Itslearning“: Die Schule zahlt pro Schüler und Lehrer sieben Euro pro Jahr und erhält dafür Zugriff auf eine betreute Lernplattform, die anders organisiert ist als der „Lernraum“.

Das bedeutet etwa, dass die Schule nicht warten muss, bis alle sich zu einer Anmeldung überwunden haben: Jeder bekommt schon mit dem Eintritt in die Schule automatisch seinen Zugang zur Plattform. Die Schüler müssen auf dem Smartphone nur die Itslearning-App herunterladen, um auf das Lernmaterial zugreifen zu können. Zudem laufe die gesamte schulinterne Kommunikation über die Plattform.

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Das John-Lennon-Gymnasium sei durch „Itslearning“ eine der „wenigen Schulen in Berlin, die für die temporäre Umstellung auf Fernunterricht gut vorbereitet ist“, heißt es selbstbewusst auf der Schul-Homepage. Wenn ab Dienstag die Schüler zu Hause lernen sollen, würden themenbasierte Chatforen eingestellt, „damit die Schüler ihre Lernprozesse untereinander besprechen können“, beschreibt Wirtz den nächsten Schritt.

Eine andere Realität - in anderen Regionen

Für eine Menge Schulen liegt all das aber noch in weiter Ferne: „Unsere Schüler sind nicht so selbstorganisiert, dass sie jetzt wochenlang die Aufgaben zu Hause abarbeiten“, steht für Detlef Pawollek, den Leiter der Neuköllner Röntgen-Sekundarschule, fest. Vielen fehle zu Hause nicht nur ein Computer, „sondern auch Ruhe zum Lernen“. Allerdings werde man wohl auf der Homepage der Schule frühere Aufgaben für den Mittleren Schulabschluss einstellen, damit sich die Zehntklässler vorbereiten könnten.

Darüber hinaus können Eltern und Schüler allerdings auch jede Menge spielerische Lernangebote im Netz finden.

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