Berliner Senat: Zwei Jahre rot-rot-grüne Klientelpolitik
Am 8. Dezember 2016 nahm der rot-rot-grüne Senat in Berlin seine Arbeit auf. Was hat die Landesregierung seitdem getan? Eine persönliche Abrechnung.
Vor vielen Jahren, als die CDU noch witzig war, hat sie nach einer verlorenen Berliner Wahl mal Autoaufkleber verteilt, auf denen sinngemäß stand: Jammert mir nichts vor, ich habe CDU gewählt. Nach zwei Jahren rot-rot-grünen Regierens in der Hauptstadt würde sich so etwas erneut aufdrängen. Nur hängt die CDU knietief mit drin, weil das ganze aktuelle Desaster der Senatsarbeit eine Vorgeschichte hat, an der auch die Christdemokraten ein paar Jahre beteiligt waren.
Vielleicht ist es auch deshalb so relativ ruhig, vielleicht wollte auch deshalb niemand die Vorlage des bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Söder verlängern, der „Bundesländer wie Berlin“ kürzlich als „Resterampe der Republik“ schmähte. Und auch der unberechenbare Grüne Boris Palmer war eventuell nicht der beste Kronzeuge der Anklage mit seinem Befund, er fühle sich bei der Einreise immer, als verlasse er den „funktionierenden Teil Deutschlands“ – das fanden sie oben bei seinen Grünen alles andere als lustig. Wobei er ja nicht sehr falsch lag.
Geld ist da, aber das Pech hängt fest
Wo stehen wir in Berlin nach zwei Jahren R2G? „Erst war kein Geld da“, ließe sich in Abwandlung einer Rudi-Völler-Erkenntnis sagen, „und dann kam auch noch Pech dazu“. Nun ist zwar wieder Geld da, aber das Pech hängt fest, siehe BER, und es kommen eben auch noch Unvermögen dazu und die Selbstfesselung durch eine in Berlin noch nie so offensichtlich exekutierte Klientelpolitik, die sich zudem nahezu vollständig auf die Probleme der Gegend innerhalb des S-Bahn-Rings konzentriert; nicht nur im CDU-dominierten, also grundsätzlich missliebigen Reinickendorf sprechen sie sarkastisch vom „Innenstadtsenat“.
Nehmen wir die Wohnungsbaupolitik: Sie kapriziert sich darauf, Investoren zwischen Bezirken, Senatsverwaltung und anderen Behörden so lange herumzuschicken, bis sie entnervt hinschmeißen und gern noch irgendwas hinterher gehöhnt bekommen. Parallel lässt sich der grüne Kreuzberger Baustadtrat dafür feiern, dass er mit Steuergeldern Häuser kauft, was keine einzige zusätzliche Wohnung bringt, aber den Beifall all jener, die eine haben. Die Idee, dass eine florierende Wirtschaft den Armen eventuell auf lange Sicht doch hilft – sie wird in diesem Senat nicht gedacht. Nebenbei: Die FDP wirkt nach dem sinnlosen Sieg ihrer abwegigen Tegelretter-Kampagne auch reichlich abwesend...
Das für jeden Berliner und viele Touristen offensichtlichste Versäumnis betrifft den öffentlichen Nahverkehr. Die dort herrschenden katastrophalen Zustände, die überfüllten, immer weniger pünktlichen Busse, U- und S-Bahnen sind keine Erfindung des aktuellen Senats.
Die Probleme mit dem ÖPNV gehen auf die Ära Wowereit zurück
Sie gehen ganz offensichtlich auf Versäumnisse der Ära Wowereit zurück, der zwar sparen wollte (und musste), „bis es quietscht“, aber viel zu spät umgesteuert hat. Folge: Das Quietschen tönt längst lauter als alle Versuche, den Karren aus dem Dreck zu ziehen; es gibt sie ja, aber das dauert. Möglicherweise ist die von den Grünen zur Verkehrssenatorin erwählte Klimaexpertin auch deshalb so dezent beim Umsteuern, weil sie ganz genau weiß, dass bei entschlossenem Vorgehen gegen den Autoverkehr der komplette ÖPNV sofort und irreparabel zusammenbrechen würde.
Kaum irgendwo ist der Befund nach zwei Jahren R2G-Regierens positiv. Zugegeben, es gibt Besserungen, sogar an den Schulen, wo Michael Müller und die Seinen offenbar begriffen haben, wie wichtig es ist, die zuständige Senatorin immer wieder entschlossen zum Jagen zu tragen. Auch in der Innenpolitik scheint sich die Lähmung langsam zu lockern.
Entschlossenes Einschreiten gegen die Clan-Kriminalität wäre zwar auch vor zehn Jahren schon denkmöglich gewesen, nur hatte da kein Verantwortlicher Bock drauf – das hat sich unter dem Druck der Öffentlichkeit wundersam verändert. Ob es aber auch wirkt oder zum riesigen Windei wird, muss sich erst noch zeigen. Die Berliner kennen solche Spiele von den Busspuren, die auch alle zwei Jahre einmal mit viel Bohei geräumt werden, bis der Elan nach ein paar Tagen verpufft.
Immerhin gibt es jetzt im Gefängnis Internet
Justizsenator Behrendt pflegt die ganz ruhige Gangart. Alle paar Wochen gehen ein paar Häftlinge verloren, Gott ja, sagt er dann, sind halt alte Knäste. Hausbesetzer aus der Rigaer dringen in die Justizverwaltung ein, bedrohen einen Abteilungsleiter in dessen Büro, und der Senator behandelt das, als seien ein paar Essensmarken in der Kantine geklaut worden. Zufrieden twittert er über sein „antifaschistisches Feierabendbier“, und es sind Zweifel angebracht, ob das Ironie ist oder doch eher demonstrative Szenenähe. Immerhin gibt es jetzt im Gefängnis Internet.
Klientelpolitik wie aus dem Lehrbuch ist auch die Sache mit dem Feiertag. Die Bürger insgesamt, deren Beteiligung an allem und jedem doch allen drei Parteien eine Herzenssache ist, wurden gar nicht erst gefragt, ob es denn eine Mehrheit dafür gebe, die altsozialistischen Herzen am freien Frauentag zu wärmen – das wurde einfach mal so gemacht, die SPD vornweg.
Nein, Berlin ist nicht Kalkutta, man soll nicht übertreiben. Es gibt vieles, was recht gut funktioniert. Nur hat man leider sehr selten den Eindruck, dass das unmittelbar auf die Arbeit des amtierenden Senats zurückzuführen ist.
Bernd Matthies