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Der öffentliche Nahverkehr in Berlin ist überfordert.
© Reuters

Berliner Nahverkehr: Kaputt gespart

Nicht die S-Bahn steckt in der Krise – es hat den gesamten Nahverkehr Berlins erwischt. Bevor man neue Strecken plant, sollte das heutige Netz erst einmal funktionieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Klaus Kurpjuweit

Ziel erreicht: Es quietscht. Und wie! Tausende von Wohnungen fehlen, Neubauten lassen auf sich warten. Die Feuerwehr muss weiter mit uralten Fahrzeugen löschen und retten, die Polizei hat viel zu wenig Beamte für die längst größer gewordene Stadt. Und bei Bahnen und Bussen gehören Verspätungen und Ausfälle zum Alltag. Überall. Die BVG hat nur Glück, dass alle über die S-Bahn schimpfen und sie ihre Probleme gerade noch einigermaßen kaschieren kann. Wie sehr es auch im kommunalen Unternehmen hakt, hat vor kurzem ein „Brandbrief“ von Straßenbahn-Mitarbeitern gezeigt, der zahlreiche Missstände aus Sicht der Beschäftigten aufdeckte. Nicht die S-Bahn steckt immer noch in der Krise – es hat den gesamten Nahverkehr der Stadt erwischt.

Dass der Bahnkonzern jetzt ein 180-Punkte-Programm aufs Gleis gestellt hat, mit dem die S-Bahn besser werden will, zeigt doch nur, dass es 180 Punkte gibt, bei denen man bisher schlecht war. Dass Weichen und Signale häufig ausfallen, ist seit Jahren bekannt. Doch erst jetzt kommt man auf die Idee, sie häufiger zu kontrollieren oder Kabel einzubauen, die auf dem neuesten Stand der Technik sind. Umgesetzt sein soll das Programm zudem erst 2025. So lange sollen Fahrgäste noch mit Mängeln leben. Unfassbar. Vorbei die Zeiten, als Berlin ein Sinnbild für Tempo war.

Dank gut ausgehandelter Verträge macht die S-Bahn bilanzmäßig schon wieder seit mehreren Jahre hohe Gewinne, die der Konzern einsteckt. 71,2 Millionen Euro waren es zuletzt. 30 Millionen Euro will die Bahn nun in ihre „Qualitätsoffensive“ packen, verteilt auf sieben Jahre. Das reicht nicht. Die Summe muss erhöht werden, damit es schneller geht. Geld ist schließlich vorhanden; aufgebracht von Fahrgästen und Steuerzahlern. Dafür muss die Bahn liefern. Sofort.

Züge werden dringend gebraucht

Eine schnelle Lieferung braucht auch die BVG. Weil der Senat jahrelang kein Geld herausrückte, ist der Fahrzeugbestand bei der U-Bahn überaltert; neue Züge werden dringend gebraucht. Mit einem kleinen Trick, der nach EU-Recht wohl zulässig ist, will die BVG nun schnell an die notwendigen Wagen kommen – und wird ausgerechnet von Siemens daran gebremst. Der Konzern, einst in Berlin gegründet, ist vor Gericht gezogen und macht den Berlinern das Fahren schwer. Dabei ist die Lösung intern bereits gefunden, aber noch immer sucht man Wege, wie man gesichtswahrend aus der Sache herauskommt. Auch hier läuft langsam die Zeit davon. Das ist beschämender als die Klage.

Und wo bleibt das Beschleunigungsprogramm für Busse und Straßenbahnen? Auch die seit Ende 2016 von den Grünen verwaltete Senatsverkehrsverwaltung hat hier nichts Erkennbares vorangebracht. Selbst beim Ausbau des Radverkehrs, Kernpunkt ihrer Verkehrspolitik, strampelt sie dem Zeitplan gewaltig hinterher. Busse allerdings stehen weiter im Stau, Straßenbahnen stauen sich vor Ampeln, weil die versprochenen Vorrangschaltungen einfach nicht kommen.

Aber weiter: Die Doppeldeckerbusse, fahrende Wahrzeichen der Stadt, sind in die Jahre gekommen und müssten ersetzt werden. Auch hier hat man viel zu spät geschaltet, und jetzt müssen die Fast-Oldtimer aufwendig instandgesetzt werden. Weil sie im Betrieb dann fehlen, fallen Fahrten eben aus. Fahrgäste müssen teilweise eine Stunde auf einen Bus warten. Und seit einer gefühlten Ewigkeit fallen im Regionalverkehr der Bahn am Wochenende fast regelmäßig Fahrten aus, weil Lokführer sich krank melden. Wie an diesem Wochenende. Abhilfe? Nicht in Sicht.

Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge. Bevor man sich daran macht, neue Strecken zu planen, muss gewährleistet sein, dass das heutige Netz funktioniert. Die Vorplaner haben es großzügig konzipiert. Zu viel von dem einstigen weltweiten Vorbild ist kaputt gespart worden. Nun muss es wieder ans Laufen gebracht werden – mit Geld und mit Ideen. Dass sollte sogar in Berlin möglich sein.

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