Berlin-Schelte des Tübinger Oberbürgermeisters: "Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands!"
Boris Palmer kommt mit Berlins "Mischung aus Kriminalität, Drogenhandel und Armut" nicht klar. Für Jürgen Trittin ist er ein "schwäbischer Wutbürgermeister".
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) fühlt sich nach eigenen Angaben in Berlin schwer verunsichert. „Wenn ich dort ankomme, denke ich immer: „Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Seiner Ansicht nach klappt einfach gar nichts in dieser Stadt. „Ich komme mit dieser Mischung aus Kriminalität, Drogenhandel und bitterer Armut auf der Straße als spießbürgerliche baden-württembergische Grünen-Pflanze schlicht nicht klar. Ich will diese Verhältnisse in Tübingen nicht.“
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller nannte Palmers Aussage einen „Generalangriff auf die Hauptstadt, der weder sachgerecht noch parteipolitisch zu erklären ist“. Palmer arbeite in einer dörflichen Struktur, die hier nicht zu finden sei, sagte er nach der Senatssitzung am Dienstag.
Die Grünen würden sich am liebsten nicht mehr mit Boris Palmer befassen. Auch nicht in Berlin. Viele winken ab und lehnen jeglichen Kommentar ab. „Typisch Palmer“, sagen grüne Parteifreunde. „Den nehme ich schon lange nicht mehr ernst“, sagt eine andere Grünen-Politikerin. Zumindest offiziell reagiert der Grünen-Landesvorsitzende Werner Graf die Äußerungen von Palmer zu Berlin. „Ich möchte das nicht weiter kommentieren. Das ist eine typische Provokation von Palmer. Es geht ihm nicht mehr um Inhalte“, sagte Graf dem Tagesspiegel.
Ramona Pop: "Niemand zwingt Dich, nach Berlin zu kommen"
Auch Renate Künast ist auf Palmer nicht gut zu sprechen. „Als Berlinerin kann ich nur sagen: Was hier anders werden muss, wissen wir selber. Immerhin wird man hier nicht nichts von hyperventilierenden Bürgermeistern angemacht. Das steigert das Sicherheitsgefühl erheblich“, sagte sie dem Tagesspiegel. Verteidigt wurde die Hauptstadt auch von Jürgen Trittin. „Das Bild, das Boris Palmer von Berlin zeichnet, ist genauso falsch wie das Bild, das der Prenzlauer Berg von den Schwaben hat, nur weil es solch einen schwäbischen Wutbürgermeister gibt“, sagte er dem Tagesspiegel. „Nicht alle Schwaben sind so.“
Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop kommentierte Palmers Äußerung im Kurznachrichtendienst Twitter: „Lieber Boris Palmer, niemand zwingt Dich, nach Berlin zu kommen", schrieb sie am Dienstag. „Wenn Du Metropole, Vielfalt, Tempo und Lebenslust nicht erträgst, kannst Du woanders die Kehrwoche zelebrieren und Dich als Hilfssheriff blamieren.“ Kritik kam auch von Seiten der Berliner SPD und CDU.
Palmer bekräftigte am Dienstag auf seiner Facebook-Seite seine Berlin-Vorwürfe. „Zu meiner Kritik stehe ich. BER. S-Bahn. Öffentliche Schulen. Sicherheit auf Plätzen. Völlig überlastete Ämter und zig Milliarden Schulden“, schreibt er dort. Berlin sei ein „failing state“ – und diese Aussage sei nicht mal von ihm. Gerade eben habe Kreuzberg es geschafft, ein Gründerzentrum von Google zu vertreiben. „Wer da leben will, soll es tun. Ich will es nicht und stehe dazu“, schreibt er dort weiter.
Seine Äußerungen will er aber nicht in erster Linie als Kritik an den mitregierenden Grünen in der Hauptstadt verstanden wissen. Von 2011 bis 2016 habe die CDU mit Frank Henkel den Innensenator in Berlin gestellt, schreibt Palmer. Seit 2005 stelle die CDU außerdem die Kanzlerin und den Innenminister. Es sei „ziemlich billig“, daraus Parteipolitik zu machen.
Zuletzt war Palmer in den Schlagzeilen, weil er in Tübingen mit einem Studenten aneinandergeriet und dessen Personalien aufnehmen wollte. Als dieser sich weigerte, soll Palmer den Studenten und dessen Begleiterin fotografiert haben. Die Begleiterin zeigte Palmer daraufhin wegen Nötigung an. Auch mit einer Wahl-Satire über einen angeblichen Rücktritt von Angela Merkel (CDU) und Host Seehofer (CSU) von ihren Ämtern hatte Palmer für Irritation gesorgt. (mit dpa)
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