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Blaues Wunder.
© dpa

Nach der Berlin-Wahl: Zu rechts für die AfD

Der umstrittene Direktkandidat Nerstheimer wird der neuen Fraktion nicht angehören. Zum Vorsitzenden wurde Spitzenkandidat Pazderski gewählt. Nun beginnt die Suche nach Mitarbeitern.

Die Berliner AfD hat in der Nacht zum Donnerstag ihre neue Fraktion für das Abgeordnetenhaus gegründet. Der Spitzenkandidat Georg Pazderski wurde von den 24 Fraktionsmitgliedern zum neuen Vorsitzenden gewählt. Zu seinen Stellvertretern wurden Kristin Brinker, Karsten Woldeit und Ronald Gläser bestimmt. Parlamentarischer Geschäftsführer ist Frank-Christian Hansel. Das gab der Vize-Landesvorsitzende Hugh Bronson nach dem Treffen bekannt.

Nicht mehr dabei ist der umstrittene Lichtenberger Direktkandidat Kay Nerstheimer. Er hatte seinen Parteikollegen bereits am Dienstag mitgeteilt, dass er freiwillig auf die Zugehörigkeit zur Fraktion verzichtet. Laut Parteisprecher Ronald Gläser hatte Nerstheimer etwa zwei Stunden lang seine Erklärung ausgeführt und sei dann gegangen. Beim Treffen am Mittwoch war er schon nicht mehr dabei. Damit ist er einem Fraktionsausschluss zuvorgekommen, der laut Pressesprecher Gläser bereits diskutiert wurde. Nerstheimer war 2011 noch für die Partei „Die Freiheit“ zu den Bezirkswahlen angetreten.

Nerstheimer kam der Fraktion zuvor

Wie berichtet, war er Mitglied in der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Gruppierung „German Defence League“ und äußerte sich über die sozialen Medien mehrfach ausländerfeindlich und homophob. Er wird laut Parteisprecher Gläser nun voraussichtlich als unabhängiger Abgeordneter in das Berliner Landesparlament einziehen. Für Rückfragen stand er dem Tagesspiegel nicht zur Verfügung.

Nerstheimer ist allerdings nicht der Einzige, der in sozialen Medien durch hetzerische Kommentare auffällt. Auch die Direktkandidatin aus dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf 3, Jessica Bießmann, schlägt auf Facebook einen radikalen Ton an. Auf ihrem Profil forderte sie unter anderem „Mehr Kinder statt Zuwanderung“. Als ihr Parteikollege Lutz Urbanczyk im April in einem Beitrag auf ihrem Profil die Todesstrafe für Kinderschänder forderte, klickte sie ebenfalls „Gefällt mir“.

Kay Nerstheimer hat darauf verzichtet, der künftigen AfD-Fraktion anzugehören.
Kay Nerstheimer hat darauf verzichtet, der künftigen AfD-Fraktion anzugehören.
© promo

Die Mutter von drei Kindern hatte schon im Wahlkampf Familienpolitik zu ihrem Thema gemacht. Auf Facebook folgt die 34-Jährige darüber hinaus dem Blog „Einwanderungskritik“, der von Felix Menzel verwaltet wird – einer Schlüsselfigur der rechtsextremen Identitären Bewegung in Deutschland. Screenshots mit noch weitaus radikaleren Äußerungen von Bießmann kursieren derzeit auf Facebook. Sie zeigen antisemitische und rechtsextremistische Beiträge, die aber auf dem Profil der künftigen Abgeordneten am Donnerstag nicht mehr zu finden waren.

Auch andere Kandidaten fallen durch fremdenfeindliche Äußerungen auf

Neben Bießmann fällt auch Gunnar Lindemann in den sozialen Netzwerken auf. Der Direktkandidat des Bezirks Marzahn-Hellersdorf 1 interessierte sich unter anderem für eine Demonstration der NPD und ist Mitglied der Gruppen „Kameraden vereinigt euch, gemeinsam sind wir stark“ oder auch „Verabschiedungskultur“, in denen nationalistische und antisemitische Inhalte offen geteilt werden. Telefonisch stand die AfD Marzahn-Hellersdorf nicht für Rückfragen zur Verfügung.

Die 24 Mitglieder der Fraktion wollen so schnell wie möglich ihre Räume im Abgeordnetenhaus beziehen. Das kann allerdings noch mehrere Wochen dauern. So lange nimmt die Partei ein weiteres Vorhaben in Angriff: die Personalsuche. „Der Hunger nach guten Leuten ist groß“, sagte Sprecher Gläser am Donnerstag. Dafür wolle er sich auch bei Mitarbeitern der anderen Parteien umhören. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir sogar Mitarbeiter der Piratenpartei übernehmen“, sagte Gläser, „wenn da jemand seinen Job verliert und Einblicke hat, die wir gebrauchen können, warum nicht“. Die Fraktion trifft sich voraussichtlich wieder am Dienstag.

Lisa McMinn

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