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Durchatmen - in Berlin entstanden im vergangenen Jahr so viele Wohnungen wie seit den 1990er nicht mehr.
© dpa/Bernd von Jutrczenka
Update

Stadtentwicklung: Zahl fertiggestellter Wohnungen in Berlin auf Rekordhoch

Fast 16.000 neue Wohnungen stellten Berliner Bauunternehmen im vergangenen Jahr fertig. Das waren knapp 15 Prozent mehr als 2016. Bei den Baugenehmigungen gab es zuletzt aber einen Einbruch.

In Berlin entstehen so viele neue Wohnungen wie seit den 1990er Jahren nicht mehr - und trotzdem reichen die fertig werdenden Objekte bei weitem nicht aus um den Mangel an Wohnraum in der wachsenden Stadt zu decken. Die bereits im Jahr 2016 um fast ein Drittel gestiegene Zahl der Fertigstellungen von Wohnungen, ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen um 14,7 Prozent auf 15.669 Wohnungen.

Fast ein Drittel sind Eigentumswohnungen

Wie das Amt für Statistik mitteilt sind 30,7 Prozent der neu geschaffenen Wohnungen Eigentumsobjekte. Der weit überwiegende Teil der Nachfrage besteht allerdings nach günstigen Mietwohnungen, weil die Kaufkraft der Berliner deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt und auch der Zuzug von Neu-Berlinern weit überwiegend aus wirtschaftlich schwachen Ländern Ost-Europas stammt oder aus Kriegs- und Krisengebieten. Aber immerhin geht der Anteil der neu gebauten Eigentumswohnungen zurück gegenüber dem Vorjahr, von über 42 Prozent auf rund 30.

Lichtenberg wächst am stärksten

Die meisten zusätzlichen Wohnungen entstanden in den Bezirken Lichtenberg (2544), Mitte (2510) und Treptow-Köpenick (2097). Am wenigsten Wohnraum schaffen die Bauträger in Tempelhof-Schöneberg (311), Spandau (405) sowie Reinickendorf (607) und Neukölln (639). Bemerkenswert sind auch die drastischen Verschiebungen unter den bauwilligen Bezirken in der Stadt: Ausgerechnet in Friedrichshain-Kreuzberg, das durch Ausübung des Vorkaufsrechts und harten Verhandlungen mit Bauträgern Schlagzeilen macht, hat sich außerdem auch die Zahl der fertig gestellten Neubau-Wohnungen mehr als verdoppelt gegenüber dem Vorjahr. Weniger wird dagegen in Pankow gebaut (-28,8 Prozent), in Steglitz-Zehlendorf (-30,2) und Treptow-Köpenick (-23,5). Weil Bauland in der Stadtmitte so teuer geworden ist, die Mieten längst aber auch in den Randbezirken kräftig steigen, weichen die Entwickler nun sogar nach Marzahn-Hellersdorf aus: Dort verdoppelte sich fast die Zahl der neu gebauten Wohnungen gegenüber dem Vorjahr (plus 93,2 Prozent).

Starker Rückgang bei Eigenheime und Bauvorhaben

Kräftig zurückgegangen ist der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern in der Stadt: um 21,1 Prozent auf 1377 Häuser. Auch die Zahl der Bauvorhaben, in denen die Wohnungen entstehen, ist rückläufig: 203 Wohnobjekte waren es insgesamt. Diese Zahl lässt darauf schließen, dass im vergangenen Jahr größere Wohnhäuser entstanden mit kleineren Wohnungen, denn auch die neu entstandene Nutzfläche stieg bei weitem nicht so stark (plus 8,4 Prozent) wie die Zahl der Wohnungen.

Senatorin Lompscher: "Wir sind auf einem gutem Weg"

Berlins Senatorin für Stadtentwicklung Katrin Lompscher (Linke) bewertete die Neubauzahlen so: "Wir sind auf einem guten Weg." Besonders erfreulich sei die hohe Steigerungsrate beim Geschosswohnungsbau. "Damit wächst das Segment am stärksten, das wir in Berlin am dringendsten brauchen." Über die Anwendung des Berliner Modells der Kooperativen Baulandentwicklung sorge der Senat außerdem dafür, dass auch private Investoren in diesem Bereich mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnraum errichten. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seien durch die Kooperationsvereinbarung seit Mitte 2017 ohnehin verpflichtet, mindestens die Hälfte ihres Neubaus zu leistbaren Konditionen anzubieten.

Neubauzahlen sind das Verdienst früherer Senatoren

Als eigenen politischen Erfolg kann sich Lompscher die Neubauzahlen allerdings nicht zurechnen: Genehmigt hatten die fertig gestellten Wohnungen ihre Vorgänger von der SPD, Michael Müller (heute Regierender Bürgermeister) und Andreas Geisel (heute Innensenator), denn bis zur Fertigstellung von Wohnhäusern vergehen durchschnittlich eineinhalb bis zwei Jahren.

Lompscher ist seit gut einem Jahr im Amt. Und seither ist die Zahl der neu genehmigten Wohnungen kräftig eingebrochen, um 18 Prozent, was sich Experten zufolge in den kommenden Jahren negativ auf die Neubauzahlen auswirken werde. Auch die Wohnungsunternehmen hatten sich wiederholt über das verschlechterte Neubauklima in der Stadt seit dem Wechsel in der Bauverwaltung beklagt.

Opposition nennt Lompscher "zynisch"

"Mit den aktuellen Fertigstellungszahlen trägt die Baupolitik der Großen Koalition letzte Früchte", sagte der Generalsekretär der CDU Stefan Evers. Der gleichzeitige Einbruch bei den Baugenehmigungszahlen mache den "Paradigmenwechsel" unter Rot-Rot-Grün schmerzhaft deutlich. Zahlen wie diese werde Berlin in absehbarer Zeit nicht mehr erleben - und die Berlinerinnen und Berliner werden den Preis in Form höherer Mieten dafür zu zahlen haben. "Es ist deshalb absolut zynisch, wenn die Bausenatorin sich jetzt auf Erfolgen der Vorgängerkoalition ausruhen will", so Evers.

Mieterverein sieht "keine Entlastung"

Der Chef des Berliner Mietervereins Reiner Wild sagte: "Die gestiegenen Fertigstellungszahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass für breite Schichten der Bevölkerung dieser Neubau nur wenig Entlastung bringt." Zudem gebe es nach wie vor "keinen entlastenden Einfluss auf das Mietniveau insgesamt“. Laut Wohnungsmarktbericht der landeseigenen Förderbank IBB stiegen die Mieten bei Wiedervermietung in 2017 so stark wie lange nicht mehr auf einen Rekordwert von 10,15 Euro je Quadratmeter nettokalt im Monat. "Die Renditeerwartung der Investoren passt nicht mit den Bedürfnissen der meisten Nachfrager zusammen", so Wild. Dem IBB-Bericht zufolge würden neu gebaute Wohnungen im Durchschnitt für 13 Euro je Quadratmeter im Monat angeboten. „Dieser Neubau ist für die meisten Berliner Haushalte und auch für die Zuwanderer nicht leistbar“, so Wild.

Wohnungsverband: "Senat verfehlt selbstgestecktes Ziel"

"Der Senat hat das selbstgesteckte Ziel von 20.000 Fertigstellungen, davon 6000 durch die städtischen Gesellschaften, nicht erreicht", sagte die Chefin vom BFW-Wohnungsverband Berlin/Brandenburg Susanne Klabe. Dagegen hätten die privaten Unternehmen geliefert - "und zwar entgegen anderer Behauptungen im Wesentlichen im Mietwohnungsbau". Klabe spielt damit auf Vorwürfe in Kreisen von Linken, wonach die private Entwickler nur auf maximale Gewinne durch den Bau von Luxuswohnungen aus seien.

Bedarf und Angebot klaffen dramatisch auseinander

Die mittelständischen Firmen, die der BFW überwiegend repräsentiert, hätten "erneut rund 6000 Wohneinheiten" errichtet. Hinzu kämen etwa die hälfte der Wohnungen, die der Senat für die städtischen Unternehmen ausweist. Klabe warnte zugleich vor dem absehbaren Einbruch der Neubauzahlen: "Da die Verfahren nicht einfacher und schneller, die Anforderungen an Bauherren trotzdem höher werden und eine attraktive Förderung zur Errichtung von Wohnungen für Menschen mit mittlerem Einkommen fehlt, wird die Lücke zwischen Bedarf und Angebot in Zukunft dramatisch auseinander klaffen."

In einer früheren Version dieses Beitrags stand fälschlicherweise, die Zahl der Baugenehmigungen sei um ein Drittel eingebrochen. Tatsächlich betrug der Einbruch nur 18 Prozent. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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