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Diana Golze (Die Linke), Brandenburgs Gesundheitsministerin, erklärt ihren Rücktritt.
© Julian Stähle/dpa
Update

Pharmaskandal um Krebsmedikamente: Woidke: Rücktritt von Gesundheitsministerin Diana Golze richtig und notwendig

Bis zuletzt stand die Linkenpolitikerin unter Druck, nun gab sie nach. Die CDU kritisiert auch SPD-Regierungschef Dietmar Woidke und fordert Entschädigungen für Patienten.

Ein später Rücktritt Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze übernimmt die Verantwortung für den Pharmaskandal

Noch bis zum Montagmorgen herrschte in Brandenburgs rot-roter Koalition Unsicherheit. Darüber, ob Diana Golze, die Landeschefin der Linken, tatsächlich als Gesundheitsministerin zurücktritt. Ob sie überzeugt werden konnte, dass es nicht weiter geht mit ihr. Seit der Pharmaskandal um möglicherweise unwirksame Krebsmedikamente und das Versagen Brandenburger Behörden Mitte Juli bekannt wurde, stand sie unter Druck, hatte einen Rücktritt aber stets abgelehnt. Den Ausschlag sollte der nun vorgelegte Bericht der von ihr eingesetzten Task Force geben.

Nachdem Golze dann am Dienstagvormittag verkündete, dass sie mit sofortiger Wirkung ihr Amt als Ministerin niederlegt, deutete Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nur an, dass ihr bis zuletzt ins Gewissen geredet werden musste. Bei einem Gespräch der rot-roten Koalitionsspitzen am Montagabend sei „Nachdenklichkeit erzeugt“ worden, sagte Woidke. Alles andere als ein Rücktritt, der aus Sicht der Opposition, CDU, AfD und Grüne, ohnehin zu spät kam, oder eine Entlassung wären auch nicht vermittelbar gewesen. Nicht für den Koalitionspartner, die SPD, aus der Golze zuvor wegen des Festhaltens am Posten unwürdiges Verhalten vorgeworfen worden war. Vor allem aber nicht für betroffene Krebspatienten.

Kurzer Auftritt, keine Fragen

Dienstag, 9.30 Uhr, im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit. Golze, 43 Jahre alt, die seit 2005 als Abgeordnete im Bundestag Karriere machte, 2014 Ministerin des Superressorts wurde, als Spitzenkandidatin der Linken für die Landtagswahl gesetzt war, tritt vor die Presse. Nachdem sie ihr Versprechen, den Pharmaskandal aufzuklären, eingelöst habe, komme sie zur Einschätzung, dass es Fehler einzelner Mitarbeiter, aber auch strukturelle und organisatorische Mängel gab, für die „die Ministerin die politische Verantwortung zu tragen hat“. Vor allem: Gesundheitliche Folgen für Patientinnen und Patienten könnten nicht ausgeschlossen werden. Ein kurzer Auftritt, viereinhalb Minuten und keine Fragen erlaubt. Das war’s.

Eine Stunde später sagt Regierungschef Woidke über den Rücktritt: „Ich halte den Schritt nicht nur für richtig, ich halte den Schritt auch für notwendig.“ Im Ministerium seien die „Dinge richtig schlecht gelaufen“. Nämlich bei der Kontrolle des Arzneimittelhandels, bei einer Aufgabe, bei der es um Leben und Tod geht.

Woidke schließt Kabinettsumbildung aus

Seit 2013 handelte die in Mahlow ansässige Firma Lunapharm mit Mitteln für die Chemotherapie von Krebspatienten, die aus griechischen Krankenhäusern gestohlen und von einer Apotheke in Athen verkauft wurden. Lunapharm lieferte die Medikamente in elf Bundesländer. Nach vorläufigen Zahlen waren seit 2015 allein in Berlin und Brandenburg mehr als 200 Patienten betroffen. Der Wert der Ware: deutlich mehr als 20 Millionen Euro. Wegen falscher Lagerung sind die Mittel möglicherweise unwirksam.

Erste Hinweise bekam das Landesgesundheitsamt Ende 2016, seit Frühjahr 2017 war der Behörde bekannt, dass die Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Doch das Gesundheitsamt reagierte zögerlich. Das im Sommer 2017 an Lunapharm erteilte Verbot, Arzneien von der Apotheke in Athen zu beziehen, wurde nicht durchgesetzt.

Nun soll Justizminister Stefan Ludwig (Linke) das Gesundheitsressort kommissarisch führen, bis ein Nachfolger gefunden ist. Woidke schloss eine Kabinettsumbildung und einen Ressorttausch ein Jahr vor der Landtagswahl – mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen in den Umfragen zwischen SPD, CDU und AfD – aus. Der Regierungschef muss auch für den aus familiären Gründen zurückgetretenen Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) einen Nachfolger finden. Gesundheitsstaatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt (Linke) bleibt vorerst im Amt, soll aber wegen des Pharmaskandals noch abgelöst werden.

"Woidke ist Teil dieses Skandals"

CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben sieht Regierungschef Woidke indes in der Mitverantwortung. „Woidke ist Teil dieses Skandals, in dem es um Regierungsversagen geht. Denn das Wichtigste ist nach wie vor nicht geschehen, nämlich die Information der betroffenen Patienten“, sagte Senftleben. Er forderte zudem Zahlungen an die Patienten. „Ich bin dafür, einen Entschädigungsfonds aufzulegen, obwohl ich weiß, dass das Leid nicht mit Geld aufzuwiegen ist.“ Der Pharmaskandal markiere ein grundsätzliches Problem: „Es gibt in Brandenburg keinen starken Staat, der aber nötig ist.“ Das zeige sich bei der Justiz, aber auch bei fehlenden Ärzten – „und beim Versagen der Arzneimittelaufsicht“.

Woidke wollte einen Fonds nicht ausschließen, sieht aber vor allem Lunapharm in der Pflicht. Der Bericht der Task Force gebe Hinweise, um die Mängel bei der Arzneimittelaufsicht zu beseitigen. Die Behörde sei mit europaweit organisierter Kriminalität konfrontiert, es gehe um Hehlerware und große Profite. Gemeinsam mit der Bundesregierung und der EU müsse geklärt werden, was nötig ist, damit die Behörden der organisierten Kriminalität wirksam begegnen können. Im Fokus stehe der Patientenschutz. Sie müssten Vertrauen in die Medikamente haben, „das muss wiederhergestellt werden“.

Welche Konsequenzen für die Linkspartei?

Welche Konsequenzen Golzes Rücktritt für die Linke hat, ist nicht absehbar. Golze ist seit März Co-Landeschefin der Partei. Der Plan, sie als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl 2019 zu schicken, dürfte dahin sein. Die andere Co-Landeschefin, Anja Mayer, sagte, die Linke sei dennoch für die Landtagswahl gut aufgestellt. In einem Brief an die Basis schrieben Golze und Mayer am Morgen: Durch den Skandal hätten Patienten und Bürger Vertrauen in die Gesundheitsbehörden, „aber auch in uns als Partei verloren“.

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