Bedarfsatlas für 2017: Wo der Kita-Mangel in Berlin am größten ist
Der neue Kita-Bedarfsatlas zeigt: Für Eltern bleibt es schwierig, eine Betreuung für ihre Kinder zu finden. Zwar will der Senat 30.000 zusätzliche Kitaplätze schaffen, aber es fehlen bereits jetzt Erzieher.
Das Regierungsviertel, Grunewald und die Rollberge haben eines gemeinsam: Kinderbetreuung ist gibt es in Hülle und Fülle. Das zumindest zeigt der neue Kita- Bedarfsatlas der Senatsverwaltung für Jugend. Ansonsten aber sieht es schlecht aus: Es gibt nur noch wenige Regionen in der Stadt, in denen problemlos Betreuungsangebote zu finden sind.
Zwar wurden im vergangenen Jahr nochmals 6000 neue Plätze geschaffen. Aber auch die jetzt vorhandene Zahl von rund 160.000 Krippen- und Kitaplätzen reicht angesichts des Zuzugs, der Geburtenrate und angesichts der erweiterten Betreuungsansprüche kaum noch aus.
„Viele Mütter und Väter verlängern notgedrungen ihre Elternzeit,“ benennt Katrin Molkentin, Sprecherin des Landeselternauschusses für den Bereich Kita (Lea-K), eine Konsequenz der Notlage. Besonders schwer einen Platz finden Eltern, deren Kinder zwischen Januar und Mai ein Jahr alt werden. Denn die meisten freien Plätze gibt es im August, wenn die frisch gebackenen Schulkinder die Kita verlassen haben.
Molkentin bemängelt zudem, dass es noch immer kein gut funktionierendes Online-System mit einem Überblick über freie Plätze gibt. „Und für viele Eltern ist es unklar, wie man am besten zu einem Vertrag kommt: Manche Kindertagesstätten wollen, dass man sich am besten schon schwanger anmeldet, das lehnen andere ab. Manche führen Wartelisten, andere nicht.“
Was die einzelnen Kategorien bedeuten
Wie die Kitaplatzlage in den einzelnen Stadtgebieten ist, kann man sehr genau im neuen Bedarfsatlas nachlesen. Er weist für jede der rund 150 Bezirksregionen aus, wie die Lage ist und benutzt dafür fünf Kategorien.
So bedeutet Kategorie 1, dass es keine Platzreserven gibt und sogar noch steigenden Bedarf.
In Kategorie 2 sinkt der Bedarf, aber aktuell gibt es keine Reserven.
Kategorie 3+ bedeutet: Geringe Reserven bei steigendem Bedarf, wohingegen Kategorie 3 zwar auch steigenden Bedarf hat, aber aktuell noch einige Reserven aufweist.
Richtig entspannt ist es nur bei Kategorie 4: Dort gibt es nicht nur gute Reserven, sondern dazu auch noch sinkenden Bedarf.
Während die Kategorie 4 nur für die oben genannten drei Bereiche zutrifft, ist die schwierigste Kategorie 1 häufig vertreten: Rund jede dritte Region gehört dazu.
Charlottenburg-Wilmersdorf schneidet gut ab
In den einzelnen Bezirken stellt sich die Lage so dar: In Charlottenburg-Wilmersdorf haben sieben von 17 Regionen die Kategorie 1, darunter Kantstraße, Kurfürstendamm, Halensee, Schmargendorf und Charlottenburg Nord. Knapp ist es auch im Westend und am Schloss Charlottenburg, wo die Kategorie 3+ gilt, also nur noch geringe Reserven bei künftig steigendem Bedarf.
Friedrichshain-Kreuzberg und Marzahn-Hellersdorf sind "Problemzonen"
In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es ausschließlich die „Problemzonen“ der Kategorie 1 und 3+, wobei es am schwierigsten zurzeit in der Südlichen Friedrichstadt und an der Frankfurter Allee ist, eine Betreuung zu finden. In Lichtenberg gilt Kategorie 1 für Neu-Hohenschönhausen Nord, Alt-Hohenschönhausen Süd, Rummelsburger Bucht, Neu Lichtenberg und Friedrichsfelde Nord.
In Marzahn-Hellersdorf gilt nur in Biesdorf die etwas entspanntere Kategorie 3. In den anderen acht Regionen ist es für Eltern schwieriger, allen voran ganz Hellersdorf, Marzahn-Mitte, Kaulsdorf und Mahlsdorf, während Mitte es den Eltern leichter macht: Nur zwei von zehn Regionen stehen unter großem Druck und zwar Osloer Straße und Moabit West. Vier weiter Bereiche, darunter Wedding gehören aber zur Kategorie 3+.
Probleme auch in Neukölln und Spandau
Schwieriger ist die Lage in Neukölln: Gropiusstadt, Buckow-Nord, Rudow, Rixdorf, Köllnische Heide und Reuterstraße, also sogar sechs von zehn Regionen, gehören zur Kategorie 1. Nicht viel anders sieht es erwartungsgemäß im geburtenstarken Pankow aus: Hier müssen die Eltern vor allem dann eine schwierige Suche starten, wenn sie in Karow, am Helmholtzplatz, Blankenburg, Heinersdorf oder in Prenzlauer Berg Süd und Pankow Süd leben. In Reinickendorf gibt es große Unterschiede: Elf Regionen gibt es, sieben haben Kategorie 1, Tegel und Frohnau/Hermsdorf haben noch Luft.
In Spandau gibt es ebenfalls große Probleme: Von neun Regionen gibt es hier vier mit der Kategorie 1: Falkenhagener Feld, Brunsbütteler Damm, Wilhelmstadt und Haselhorst. Die anderen fünf Regionen sind: Hakenfelde (3+), Spandau Mitte (3), Heerstraße Nord (3+), Siemensstadt (3+), Gatow/Kladow (3).
Steglitz-Zehlendorf und Treptow-Köpenick
In Steglitz-Zehlendorf ist es am engsten in Lankwitz, am Ostpreußen- und Teltower Damm, in Tempelhof-Schöneberg nur in Mariendorf. Allerdings gehören alle anderen sechs Regionen – darunter Schöneberg und Lichtenrade – ebenfalls zur bedürftigen Sorte.
In weitläufigen Treptow-Köpenick werden sogar 20 Unterregionen gebildet, Hier gibt es je nach Lage große Unterschiede beim Platzangebot. Zur Kategorie 1 gehören Plänterwald, Baumschulenweg, Niederschöneweide, Adlershof, Altglienicke, Schmöckwitz/Karolinenhof und Müggelheim.
Mehr Förderung für Kita-Neubauten
Es bedürfe „eines fortgesetzten Ausbaus der Betreuungskapazitäten“ lautet der Kommentar der Jugendverwaltung. Wie berichtet, hat Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) bereits angekündigt, dass die Förderung für Kita-Neubauten von 15.000 auf 20.000 Euro pro Quadratmeter angehoben wird. Zudem erhalten die Kinderläden jetzt 2000 statt 1000 Euro für jeden neuen Platz. Ob ein Kitaträger diese Gelder bekommt, richtet sich danach, ob sein Projekt in einer der Regionen liegt, die der Bedarfsatlas ausweist. Daher ist es auch notwendig, den Atlas jährlich zu aktualisieren. „Grundsätzlich sind Projekte in den Bezirksregionen der Kategorien 1, 2 und 3/3+ förderfähig“, erläutert die Jugendverwaltung.
Neben den Angaben über den Platzbedarf gibt er auch Auskunft über die soziale Lage der einzelnen Regionen. Diese Gebiete „mit besonderem Aufmerksamkeitsbedarf“ haben oberste Priorität beim Kitaplatzausbau, weil die Kita als wichtiges Instrument gilt, wenn es darum geht, Kinder aus armen und bildungsfernen Familien zu fördern.
Senat setzt auf neue "Systembauten"
Um genügend Kapazitäten schaffen zu können, wird jetzt sehr stark vom Senat auf die neuen „Systembauten“ gesetzt, also standardisierte Gebäude, die sich schnell errichten lassen. Dafür wurde im jüngsten Investitionsprogramm „Siwana“ 75 Millionen Euro zur Verfügung gestellt – der Hauptausschuss hat dies gerade erst beschlossen.
Trotz der Platzknappheit in vielen Regionen gibt es laut Jugendverwaltung „aktuell 6000 nicht belegte Plätze“ – 1200 mehr als vor einem Jahr, als 4800 als nicht belegt galten. Dadurch ist wohl auch zu erklären, dass bisher keine Familien einen Kitaplatz eingeklagt haben. „Leider organisieren sich die betroffenen Eltern bisher nicht, sondern finden private Lösungen“, begründet die Leak-Vorsitzende Molkentin die Tatsache, dass es noch keine Klagen gibt. Auch Scheeres’ Sprecher Thorsten Metter sagte auf Anfrage, dass er bisher keine Kenntnis von Klagen hat.
Rund 30.000 Kita-Plätze bis 2020 nötig
Allerdings sind weiterhin große Anstrengungen nötig, wenn auch in Zukunft Klagen vermieden werden sollen: Rund 30.000 Plätze muss der Senat nach eigenen Schätzungen bis 2020 schaffen, um den Betreuungsanspruch befriedigen. Dies ist besonders deshalb schwierig, weil viele Träger inzwischen alle Gebäudereserven verbraucht haben – „Verdichtung“ war das Gebot der Stunde. Das bedeutete, dass auch etwa Bastelräume in Gruppenräume umfunktioniert wurden. „Dadurch ist auch viel Freiraum für die Kinder weggefallen“, bedauert Elternvertreterin Molkentin.
Längst kämpfen die Träger aber nicht nur mit dem Platz- sondern auch mit dem Personalmangel. Der wird sich sogar noch verschärfen, weil der rot-schwarze eine Verbesserung der Betreuung beschlossen hatte: Künftig sind mehr Erzieher pro Kindergruppe vorgesehen. Schon jetzt beklagen etliche Kitaträger, dass sie Räume ungenutzt lassen müssen, weil ihnen Personal fehlt. Das gelte besonders für große Einrichtungen, sagte Roland Kern vom Dachverband der Kinder- und Schülerläden.