Kinderbetreuung: In Berlin gibt's fast keine Kita-Plätze mehr
Die Betreuungsplätze werden immer knapper. Ende 2015 waren nur noch vier Prozent der Plätze frei. Aber auch davon ist kaum etwas übrig.
Berlins Eltern stehen bei der Kitasuche vor immer größeren Schwierigkeiten. Die Reserve an freien Kapazitäten ist noch kleiner geworden und lag Ende 2015 nur noch bei vier Prozent der Plätze. In einigen Kiezen gibt es überhaupt keine Auswahl mehr. Das geht aus einer Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller von der Linkspartei hervor.
Demnach gab es pro Bezirk zum 31.12.2015 nur noch wenige hundert freie Plätze, die inzwischen aber ebenfalls größtenteils belegt sind, da seit Januar tausende weitere Kinder zugezogen sind oder das erste Lebensjahr vollendet und somit einen Anspruch auf einen Kitaplatz haben. Wie schnell der Bedarf wächst, zeigt ein Vergleich zwischen 2014 und 2015: In nur einem Jahr kamen rund 10.000 unter Siebenjährige hinzu. Inzwischen sind es mehr als 241.000. In derselben Zeit stieg die Zahl der Kitakinder um mehr als 5000.
In Reinickendorf ist es am schlimmsten
Am angespanntesten ist die Lage in Reinickendorf, wo schon Ende 2015 nur noch 190 Plätze frei waren: Das entsprach zwei Prozent der Gesamtzahl der Plätze. Damit Eltern eine echte Auswahl haben, müsste das Angebot die Nachfrage um rund zehn Prozent überschreiten. Dies ist in keinem Bezirk der Fall. Etwas besser stand Ende Dezember Neukölln da, wo fünf Prozent der angebotenen Kapazitäten nicht belegt waren. Dies entsprach fast 600 Plätzen. Berlinweit waren von knapp 154.000 Plätzen noch 6200 frei - allerdings großteils nur auf dem Papier.
Wie missverständlich und unaktuell nämlich die Senatsangaben sind, beschreibt Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) anhand seines Bezirks. So weist er darauf hin, dass schon die Zahl 600 nicht stimmte, weil eine Kita wegen Umbaus gesperrt war. Zudem war ein Großteil der angeblich freien Plätze Ende 2015 längst vertraglich vergeben. Daher blieben Ende März von den zunächst knapp fünf Prozent freien Plätzen nur noch 1,1 Prozent über. Anders ausgedrückt: Von den genannten 600 Plätzen sind inzwischen nur noch rund 140 verfügbar.
"Das wird ein Ritt auf der Rasierklinge"
Fraglich ist, ob die minimalen Reserven zusammen mit den geplanten Kita-Neubauten reichen, um alle nachrückenden Kinder zu versorgen, bis im August durch die Einschulung neue Plätze frei werden. „Das wird ein Ritt auf der Rasierklinge“, sagt der Kita-Referent des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Torsten Wischnewski-Ruschin. Für Eltern sei es „dramatisch“, wenn sie keine Betreuung in Wohnortnähe fänden.
„Wir brauchen einen Platzausbau ohne Ende“, sagt Roland Kern vom Dachverband der Kinder- und Schülerläden. Viele Familien müssten sich bis zum Sommer gedulden oder selbst eine Betreuung organisieren. Gerichtliche Klagen sind Kern aber zurzeit nicht bekannt. Auf die Frage, wie viele neue Plätze denn 2016 entstehen sollen, erhielt Möller keine Antwort von Jugend-Staatssekretärin Sigrid Klebba (SPD). Die „Präzisierung der eingeplanten Mehrbedarfe“ finde jetzt anhand der neuen Bevölkerungsprognose statt. Die benötigten hohen zweistelligen Millionenbeträge kommen aus unterschiedlichen Landes- und Bundesprogrammen. Laut Wischnewski-Ruschin werden rund 140 zusätzliche Kitas benötigt, für die Bauplätze aber erst noch gefunden werden müssen.
17.000 neue Plätze seit 2012 entstanden
Trotz allem ist der Ausbau bereits in großem Umfang gelungen: So boten Berlins Kitas im Jahr 2012 knapp 136.000 Plätze an, seitdem sind 17.000 hinzu gekommen. Die Betreuungsquote der Ein- bis Dreijährigen lag berlinweit bei knapp 70 Prozent, bei den Drei- bis Sechsjährigen bei 93,5. Die Linkspartei hat gerade einen Antrag ins Abgeordnetenhaus eingebracht, Mietobergrenzen für Kitas und andere soziale Einrichtungen zu prüfen. Auch strebt sie an, für solche Einrichtungen in gemieteten Räumen einen erweiterten Kündigungsschutz einzuführen. Die CDU hatte bereits auf ihrem Kleinen Parteitag im Herbst 2015 einen Kündigungsschutz für Kitas beschlossen.