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Karsten Mühlenfeld ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH. Er wurde 1963 geboren, ist verheiratet, hat zwei Kinder. Arbeitete bei Rolls-Royce und Bombardier.
© dpa/Bernd Settnik

Flughafenchef Karsten Mühlenfeld im Interview: „Wir eröffnen den BER auch mit Provisorien“

Karsten Mühlenfeld ist seit sechs Wochen Flughafenchef. Jetzt spricht er erstmals darüber, wie es auf der Baustelle weitergeht. Außerdem erklärt er, warum er gegen Umplanungen kämpft, wo es noch hakt – und warum er 2,2 Milliarden Euro braucht.

Herr Mühlenfeld, haben Sie inzwischen schlaflose Nächte?

Ich schlafe immer gut. Das hilft, einen klaren Kopf zu behalten.

Sie sind jetzt sechs Wochen Flughafenchef und damit verantwortlich für den unvollendeten Hauptstadt-Airport. Bis Ende 2017 soll er in Betrieb gehen – legen Sie die Hand dafür ins Feuer?

Meine Hände sind mir wichtig. (lacht) Im Ernst: Nach bestem Wissen, Stand heute, spricht nichts gegen eine Eröffnung im zweiten Halbjahr 2017. Wir sind am BER wirklich auf einem guten Weg.

Das haben schon viele gesagt.

Das stimmt. Wir sind präzise im Bild, wie es um das Projekt steht. Um den Flughafen fertig zu bauen, müssen bis Frühjahr 2016 zirka 200 Meilensteine abgearbeitet sein. Wir überwachen das wöchentlich und sehr detailliert.

Wie ist der aktuelle Stand?

Wir kommen voran, aber es ist nicht alles Gold, was glänzt. Vergangene Woche haben wir termingerecht den fünften Nachtrag zur Baugenehmigung – für den Umbau der Entrauchungsanlage – beim Bauordnungsamt abgegeben.Das war ein wichtiger Meilenstein für uns. Wir werden in den nächsten Wochen weitere Unterlagen nachreichen. Das ist die übliche mit der Behörde besprochene Vorgehensweise. Insgesamt haben wir 21 Prozent der seit Januar 2015 anstehenden Restarbeiten geschafft, 23 müssten wir laut Plan haben. Wir arbeiten hart daran, das aufzuholen. Das ist auch machbar.

Technikchef Jörg Marks hat gerade in einer internen Mail bei Firmen Termintreue angemahnt, weil mehrfach Fristen nicht eingehalten wurden. Ein böses Omen?

Die Mail war mit mir abgestimmt, und sie hatte die Botschaft: Wehret den Anfängen! Es ging dabei um kurzfristige Themen, die nicht kriegsentscheidend sind, um den Bau bis Frühjahr 2016 fertigzu- stellen. Wir steuern bei Abweichungen von den Terminketten sofort dagegen.

Wo sind noch Risiken?

Im Großen erwarten wir keine bösen Überraschungen mehr, im Kleinen kann immer noch etwas passieren: Da macht man einen Deckenschacht auf und stellt fest, dass Dinge anders gebaut wurden als ursprünglich geplant. Das sind keine Riesendimensionen mehr, und das ist beherrschbar.

Die Baugenehmigung für das Terminal verfällt 2016. Haben Sie einen Plan B?

Wir wollen im Frühjahr 2016 mit dem Bau fertig sein, die Baugenehmigung läuft im Herbst ab. Wir haben dann noch ein halbes Jahr Puffer. Wenn ich anfangen würde, jetzt über einen Plan B zu reden, heißt es sofort: Der Flughafen glaubt nicht an seine eigenen Meilensteine. Dass es zum normalen Risikomanagement gehört, intern auch über Worst- Case-Szenarien nachzudenken, steht auf einem anderen Blatt. Natürlich machen wir das. Aber das ist ein rein formaler Vorgang.

Der Flughafen ist mit seinen Eigentümern Berlin, Brandenburg und dem Bund auch eine politische Dauerbaustelle. Der Bund hat gegen Ihre Ernennung gestimmt. Hat das Ihren Start belastet?

Ich habe das nicht persönlich genommen. Weil die Entscheidung, wer Geschäftsführer wird, eben eine politische Dimension hat. Der Bund fand nicht gut, wie es ablief. Ich habe keinerlei Grund zur Annahme, dass es um mich als Person ging. Ich habe zu Herrn Dobrindt ein gutes Verhältnis, auch zu seinem Staatssekretär.

Und dass Berlins Regierender Bürgermeister nun doch im Aufsichtsrat bleiben und den Vorsitz übernehmen will, müssen Sie natürlich gut finden, oder?

Ich freue mich wirklich über diese Entscheidung des Regierenden. Das dokumentiert, wie wichtig der Flughafen auch für Berlin ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Herr Müller ein sehr pragmatischer Aufsichtsratsvorsitzender sein wird, der auch die Kollegen gut einbindet. Der Aufsichtsrat wird unter seiner Führung genauso gut arbeiten, wie er es in den letzten Monaten auch getan hat.

Berlin bleibt mit seinen Spitzenpolitikern im Aufsichtsrat, Brandenburg hat dort gar keine mehr. Schadet es dem Projekt, wenn offensichtlich jeder seins macht?

Ich widerspreche – genau das ist nicht der Fall. Das haben auch die letzten Monate gezeigt, in denen Brandenburgs Flughafenstaatssekretär, Herr Bretschneider, als kommissarischer Vorsitzender sehr geschickt das Gremium geleitet hat. Meine bisherige Erfahrung ist: Die drei Gesellschafter kooperieren gut. Alle haben ein hohes Interesse daran, dass der neue Flughafen fertig wird, und so handeln sie am Ende auch.

In Berlin wird 2016 gewählt. Befürchten Sie, dass mit einem Aufsichtsratschef Müller der Flughafen zur Fertigstellung in politische Scharmützel hineingezogen wird?

Dieser Flughafen war immer politisch. Das wird er auch bleiben. Das ist unvermeidbar, ob Herr Müller nun Aufsichtsratschef ist oder nicht. So oder so: Die Wahlen werden Einfluss auf politische Entscheidungen des Landes Berlin zum Flughafen haben. Ich halte Herrn Müller aber für einen pragmatischen, nüchternen Menschen. Er weiß genau, wie wichtig dieser Flughafen für die Hauptstadtregion ist. Berlin braucht ihn, genau wie Brandenburg ihn braucht. Ich bin mir hundertprozentig sicher: Müller wird nicht zulassen, dass der Flughafen zum politischen Spielball wird.

In den ersten Wochen haben Sie sich in die Arbeit gestürzt, fast ohne öffentliche Auftritte. Gab es Frust- oder Schockerlebnisse?

Überhaupt nicht. Ich war inzwischen in etlichen Ausschüssen der beteiligten Parlamente. Und selbst da war es nicht schlimm, entgegen allen Vorwarnungen. (lacht) Natürlich waren die Diskussionen kompliziert, wurden mir kritische Fragen gestellt, aber keine unfairen. Es geht immerhin um viel Geld, da haben die Parlamente ein Recht auf Information. Vielleicht habe ich auch nur Glück gehabt oder genieße noch Welpenschutz.

Der Flughafen Tegel ist völlig überlastet, muss aber noch mindestens bis zum Jahr 2017 durchhalten. Müssen Sie schon Airlines abweisen und nach Schönefeld lenken?

In den Spitzenzeiten, morgens und abends, geht in Tegel nichts mehr. Sonst gibt es durchaus noch die eine oder andere Lücke. Aber die Airlines fliegen inzwischen auch so auf Schönefeld: Wir sind glücklich, dass sich ab Herbst Ryanair hier ansiedelt, gleich fünf Flugzeuge stationiert, was für diesen Flughafen ein riesiges Wachstum darstellt. Dadurch werden jährlich 2,5 Millionen zusätzliche Passagiere befördert, und wir werden damit in Schönefeld zehn Millionen Passagiere abfertigen. Der Flughafen Schönefeld wird dann so groß sein wie Köln/Bonn oder Stuttgart.

Investitionen in Altflughäfen und Passagierwachstum

Der Himmel spielt farbenprächtig mit und eine Start- und Landebahn wird auch schon benutzt: Der BER will raus aus den Negativschlagzeilen.
Der Himmel spielt farbenprächtig mit und eine Start- und Landebahn wird auch schon benutzt: Der BER will raus aus den Negativschlagzeilen.
© dpa

Steht der frühere DDR-Flughafen Schönefeld/Alt hier in der Region zu Unrecht im Schatten?

Ja, absolut! Die Berliner Alt-Flughäfen haben beide den Charme der 70er Jahre, der eine den des Westens, der andere den des Ostens. Schönefeld hat es natürlich schwerer, braucht sich aber nicht zu verstecken. Schönefeld liegt am Stadtrand, wie die meisten Flughäfen der Welt, ist aber gut erreichbar. Man wird auch hier schnell abgefertigt.

Muss in die Alt-Flughäfen noch investiert werden, obwohl sie nach BER-Inbetriebnahme geschlossen werden?

Ja, das ist nötig. Für Tegel ist das aktuelle Vitalisierungsprogramm bereits vom Aufsichtsrat beschlossen. Wir investieren noch einmal 19 Millionen Euro, für dringendste Instandsetzungen, um einen sicheren und reibungsarmen Betrieb bis Ende 2017 zu gewährleisten. Für Schönefeld wird ein solches Programm gerade vorbereitet, um unter anderem die zusätzlichen Flugzeuge der Ryanair unterzubringen und den Flughafen vernünftig weiterbetreiben zu können. Ich denke, da wird es um einen einstelligen Millionenbetrag gehen.

Das Passagierwachstum erreicht einen Rekord nach dem anderen. Der BER, für maximal 27 Millionen Passagiere konzipiert, wird zur Eröffnung zu klein sein. Und nun?

Meine Prämisse, meine Entscheidung ist eindeutig. Wir werden den BER, so wie er ist, erst einmal fertig bauen. Wir werden am Terminalgebäude selbst nichts mehr verändern, es sei denn, auf Vorgabe des Bauordnungsamtes. Unter meiner Führung wird es bis Sommer 2016 keine Debatten geben, wie man das Terminal umbauen oder erweitern könnte.

Ihr Vorgänger Hartmut Mehdorn ging anders vor, warnte vor drohendem Eröffnungschaos, dem Zusammenbruch der Systeme, wenn nicht sofort gehandelt wird.

Mag sein. Aber gerade dieses Projekt hat in der Vergangenheit immer wieder erlebt: Umplanungen verzögern die Fertigstellung. Wenn man das macht, hätte ich wirklich Sorge, dass wir 2017 nicht halten können. Selbst wenn man nur plant, hat das ungewollte Nebenwirkungen. Es lenkt die Leute ab, die Organisation. Jetzt sollen sich aber alle darauf konzentrieren, das Ding erst einmal fertig zu kriegen.

Und wo werden die 34 Millionen Fluggäste abgefertigt, die Berlin 2017 erwartet?

Genau das prüfen wir jetzt noch einmal sehr gründlich. Im BER-Terminal werden wir mit 22 bis 25 Millionen Passagieren starten, weil man nicht gleich mit Volllast in ein neues Gebäude ziehen sollte. Es müssen also rund zehn Millionen Passagiere mit Interimslösungen woanders untergebracht werden. Es gibt dazu einen Planungsauftrag, wir sind dazu in Gesprächen mit den Gesellschaftern. Wir sind da ganz offen. In Tegel gab es mehrere fliegende Terminals, wir könnten auch das alte Schönefelder Terminal etwas länger betreiben. Wir werden in einer der nächsten Aufsichtsratssitzungen dazu Vorschläge machen.

Bei der Kapazitätsfrage gehen Sie damit noch einmal einen Schritt zurück?

Genauso ist es.

Glauben Sie wirklich, man kann Deutschlands Hauptstadtflughafen mit Provisorien, mit Behelfsabfertigungen, eröffnen?

Das kann man. Warum soll das nicht möglich sein? Tegel war auch einmal für sechs Millionen Passagiere ausgelegt, jetzt werden dort 20 Millionen Passagiere abgefertigt, es sind alles Interimslösungen. Aber noch einmal, mein Ansatz ist ein operativer: Wir müssen uns strikt auf die BER-Inbetriebnahme konzentrieren. Wir dürfen diese nicht durch neue Umplanungen riskieren, keine Ablenkungen mehr. Mit dem neuen Terminal und Interimsgebäuden können wir gut die drei, vier Jahre überleben, bis wir den BER erweitern können.

Sie könnten auch Berliner Passagiere nach Leipzig abgeben. Was halten Sie von diesem Vorschlag des Bundesverkehrsministers Alexander Dobrindt (CSU)?

Ein Flughafen kann nicht definieren, wo die Leute hinfliegen. Der Markt bestimmt die Bedürfnisse. Wer nach Berlin will, fliegt nach Berlin. Das müssen wir ermöglichen.

Der BER wird teurer und teurer. Seit der geplatzten Eröffnung 2012 sind von der öffentlichen Hand 2,3 Milliarden Euro nachgeschossen worden – so viel sollte der BER ursprünglich kosten. Wie begründen Sie den Parlamenten, warum die jüngsten 1,1 Milliarden Euro nötig sind?

Weil man den Flughafen sonst nicht fertig bauen und eröffnen kann. Wir haben unseren Gesellschaftern klar dargelegt, warum und wofür wir die Summe brauchen.

Aber selbst das wird nicht das Ende sein?

Dass der Kapitalbedarf der Flughafengesellschaft die reinen Baukosten von 5,4 Milliarden Euro übersteigt, war schon unter meinem Vorgänger bekannt. Das ist aber eine Binsenweisheit.

Was ist noch nicht finanziert?

Wir brauchen Geld, um den Schuldendienst für die Kredite zum Bau des BER aufzubringen und um die nötigen Interimslösungen für die Bewältigung des Passagierwachstums zu finanzieren. Aus Finanzierungssicht geht es beim BER derzeit um eine Summe von 2,2 Milliarden Euro. Das ist nicht neu. Dieser Rahmen ist auch in Brüssel angezeigt worden. Wir sind darüber in Gesprächen mit unseren Gesellschaftern.

Wann müsste die Entscheidung fallen?

Ich denke, im nächsten Jahr. Mit den aktuellen 1,1 Milliarden Euro haben wir erst einmal Luft, um den Flughafen mit einer Kapazität von 27 Millionen Passagieren zu bauen.

Befürchtungen, dass der Flughafen dauerhaft am Tropf der öffentlichen Hand hängt, wird das nicht verringern.

Die sind trotzdem unbegründet. Jeder Flughafen dieser Größe, mit diesen Passagierzahlen, dem absehbar weiteren Wachstum, macht operativen Gewinn. Den machen wir ja auch jetzt schon. Und der wird mit dem BER definitiv gesteigert werden. Unser langfristiger Wirtschaftsplan weist nach, dass wir Gewinne generieren werden, die Kredite und auch die Zuschüsse der Gesellschafter zurückzahlen können.

Ein permanenter Krisenherd bleibt der Lärmschutz. Können Sie gewährleisten, dass 2017 alle BER-Anwohner den Schallschutz haben, der ihnen zusteht?

Nein, das kann ich nicht, weil das nicht allein von uns abhängt. Ich kann garantieren, dass der Flughafen seine Verpflichtungen erfüllt. Das Programm läuft. Wir wollen Anfang 2016 mit allen Zusagen fertig sein, alle Anspruchsermittlungen verschickt haben. Den Einbau der Schallschutzfenster und Lüfter selbst können wir nicht leisten. Dafür haben die Anwohner dann noch mehr als zwölf Monate Zeit. Bis zur Inbetriebnahme werden das wohl nicht alle machen. Aber die größten Probleme werden bis dahin gelöst sein.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) drängt auf eine Ausweitung des BER-Nachtflugverbotes. Beißt er bei Ihnen auf Granit?

Das ist ein schwieriges Thema. Es gibt ein klares Urteil in letzter Instanz, in welchen Zeiten wir am BER fliegen dürfen. Für einen Flughafen, der nach ökonomischen Gesichtspunkten arbeiten muss, werde ich hier keine grundsätzlichen Einschränkungen akzeptieren. Zumal wir nicht wissen, wie sich die Passagierzahlen weiterentwickeln. Wir müssen uns die Freiheit bewahren, die genehmigten Zeiten zu nutzen. Ich sage aber auch: Wenn wir bestimmte Randzeiten nicht brauchen, dann könnte ich mir vorstellen, dass wir uns freiwillig einschränken. Allerdings nur bis auf Widerruf und nur dann, wenn das für den Flughafen ökonomisch wäre, sonst nicht. Unser oberstes Ziel bleibt es, die Gewinne zu maximieren, damit wir den Gesellschaftern ihre Beiträge für den Bau des neuen Flughafens zurückzahlen können.

Wie oft haben Sie Hartmut Mehdorn angerufen?

Gar nicht. Aber er war die ersten zwei Wochen hier, um mir zu helfen, schnell hineinzukommen, die Probleme zu verstehen, Klippen zu umschiffen. Und nach seinem Vertragsende und dem anschließenden wohlverdienten Urlaub war er noch einmal hier. Da habe ich mir von ihm noch mal ein Feedback geholt, manches durchgespielt. Das hat sehr gut funktioniert.

Und in die Ahnengalerie der Flughafenchefs in der Zentrale der Flughafengesellschaft kommt sein Konterfei auch noch?

Das ist unvermeidlich, selbst wenn er sich weiter dagegen sträuben sollte. Er hat die Ahnengalerie schließlich erfunden, demzufolge hat er keine andere Chance. Er muss da rein.

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