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Zum Niederknien. Der Flughafen Tegel spaltet die Stadt.
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Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers: "Wir brauchen endlich eine Debatte über den Flughafen Tegel"

Der neue Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers über den Fall Holm, das Verhältnis zur AfD und einen Kurswechsel in Sachen Flughafen.

Der neue Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, hat Forderungen aus seiner Partei bekräftigt, die eigentlich beschlossene Schließung des Flughafens Tegel nach der BER-Eröffnung zu hinterfragen. "Mit dem Start von Rot-Rot-Grün hat in Sachen Hauptstadtflughafen ein Paradigmenwechsel stattgefunden", sagte Evers dem Tagesspiegel. Die Ausbau- und Wachstumsziele für den BER seien "vom neuen Regierungsbündnis faktisch gekippt". Angesichts der neuen Rahmenbedingungen müsse die Berliner CDU, die lange für eine Schließung Tegels argumentiert hatte, ihre Position "zu einer möglichen Offenhaltung von Tegel überprüfen". Berlin brauche "eine grundsätzliche Debatte über den Sinn und die belastbaren Möglichkeiten eines Weiterbetriebs von Tegel". Stefan Evers (37) sitzt seit 2011 im Abgeordnetenhaus und ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU. Seit Anfang Dezember ist er Generalsekretär der CDU Berlin.

Herr Evers, Ihr Fraktionsvorsitzender Florian Graf hat überraschend vorgeschlagen, Tegel als Regierungsflughafen und für Geschäftsflieger offenzuhalten. Ist das ein Alleingang oder jetzt die Haltung der CDU?

Mit dem Start von Rot-Rot-Grün hat in Sachen Hauptstadtflughafen ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Ausbau- und Wachstumsziele für den BER wurden vom neuen Regierungsbündnis faktisch gekippt. Florian Graf hat deshalb völlig zu Recht herausgestellt, dass wir angesichts dieser neuen Rahmenbedingungen unsere Position zu einer möglichen Offenhaltung von Tegel überprüfen müssen. Der Verzicht auf dringend erforderliche Erweiterungen oder auch die Absage an eine dritte Startbahn am BER ließen sich vielleicht vorübergehend kompensieren, wenn in Tegel mindestens die Luftwaffe mit den Regierungsflügen und der Business-Verkehr bleiben.

Das soll den BER entlasten?
Es wäre ein Anfang. Man könnte dann die rund 80 Millionen Euro für das provisorische Regierungsterminal in Schönefeld sparen. Das Geld kann man dann umgehend in die Schaffung zusätzlicher Abfertigungskapazitäten stecken. Aber das ist natürlich nur ein denkbares Szenario, das man diskutieren muss.

Ein Weiterbetrieb in Tegel ist aber auch nicht zum Nulltarif zu haben.
Eben. Und deshalb brauchen wir endlich eine ernsthafte und grundsätzliche Debatte über den Sinn und die belastbaren Möglichkeiten eines Weiterbetriebs von Tegel. So ein Thema darf man doch keiner Spaß- oder Protestpartei überlassen. Dafür geht es um zu viel. Egal wie man zur Offenhaltung von Tegel steht, man sollte sich die Entscheidung nicht leichtmachen und seine Position gründlich erarbeiten. Da sehe ich die CDU in einer besonderen Verantwortung.

Und was sagen Sie in einer Debatte dann den Anwohnern?
Auch hier gilt: Man darf es sich in dieser Frage nicht zu leichtmachen. Die Bedürfnisse der Anwohner, denen die Schließung von Tegel klar in Aussicht gestellt ist, haben auf jeden Fall ein hohes Gewicht. Klar ist aber auch: In jedem denkbaren Szenario eines Weiterbetriebs hätten wir es mit deutlich weniger Flügen in Tegel zu tun. Also mit einer Entlastung der Anwohner.

Stefan Evers (37) ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU und seit Anfang Dezember er Generalsekretär der CDU Berlin.
Stefan Evers (37) ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU und seit Anfang Dezember er Generalsekretär der CDU Berlin.
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Schließt sich die CDU jetzt mit der FDP zusammen, die Tegel auch für Linienverkehr offenhalten will?
Noch einmal: Wir sind weder eine Spaß- noch eine Protestpartei und nehmen unsere Verantwortung nicht auf die leichte Schulter. Es gibt in Sachen Tegel ein substanzielles Debattendefizit. Das müssen wir ausfüllen. Ich wünsche mir, dass wir zu dieser Frage eine offene und intensive Diskussion mit Fachleuten und unseren Mitgliedern führen. Unser Fraktionsvorsitzender Florian Graf hat den Anfang gemacht. Das war richtig und wichtig.

Warum hat die Partei den Kurswechsel beim Weiterbetrieb erst in der Opposition vollzogen?
Wir haben uns immer klar dazu bekannt, dass der Luftverkehr in Berlin eine Wachstumsperspektive haben muss. Es geht um eine wichtige Lebensader unserer Stadt. Wenn nun das neue Linksbündnis dem BER jede Perspektive raubt, dann müssen andere Lösungen gefunden werden.

Apropos neuer Senat: Akzeptieren Sie inzwischen, dass der umstrittene Ex-Stasi-Mitarbeiter Andrej Holm zum Staatssekretär ernannt worden ist?
Ich nehme das mit Fassungslosigkeit zur Kenntnis. In einer Stadt, in der so viele Menschen unter den Machenschaften der Stasi gelitten haben, hätte ich vom Regierenden Bürgermeister eine größere Sensibilität erwartet. Ich habe volles Verständnis für den Protest von Stasi-Opfern gegen diese Entscheidung.

Kann man nach so vielen Jahren einem damals jungen Menschen aber nicht auch verzeihen?
Sicher kann man verzeihen, aber das setzt glaubhafte Reue voraus. Hinzu kommt, dass völlig unabhängig von der Person dieser Berufung eine Symbolkraft innewohnt, die für Opfer des Stasi-Regimes sehr schmerzhaft ist.

Ist bei dem weit links stehenden Holm nicht wichtiger, wie er nun die Politik gestaltet, als in seiner Vergangenheit zu wühlen?
In der Tat lohnt es sich, auch seine jüngsten Veröffentlichungen zu studieren. Wer noch vor Kurzem publiziert, dass er Hausbesetzungen für ein effektives Mittel sozialer Wohnungspolitik hält, der gehört in kein Regierungsamt.

Zur Gegenwart gehört auch, dass die CDU nun gemeinsam mit der FDP und der AfD in der Opposition ist. Werden Sie mit der AfD zusammenarbeiten?
Nein. Ich sehe weder gemeinsame Interessen noch Ansatzpunkte für eine Zusammenarbeit. Die AfD ist – wie die Linken – entgrenzt. Das heißt: Die AfD kennt keine Grenzen nach rechts, die Linke keine nach links. Unser Ziel ist es, die Schwächen der AfD aufzudecken. Dann werden wir auch von dort Wähler zurückgewinnen.

Gewinnen ist in der Politik nicht immer einfach. Sie sind vor eineinhalb Wochen nur mit äußerst knapper Mehrheit zum neuen Generalsekretär der CDU gewählt worden. Haben Sie die Enttäuschung überwunden?
Dass starke Nerven zum Job gehören, wusste ich vorher. Ich bin aber zuversichtlich, dass ein solcher Parteitag sich nicht wiederholt.

Was macht Sie so sicher?
Ich habe seit dem Parteitag viele Gespräche geführt. Es besteht große Einigkeit darüber, dass der politische Gegner außerhalb der Partei steht. Wir werden das Wahlergebnis aufarbeiten und den Blick nach vorn richten. Dabei werden wir vor allem unsere Mitglieder eng einbinden. Sie sind das wichtigste Pfund, das wir haben.

Der Neustart erfolgt ohne den früheren Parteivorsitzenden Frank Henkel, der zurückgetreten ist. Warum?
Frank Henkel hat sich entschieden, persönliche Konsequenzen aus unserer gemeinsamen Wahlniederlage zu ziehen. Das verdient höchsten Respekt. Der Übergang von Frank Henkel zu Monika Grütters verlief im Übrigen absolut reibungslos und geschah auf seine Initiative.

Warum bekommt Henkel dann keinen Platz für eine sichere Kandidatur bei den Wahlen zum Bundestag?
Jetzt ist nicht die Zeit, über Bundestagskandidaturen zu philosophieren. Das mag ja der Anlass für manche Unruhe in der Partei sein. Aber man erwartet zu Recht von uns, dass wir uns mit dem Wahlergebnis auseinandersetzen, die richtigen Konsequenzen daraus ziehen und vom ersten Augenblick an unsere Verantwortung als führende Oppositionspartei voll ausfüllen.

Wenn Sie sich in Zukunft zur Wiederwahl stellen: Welches Ergebnis wollen Sie dann erreichen?
Ich konzentriere mich auf die Aufgaben, die vor uns liegen. Und da erwartet uns alle miteinander eine Menge Arbeit.

Haben Sie schon gemerkt, was als Generalsekretär auf Sie zukommt?
Ich habe eine sehr anspruchsvolle Woche hinter mir. Aber ich habe Spaß an anspruchsvollen Aufgaben.

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