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Unerwünscht. Immer mehr Obdachlose übernachten mit ihren Zelten in Berliner Parks und Grünanlagen – wie hier im Tiergarten.
© dpa, Paul Zinken

Obdachlosigkeit in Berlin: Wilde Camps werden geräumt

Die Berliner Bezirksämter vertreiben wild campierende Obdachlose - etwa vor dem Berghain oder im Gleisdreickpark.

Berliner Bezirksämter gehen härter gegen Obdachlose vor. Nachdem am Dienstag das wilde Camp vor dem Club „Berghain“ geräumt wurde, war das Ordnungsamt Schöneberg am Mittwoch im Gleisdreieckpark aktiv. Gemeinsam mit der BSR wurden die Habseligkeiten von Obdachlosen eingesammelt, darunter viele Matratzen.

Im Park am Gleisdreieck verstecken sich viele Obdachlose mittlerweile regelrecht, sagt eine Frau, die sich gut in dem Park auskennt. „Man sieht die meisten gar nicht.“ Einige würden um 8 Uhr morgens aufstehen, bevor der Wachschutz des Parkbetreibers Grün Berlin erscheine. „Sie verschnüren dann ihre Habseligkeiten und verstecken sie im Unterholz“, sagt die Frau.

Aggressive Wohnungslose, kompromissloser Wachschutz

„Wir dulden keine Obdachlosen im Park“, betont Sven Alex von Grün Berlin. Werden Wohnungslose im Park vom Wachschutz entdeckt, erhalten sie Zettel mit der Anschrift von Notunterkünften, sagt Alex. Das kompromisslose Vorgehen sei nötig, da es in der letzten Zeit es mehrfach „Diskussionen und gefährliche Situationen“ gegeben habe. Dies bestätigt auch die Frau, die mit dem Park vertraut ist. Viele der aus Bulgarien und Rumänien stammenden Menschen seien drogenabhängig und verhielten sich sehr aggressiv.

Alle Matratzen seien aber auch am Mittwoch nicht beseitigt worden was schlicht an unterschiedlichen Zuständigkeiten liegt. Ein Streifen neben dem Park gehöre einer Wohnungsbaugesellschaft, hieß es. Und der Bezirk Schöneberg sei nur für den Eingangsbereich an der Bülowstraße zuständig, beschrieb die Frau die Abgrenzungsschwierigkeiten.

Es ist eine Schande für dieses reiche Land, dass wir die Menschen, die keine Lobby haben, aus dem öffentlichen Raum vertreiben. Das kann man tun, wenn man Räume für sie hat, nicht aber ohne eine annehmbare Alternative zu bieten.

schreibt NutzerIn janemoebius

Die Streife des Ordnungsamtes Tempelhof-Schöneberg begann am Mittwoch denn auch vor 8 Uhr früh und versuchte als erstes einen Obdachlosen wachzubekommen, der unterhalb der Pfeiler der Hochbahn nächtigte.

Am Dienstag hatte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg unter Polizeischutz das wilde Camp vor dem Berghain geräumt, bestätigte das Ordnungsamt einen Bericht des „Kurier“. Dort sollen in der Spitze bis zu 70 überwiegend aus Osteuropa stammende Menschen gelebt haben. Anwohner hätten sich vielfach beim Bezirk über Lärm, Schlägereien und wilde Besäufnisse beschwert. Nach Bezirksangaben hätten die meisten Betroffenen das Angebot einer Beratung über Hilfsmöglichkeiten abgelehnt.

Neue Debatte nach dem Mord an Susanne Fontaine

Nach dem Mord an der Kunsthistorikerin Susanne Fontaine durch einen Tschetschenen im Tiergarten hat eine neue Debatte um aggressive Obdachlose eingesetzt. Direkt am Tatort nächtigen seit Jahren zahlreiche Obdachlose direkt unter den Augen von Spaziergängern. Ausgelöst wurde die aktuelle Diskussion durch Forderungen des Bürgermeisters von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), die etwa 50 „besonders aggressiven“ Menschen abzuschieben.
Dassel ist für den Tiergarten zuständig. Er sagt: „Parks und Gärten müssen wir wieder zum Erholungsort für alle Menschen in Berlin machen.“

Die Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) fordert ein berlinweit „einheitliches Vorgehen gegen wildes Campieren in Berliner Parks“. Auch das Neuköllner Ordnungsamt entsorgt Matratzen in Parks sofort, so wie es auch der Parkbetreiber Grün Berlin handhabt.

„Das Problem der Obdachlosigkeit ist ordnungsrechtlich nicht zu lösen.“

Am vergangenen Dienstag waren die Obdachlosen auch Thema in der Senatssitzung. Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte die Bildung einer „Task Force“ aus Mitarbeitern der Innen- und Justizverwaltung sowie von Ordnungs-, Gesundheits- und Sozialämtern an. Die von Bezirksbürgermeistern geforderte Unterstützung durch die Polizei stößt im Präsidium aber auf wenig Begeisterung denn bereits jetzt hat die Polizei mehr als genug zu tun. Die von der Senatssprecherin am Dienstag bereits für den nächsten Tag angekündigten Polizeieinsätze scheiterten, wie berichtet, an Abstimmungsproblemen.

Vor 15 Jahren war von 2.000 Obdachlose in Berlin die Rede, gegenwärtig sollen es 10.000 sein, die genaue Zahl kennt niemand. Nicht alle Obdachlosen campieren direkt in der Öffentlichkeit wie am Bahnhof Zoo oder bis Anfang 2017 im Spreebogen. Als von Dassel im Januar und Februar mehrere Lager räumen ließ, hatte er diesen Satz gesagt: „Das Problem der Obdachlosigkeit ist ordnungsrechtlich nicht zu lösen.“ Tatsächlich waren die Obdachlosen sehr, sehr schnell zurück im Tiergarten.

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