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Pogo, der Hund eines Obdachlosen, sitzt im Oktober 2017 vor einem Zelt im Tiergarten.
© Paul Zinken/dpa

Obdachlose in Berlin: Sozialarbeiter sind vom Senat enttäuscht

Berlin zählt immer mehr Obdachlose auf den Straßen. Verstärkte Polizeikontrollen können keine Lösung sein, sagen Sozialarbeiter.

Von Laura Hofmann

Berliner Sozialarbeiter reagieren verstimmt auf die Senats-Ankündigung, den steigenden Obdachlosenzahlen im Tiergarten mit stärkeren Polizeikontrollen zu begegnen. „Es kann nicht sein, dass Polizei und Ordnungsamt Camps räumen, wenn es nicht genügend Unterkünfte gibt“, sagte Ulrich Davids, Leiter der Obdachlosenunterkunft in der Nostitzstraße in Kreuzberg, dem Tagesspiegel.

Seit Jahren werde ihm und seinen Kollegen vom Senat versprochen, sie ins Boot zu holen, um ein Konzept für die Obdachlosenhilfe zu entwickeln. „Wir haben uns von der rot-rot-grünen Regierung viel erhofft“, sagt der Sozialpädagoge. Passiert sei aber bisher nichts. Seine Einrichtung ist eine der wenigen in Berlin, in der ausschließlich alkoholkranke wohnungslose Männer aufgenommen werden.

Mehr alte, mehr junge, mehr weibliche Obdachlose

Doch die 46 Plätze, die es in der Nostitzstraße gibt, seien viel zu wenige für den gestiegenen Bedarf. Er erzählt, dass die Anfragen nach Unterbringungsmöglichkeiten in früheren Jahren ab April oder Mai abgenommen hätten. Doch in diesem Jahr habe es kontinuierlich Bedarf gegeben, den er nicht erfüllen konnte. In seiner Einrichtung werde nur dann ein Platz frei, wenn ein Bewohner verstirbt oder wenn es zu besonders krassen Fällen von Gewalt komme.

Davids hat beobachtet, dass es in Berlin immer mehr Obdachlose gibt – in jeder Altersgruppe. Und auch die Zahl der Frauen, die heute auf den Straßen der Hauptstadt leben, sei gestiegen. Doch wie viele es genau sind, das kann niemand sagen, und da beginnt das Problem für ihn. Es gibt keine Statistik, Schätzungen reichen von 5000 bis 15.000 Obdachlosen. „Wie soll man denn wissen, wie viel Geld man braucht, wenn man nicht mal weiß, wie viele Obdachlose in der Stadt leben?“.

Immer noch keine gesamtstädtische Organisation der Obdachlosenunterbringung

Besonders enttäuscht ist er darüber, dass es immer noch keine gesamtstädtische Organisation der Obdachlosenunterbringung gebe, obwohl diese schon lange angekündigt war. In der jetzigen Situation schöben sich Bezirke und Senat die Zuständigkeiten hin und her, auf dem Rücken der Wohnungslosen.

Natürlich gebe es auch Menschen, die auf der Straße bleiben wollen, sagt Davids. Doch die seien in seiner Erfahrung eine Minderheit. Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) betonte am Dienstagabend, sie halte nichts von einer Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Obdachlosigkeit. Menschen, die auf der Straße stehen und die untergebracht werden wollen, müssten von den Bezirken auch untergebracht werden. „Dabei spielt es keine Rolle, ob sie sich in einer Einrichtung schlecht benommen haben und rausgeflogen sind, ob sie in einer Einrichtung Drogen und Alkohol genommen haben und rausgeflogen sind", sagte sie im Sozial-Ausschuss des Abgeordnetenhauses im April.

"Osteuropäische Obdachlose sind nicht auffälliger als die anderen"

Auch Cem Aydin, Sozialarbeiter bei Gangway, einem Verein für Straßensozialarbeit in Berlin, sieht den Aktionismus der Politik kritisch: „Es sollte doch allgemein bekannt sein, dass durch die Räumung von Obdachlosencamps die Probleme nur verlagert werden", sagt er. Gangway setze sich dafür ein, dass der öffentliche Raum für alle da sei, der Verein will auch der Stigmatisierung von osteuropäischen Obdachlosen entgegenwirken. „Diese Menschen sind nicht auffälliger als die anderen Wohnungslosen“, betont Aydin.

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