Zielfahnder spürten Tschetschenen auf: Wie Yusup B. von Brandenburg aus den IS unterstützt haben soll
Er lebte in Brandenburg und war mit den Salafisten der Fussilet-Moschee in Berlin vernetzt. Nun kommt Yusup B. vor Gericht. Er soll den IS mitfinanziert haben.
Es ist ein Erfolg für die Ermittler des Brandenburger Landeskriminalamtes, die Staatsschutzabteilung hatte eine achtköpfige Sonderkommission auf Yusup B. angesetzt. Nach jahrelangen Ermittlungen wird dem 30 Jahre alten Tschetschenen am Dienstag vor dem Berlin Kammergericht nun der Prozess gemacht – wegen Terrorismusfinanzierung, Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland und Beihilfe zum Betrug. Er galt als einer der gefährlichsten islamistischen Gefährder in Brandenburg.
Der 30-Jährige lebte dreieinhalb Jahre in Brandenburg. Er soll die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien mit mehreren Tausend Euro und IS-Sympathisanten bei der Ausreise unterstützt haben. Und er soll für die „Sammlung, Verteilung und Übersendung von Geldern, Sachen und auch die Beschaffung persönlicher Gegenstände“ für IS-Anhänger gesorgt haben.
Yusup B. war eng vernetzt in der Islamistenszene in Berlin und Brandenburg und soll auch Verbindungen in die Fussilet-Moschee gehabt haben. In dem bekannten Treff der Salafistenszene verkehrte später auch der Terrorist Anis Amri, der bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin am 19. Dezember 2016 Dutzende Menschen getötet und verletzt hat.
Yusup B. agierte von Strausberg aus, die Stadt im Landkreis Märkisch-Oderland, wenige Kilometer hinter Berlins östlicher Stadtgrenze, gilt als Treffpunkt der tschetschenischen Islamisten-Szene in Brandenburg. Er war 2011 mit seiner Frau und seinem Kind nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag wurde 2013 abgelehnt, Yusup B. legte Widerspruch ein und verließ 2015 Deutschland – mutmaßlich nach Syrien, weil er offenbar mitbekam, dass gegen ihn ermittelt wird.
Seit Ende November 2014 soll sich B. dann für sein Mobiltelefon mehrere SIM-Karten und Windjacken besorgt haben – für den bewaffneten Kampf beim IS in Syrien. Später soll B. über die Türkei nach Ecuador geflohen sein. Dort spürten ihn nach Tagesspiegel-Informationen dann Zielfahnder des LKA Brandenburg auf.
Als B. am 1. August in die Niederlande einreiste, konnte er am Flughafen in Amsterdam gefasst werden. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hatte gegen B. einen europäischen Haftbefehl erlassen, wenige Tage nach seiner Festnahme wurde er an die Bundesrepublik ausgeliefert.
Yusup B. gehörte in der Hauptstadtregion einer Gruppe von Salafisten an, von denen ein Teil zum IS in die Konfliktregion Syrien/Irak ausgereist war. Laut Anklage soll B. einen anderen Islamisten unterstützt haben, der 2014 Deutschland hat, um sich in Syrien dem IS anzuschließen. Gegen diesen Islamisten K. wird ebenfalls ermittelt. K. soll das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheit in Berlin nicht über seine Ausreise informiert haben, die Behörde überwies ihm weiter die Sozialleistungen.
Tschetschenen haben Schlüsselrolle bei den Islamisten in Brandenburg
Yusup B. soll das Geld vom Konto seines Terrorfreundes abgehoben und an K. weitergeleitet haben. K. soll beim IS in Syrien mit dem Geld – immerhin rund 5000 Euro – Waffen und Ausrüstung finanziert haben. Nach Ansicht der Ermittler hat B., als er das Geld abhob und seinem IS-Kumpanen zukommen ließ, gewusst haben, wofür es ausgegeben werden sollte.
In einem anderen Fall soll Yusup B. am 25. September 2014 einen anderen Islamisten mit dem Auto zum Flughafen Tegel gefahren haben. B. soll gewusst haben, dass dieser Islamist ausreisen und sich dem IS anschließen wollte. Am 6. November 2014 soll B. einem weiteren Islamisten bei der Ausreise geholfen haben.
Der Fall ist für die Behörden in Brandenburg exemplarisch. Denn Nordkaukasier und davon vor allem Tschetschenen spielen „eine Schlüsselrolle innerhalb des relevanten Spektrums des islamistischen Terrorismus im Land“, wie es aus Sicherheitskreisen heißt. Es gebe eine wachsende Zahl von Personen, die aus religiösen oder ideologischen Gründen geneigt sind, Gewalttaten und Terroranschläge zu begehen. Dies habe „maßgeblich zu einer Verschärfung der Bedrohungslage geführt“. Deshalb bestehe für die Bundesrepublik und damit auch Brandenburg eine „anhaltend hohe Gefahr jihadistisch motivierter Gewalttaten“.
Bei den Sicherheitsbehörden in Brandenburg gilt ein Teil der nach Deutschland eingereisten Tschetschenen als besonders gefährlich: „hohe Konfliktbereitschaft, niedrige Hemmschwelle zur Anwendung schwerer körperlicher Gewalt, selbst bei banalen Anlässen“, heißt es in einem Vermerk für Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Tschetschenen hätten oftmals in ihrer Heimat Kriegs- und Kampferfahrungen gemacht und seien teilweise traumatisiert. Und sie würden sich häufig in einer geschlossenen Community bewegen, hätten wenig Kontakte nach außen.
In Brandenburg halten sich nach Angaben des Innenministeriums in Potsdam derzeit rund 130 Islamisten auf. Bei den Gefährdern, denen jederzeit eine schwere Gewalttat oder ein Terroranschlag zugetraut wird, ist es eine niedrige zweistellige Zahl. Eine hohe einstellige Zahl von Islamisten werden als „relevante Person“ geführt.
Dabei handelt es sich um Führungskräfte, Unterstützer, Logistiker oder Akteure innerhalb des terroristischen Spektrums. Dreiviertel dieser „relevanten Personen“ sind Tschetschenen – oder wie es offiziell heißt: „russische Staatsbürger nordkaukasischer Volkszugehörigkeit“. Und sie sind bundesweit vernetzt.
Im Visier haben die Behörden auch andere Flüchtlinge. Wegen des gestiegenen Zuzugs von Flüchtlingen habe sich für Terrororganisationen die Chance ergeben, „potentielle Attentäter oder Unterstützer unentdeckt in die Bundesrepublik einzuschleusen“, heißt es vom Innenministerium in Potsdam.
Unter den Flüchtlingen könnten sich Personen befinden, die bereits vor der Einreise Terrororganisationen angehörten oder erst in Deutschland begonnen haben, mit ihnen zu sympathisieren. Daraus ergebe sich eine „hohe Gefahr, dass sich aus diesem Kreis einzelne Personen dazu entscheiden, eigenständige terroristische Aktivitäten in der Bundesrepublik durchzuführen“.