Berliner Familienbericht 2015: Wie wir leben wollen
Die Bürgerämter funktionieren gut, die Schulen eher nicht – das sind einige Erfahrungen von Berliner Familien, zusammengefasst im Berliner Familienbericht. Im Mittelpunkt stehen auch die Akzeptanz unterschiedlicher Familienmodelle und der Zugang zu Bildung und Arbeit.
Fast keine Berliner Behörde bietet Spielecken für Kinder an, die Jobcenter behandeln Menschen wie Nummern, die Ausländerbehörde verbreitet Panik, die Bürgerämter funktionieren dagegen vorbildlich. Das sind subjektive Erfahrungen von Berliner Familien, zusammengefasst im aktuellen Berliner Familienbericht, der am Mittwoch an den Berliner Senat übergeben wurde. Stellvertretend erhielt Familiensenatorin Sandra Scheeres (SPD) den Bericht vom Vorsitzenden des Berliner Beirats für Familienfragen, dem ehemaligen Staatssekretär Thomas Härtel (SPD).
Der Familienbericht beruht auf insgesamt elf Diskussionsforen mit Familien, die von November 2013 bis Dezember 2014 vom Berliner Beirat für Familienfragen veranstaltet wurden. Im Mittelpunkt der Gespräche stand dabei die Akzeptanz unterschiedlicher Familienmodelle und der Zugang zu Bildung und Arbeit. Analysiert wurden auch die Erfahrungen im Stadtteil und mit Behörden.
Viel Kritik an steigenden Mieten
Das Zusammenleben und die Gemeinschaft in Kreuzberg wird gelobt. In Prenzlauer Berg und Neukölln kritisierten die Berliner hingegen eine zunehmende Anonymität durch Fluktuation in den Häusern. Beispielsweise durch immer mehr Ferienwohnungen. Generell wird die Situation von Wohnraum auf Grund der steigenden Mieten stark kritisiert. Viele Familien fordern daher, Mietsteigerungen zu bremsen und den Bau von Sozialwohnungen sowie generationsübergreifendes Wohnen zu fördern. Mit dem kulturellen und sozialen Angebot sind die Berlin laut Bericht zwar generell sehr zufrieden, verlangen jedoch eine bessere Vernetzung der einzelnen Institutionen. Bei den Grünflächen, Spiel- und Sportangeboten wünschen sich die Bürger eine bessere Instandhaltung sowie mehr öffentliche Toiletten und Möglichkeiten zur Müllentsorgung.
Homo-Eltern fühlen sich ausgegrenzt
Bei den Freizeitangeboten für Kinder geben die Familien ihrer Stadt gute Noten. Musikschulen, Stadtteilzentren und Quartiersmanagementbüros leisteten vorbildliche Arbeit. Bei den Schulen fielen die Kommentare dagegen eher kritisch aus. Erhebliche Defizite gebe es bei der Integration von Kindern aus Migranten-Familien und bei der Inklusion von Kindern mit Behinderung. Eltern nichtdeutscher Herkunft berichteten von Diskriminierungen an Schulen. Auch homosexuelle Eltern fühlen sich von Lehrern oft ausgegrenzt, heißt es im Bericht. Werden die Pädagogen direkt auf diese Erfahrungen angesprochen, folge oft kein konstruktives Gespräch. Die Lehrer „leugneten“ stattdessen die Ausgrenzung. Fehlende Kitaplätze werden zudem als großes Problem wahrgenommen.
Bereitschaft zum Ehrenamt ist groß
Viele Berliner wünschen sich von ihren Arbeitgebern mehr Anerkennung für ihre Familienarbeit und gleichzeitig mehr Verständnis vom Arbeitgeber. Außerdem sehen sie großen Nachholbedarf bei der Flexibilisierung der Arbeitszeiten und wünschen sich die Möglichkeit zur bedarfsabhängigen Reduzierung ihrer Arbeitszeit.
Bei der Jobvermittlung fordern die Berliner eine bessere Berücksichtigung der familienrelevanten Bedürfnisse und generell eine bessere Qualifizierung sowie Sensibilisierung der Jobvermittler und eine familienorientierte Ausweitung der Leistungspakete. Eine starke Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement zeigen vor allem die älteren Berliner. Jedoch wird auch eine Unterstützung des Engagements gefordert. Als beispielhaft wird hier die bezirkliche Ehrenamtförderung in Treptow-Köpenick hervorgehoben.
Sicherheitsgefühl ist am Stadtrand schlechter
Das individuelle Sicherheitsgefühl ist stark kiezabhängig. Besonders Frauen fühlen sich in Prenzlauer Berg, Mitte, Wedding und Friedrichshain auch nach 20 Uhr noch sicher, während in den Randbezirken auch ältere Menschen das Haus nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr gerne verließen. Regenbogenfamilien, also homosexuelle Paare mit Kindern, hätten Strategien, „wie sie sich in Berlin bewegen und welche Gegenden sie eher nicht besuchen“. Die Polizei wird laut Bericht generell als vertrauenswürdiger Helfer wahrgenommen.