Feuergefahr in Brandenburg: Wie Wald Waldbrand verhindern kann
In der Brandenburger Kiefern-Monokultur entwickelt sich Feuer zum Inferno. Sowohl Forstbetrieb als auch Naturschützer kennen die Lösung.
- Muhamad Abdi
- Jonas Bickelmann
Erneut brennt ein 100 Hektar große Waldfläche auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Jüterbog. Die Feuerwehr hatte das Feuer am Freitag offenbar unter Kontrolle – zumindest so lange kein allzu starker Wind den Brand erneut anfacht. Doch die anhaltende Hitze und Trocken macht die Lage im ganzen Land täglich gefährlicher. Dabei wissen Experten längst, wie die Wälder sicherer werden könnten. Denn: Auch Holz kann Feuer verhindern.
„Die Roteiche hat sich gut bewährt in unseren Wäldern. Für den Brandschutz ist sie interessant, weil sie diese riesigen Blätter hat: Je weniger Gras, desto weniger Feuergefahr“, sagt Jan Engel vom Landesbetrieb Forst Brandenburg. Mit den großen Blättern kann eine Eiche Sonnenlicht fernhalten, wie es Kiefernnadeln nicht können. In einem Mischwald mit vielen Laubbäumen ist es deshalb deutlich kühler, feuchter und dunkler als in der Kiefernmonokultur. Engel gräbt ein kleines Loch und fühlt, dass der Waldboden noch etwas Wasser hält – obwohl es kurz zuvor fast vierzig Grad heiß war und kaum regnete.
Unter Kiefern wäre das anders. In der Nähe besteht ein Abschnitt des Stadtforstes komplett aus spirreligen Kiefern „Wenn es hier brennt, dann richtig. Der ganze Wald“, sagt Engel. Auch der Landesbetrieb zweifelt nicht am Brandrisiko in der Monokultur.
Schnurgerade stehen die Nadelbäume nebeneinander. Wie Streichhölzer. Die Sonne fällt fast ungehindert auf den von Nadeln bedeckten Boden. Es riecht ein bisschen nach Badezusatz, nur trockener. Bis zu 45 Grad wurden an einem Hitzetag im Juni auf dem Boden einer Kiefernmonokultur bei Rheinsberg gemessen. Brandgefährlich. Von fast 790.000 Hektar Brandenburger Kiefernwald sind laut Waldinventur weniger als 70.000 naturnah.
Videos: Muhamad Abdi
Warum ist das Feuerrisiko im Kiefernwald so hoch und im natürlichen Mischwald niedrig? Pierre Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde erklärt, dass aus historischen Gründen Kiefern oft in naturfernen Plantagen stehen: in Monokulturen.
„Diese sind leicht entzündlich, weil die harzhaltigen Kiefern selbst gut brennen, trockene Nadelstreu, die Bodenvegetation und das Fehlen von starkem Totholz Brände begünstigen und auch das Mikroklima viel trockener und wärmer ist als in Laubwäldern. In den relativ offenen Beständen facht auch der Wind das Feuer zusätzlich leichter an.“
Harz, Trockenheit, fehlendes Totholz als Wasserspeicher und Wind sind aber nicht die einzigen Gründe dafür, dass die Kiefernwälder wie Zunder brennen. Werner Kratz vom Nabu Brandenburg ergänzt, dass die Bodenorganismen des Waldes Baumnadeln viel langsamer abbauen als Laub.
„Ganz wichtig ist das Verhältnis von Kohlenstoff und Stickstoff in den Nadeln und der Blattstreu. Bei Linde, Buche oder Kastanie ist es relativ günstig. Eichenblätter, gut gefüllt mit Gerbsäure, sehen sie schon länger auf dem Waldboden. Und die Nadelstreu ist erst nach vier bis fünf Jahren abgebaut, weil sie für die Bodenorganismen aufgrund der Inhaltsstoffe nicht so attraktiv ist. Das haben wir in langjährigen Versuchen in den regionalen Wäldern untersucht.“ Unter den Kiefernstämmen liegt ein dicker Teppich aus braungelben Nadeln. Beim Darüberlaufen knirschen sie.
Totes Holz als "Feuerlöscher"
Trockene Nadeln sind feuergefährlich, Totholz hingegen könnte Waldbrand hemmen. Naturschützer fordern zum Beispiel, dass einige tote Stämme im Wald bleiben. „Totholzbäume sind sozusagen Feuerlöscher, weil sie Wasser speichern“, sagt Kratz. Und in gesunden Wäldern könne auch das Feuer eine ökologische Funktion haben.
„In Australien oder auch am Mittelmeer wird Feuer bewusst eingesetzt. Natürlich darf dabei kein Kronenfeuer entstehen, das den Wald zerstören kann. Aber auf kleinen Brandflächen werden am Boden die Nadeln verbrannt und sind dann schneller für das Ökosystem als Nährstoff verfügbar. Die Kiefern überleben solche Bodenfeuer ohne Probleme. Dort und hier in Brandenburg.“
Werner Kratz und Jan Engel sind sich zumindest in dieser Sache einig: Natürlicher Wald schützt vor Waldbrand. Aber da fängt auch schon der Konflikt an. Denn wie dieser natürliche Wald entstehen soll, ist umstritten. Wie viel sollte der Mensch in die Natur eingreifen, damit der Wald natürlicher wird?
Möglichkeit eins: Einige Kiefern sterben lassen. Kratz und die Naturschützer sagen „Lasst endlich diese Kiefernplantagen-Bestände vergehen. Diese Monokultursysteme sind wie ein Patient, den sie mit Medikamenten füttern müssen, der aber nie gesund wird.“
Möglichkeit zwei: Kiefern soweit es geht nutzen. Jan Engel sagt, dass man im Wald neben der Ökologie auch andere Interessen berücksichtigen müsse: Nämlich Bildung, Erholung – und eben auch Holzanbau. „Wer den Wald komplett unter Schutz stellen will, lässt ungesagt, dass das Holz dann von woanders kommen muss. Fast überall auf der Welt wird es unter schlechteren Bedingungen als hier erzeugt“, sagt Engels Kollege Jens Schröder.
Ökologische Aufforstung
Auch nach dem Brand ist die Frage nach der Rolle des Menschen in der Natur wichtig. Pierre Ibisch plädiert dafür, die Flächen ökologisch aufzuforsten. „Die Standardvorgehensweise wäre alles zu räumen und neu zu bepflanzen. Wir haben vorgeschlagen, die Biomasse auf den Flächen zu lassen. Die ersten Bäume wachsen schon wieder.“
Wichtig sei die Ascheschicht, die das Wasser hält und Nährstoffe liefert. Wenn alles weggeräumt wird, werde der Boden ausgewaschen. „Wir werben dafür, dem Wald alles zu lassen, was ihm hilft, kühler zu bleiben und Wasser zurückzuhalten. Das kollidiert offenbar mit kurzfristigen wirtschaftlichen Interessen.“
Trotz aller Konflikte, der natürliche Wald entsteht bereits. Nur geht es zu langsam. Da sind sie sich wieder einig. „Waldumbau war immer Thema in der Politik, aber man hat nicht die Dringlichkeit gesehen. Wir müssen uns beeilen. Diese Kritik nehmen wir an“, sagt Engel.
Wie der Umbau funktioniert, ist bekannt. Das Wild ist ein Problem. Denn die sprießenden Eichen und Buchen schmecken den Tieren. Das Land Brandenburg ist in Deutschland auf dem ersten Platz beim Wildverbiss.
Um das Wild von den Jungbäumen fernzuhalten gibt es zwei Möglichkeiten: Jagd und Zäune. Beide sind altbekannt, werden aber zu wenig gefördert. Die Zäune sind teuer. Um gegen wühlende Wildschweine zu schützen müssen sie 60 Zentimeter in den Boden reichen. Außerdem halten sie Besucher ab. Aber wo Zäune stehen, können die jungen Laubbäume unter den alten Kiefern groß werden.
Werner Kratz betont außerdem die Rolle der Landwirtschaft: Nährstoffe aus der Gülle und dem Dünger der Landwirtschaft gelangten in die Waldböden. „Die Stickstoffspeicher in den Oberböden sind voll.“ Der Boden wird immer saurer – „das bekommt insbesondere den oberflächennahen Baumwurzeln nicht gut und sie sterben ab oder viele Pflanzen wachsen dann schlechter.“
Warum gibt es so viel Monokultur?
Dass es heute so viel Monokultur in Brandenburg gibt, ist das Ergebnis jahrhundertelanger Bewirtschaftung. Der ursprüngliche Mischwald wurde früh gefällt. Aber die Brandenburger pflanzten neue Bäume – sie brauchten den nachwachsenden Rohstoff Holz, zum Beispiel für die Glasproduktion. Dafür sollte das Holz möglichst schnell wachsen, um es bald ernten zu können.
Die Waldkiefer, Pinus sylvestris, ist ein einheimischer Baum. Allerdings würde sie unter natürlichen Bedingungen niemals in Monokultur vorkommen. Stattdessen: fast überall Mischwald. Wie der aussähe, weiß die Forstwissenschaft aus einem Modell. Vor allem Buchenmischwald im Norden und Eichenmischwald im Süden Brandenburgs.
Auch hier geht es um die Frage nach Menschen und Natur. Das Modell macht es sich leicht: Es nimmt an, alle Menschen seien evakuiert und Brandenburg menschenleer. Frage: Wie würde es 50 oder 100 Jahre später aussehen?
Eine Evakuation ist allerdings nicht zu befürchten. Deshalb müssen Ökologie und Ökonomie anders zusammenkommen. Ein Ansatz bestünde darin, den Privatwaldbesitzern aus staatlichen Töpfen Geld zu geben, wenn sie abgestorbene Bäume natürlich verrotten lassen. Solange ein Totholzbaum im Wald kein Geld bringt, aber auf dem Markt verkauft werden kann, spricht die Logik des Geschäfts gegen die Ökologie. Und für das Feuer.