Tipps für die Coronavirus-Krise: Wie Sie sich die freie Zeit zu Hause vertreiben können
Sauerteig, Fitness und die Kunst: In den eigenen vier Wänden kann man eine Menge anstellen und viel lernen – unsere Autorinnen und Autoren haben's ausprobiert.
Wegen der Ausbreitung des Coronavirus ist derzeit Daheimbleiben angesagt. Schritt für Schritt hat der Berliner Senat weitreichende Maßnahmen beschlossen, um die Pandemie zu bremsen und das Gesundheitssystem zu entlasten. Das öffentliche Leben ist weitgehend zum Erliegen gekommen, die Menschen sollen möglichst zu Hause bleiben.
Unsere Autorinnen und Autoren berichten, wie sie sich die freie Zeit in den eigenen vier Wänden vertreiben. Denn: Nur nach draußen geh’n wir nicht!
Sauerteig machen
Endlich mal ohne schlechtes Gewissen gehen lassen? Haha. Schöne Vorstellung im Homeoffice, das sich als Bürogemeinschaft mit angeschlossener Kindertagesstätte und Cateringservice entpuppt. Glücklicherweise habe ich festgestellt, dass es der geistigen Stabilität auch zuträglich ist, jemand anderen statt seiner selbst gehen zu lassen. Und so ist seit ein paar Tagen mein Sauerteig im Dauereinsatz.
Das hat gleich drei Vorteile: An die Planung des Abendessens brauche ich keinen Gedanken verschwenden, ich spare mir einen potenziell infektiösen Einkaufsbummel und kleine Erfolgserlebnisse schenkt er mir auch. Es hat jedes Mal was von Alchemie, wie sich ohne viel Zutun Mehl, Wasser, Salz, Luft und Hitze zu einem duftenden Laib Brot verwandeln.
Wer es mal ausprobieren will: Auf ploetzblog.de finden sich reichlich Anleitungen, die auch Anfänger verstehen. Vielleicht sollten wir uns in diesen Tagen alle ein Vorbild nehmen am Sauerteig. Er ist nicht hektisch, nicht laut und trotzdem äußerst produktiv. Moritz Honert
Puzzeln
Vor mir liegt eine Savanne in Afrika, eine Elefantenherde am Wasserloch, professionell zerstückelt in 2000 Teile. Nicht vom Wilderer, sondern vom Spielzeugwarenroboter. Er zerstört, ich setze wieder zusammen, schaffe Leben in 2D. Dazu brauche ich den Haufen ineinander verhakter Formen vor mir, aufgetürmt zu einem Puzzle-Berg mit lauter Zacken und Ecken. Definitiv ein Faltengebirge, das ich glätten muss, damit daraus ein Panorama von 135 Zentimeter mal 50 Zentimeter wird.
Wann habe ich das letzte Mal ein Puzzle zusammengesetzt? Das muss vor der Erfindung von Techno gewesen sein. Als Kind fand ich das Geduldsspiel nicht anstrengend, deswegen habe ich als Erwachsener ein Bild mit vierstelliger Teilchenzahl gewählt.
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Ich habe mich bei der Motivwahl für eine grünbraune Soße entschieden, mindestens die Hälfte des Puzzles besteht aus Grasland und Himmel. Viele einfarbige Flächen, die eine zähe Arbeit versprechen. Schlammbraun, baumbraun, schilfbraun, flaschengrün, hellgrün, gelbgrün. Meine Augen schmerzen. Kein Stück passt zum anderen.
Ich versuche eine andere Strategie und suche nach den vier Eckteilen. Etwa 48 Stunden später habe ich sie gefunden. Nun folgen die Randstücke. Ich komme mir vor wie ein Wissenschaftler, der zur Strafarbeit ans Mittelmeer versetzt wurde und Strandkiesel nach Formen sortieren muss.
Nachts träume ich von Teilchen, die sich wie von Geisterhand ineinanderfügen. Am nächsten Nachmittag stehe ich vor dem Puzzle und erkenne, dass nichts Sinn ergibt. Ein bisschen wie dieses Leben auf der Straße gerade, nur noch ein Fragment des früheren.
Vor meinem Auge flimmern Wolkenfetzen, und irgendwo in Afrika verdurstet gerade ein Elefant, weil ihm ein Rüssel fürs Wasserloch fehlt. Ulf Lippitz
Galerist werden
Schon vor Monaten haben wir bei uns in der Wohnung etwas eingerichtet, das meine Freundin und ich „die Wechselausstellung“ nennen. Objektiv betrachtet ist es kaum mehr als ein Nagel in der Küchenwand. Doch wollten wir hier endlich ein Platz für unsere kreativen Ergüsse schaffen: Linoleumdrucke, Stickereien auf Leinenstoff, Wachsmalbilder.
Immerhin gibt es im Netz doch so viele Inspirationsquellen. Eliott Lucas erklärt auf Youtube die Grundlagen von Drucktechniken anhand eines Monstera-Blattes. Anna Hermsdorf zeigt auf Instagram stilisierte Frauenportraits mit Pilzköpfen oder Eiscremefrisuren. Fehlt das Equipment, reicht auch eine Kartoffel als Stempel. Jede Woche sollte ein neues Meisterwerk unsere Privatgalerie schmücken. Im Moment hängt hier der Schwarz-Weiß-Druck eines traurigen Brachiosaurus. Markus Lücker
Vibrieren
Unter meinem Sofa schlummert ein Vibro Shaper. Das ist ein Fitnessgerät, das aus einer wackelnden Platte besteht, deren Vibration die tiefen Muskeln besonders stimulieren soll. Also, wenn man darauf Kniebeugen, Sit-ups, Liegestützen oder ähnliches vollführt. Nur wackelig rumstehen reicht nicht. Kurzen Fame hatten diese Vibrationsplatten bei der WM 2006, als Jürgen Klinsmann die Nationalmannschaft damit fit gemacht hat.
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Das Ding gehörte meinem Vater, der hat es den Kindern geschenkt, die lachten, wenn sie darauf saßen. Irgendwann verloren sie das Interesse. Heute wirkt es schon ein bisschen Vintage, aber es wackelt noch.
Täglich um 8.30 Uhr zehn Minuten Sport: Verhaltensforscher haben rausgefunden, dass man sein Leben nur ändern kann, indem man sich gute Gewohnheiten schafft. Test läuft. Felix Denk
Ordnung schaffen
Ich sage nur: Hängemappe. Das geniale Ordnungstool für analoge Messies wie mich. Besser als jeder Aktenordner. Auf dem ausrangierten Couchtisch, dem Gästesofa, dem Teewagen – überall stapeln sich im Laufe von Monaten rausgerissene Artikel: das coole Helsinki, das sonnige Sizilien, das kaffeeselige Wien, das bürgerrechtsbewegte Alabama... Jetzt ist die Zeit, sie in die Hand zu nehmen, sich die Beschreibungen auf der Zunge zergehen zu lassen.
Eiscreme zum Frühstück, Rentier zum Abendessen, ein Streifzug durch die neuen Bibliotheken Skandinaviens, diesen Kathedralen der demokratischen Öffentlichkeit – zu träumen von der Zeit, in der wieder Reisefreiheit herrscht. Und dann all diesen Geschichten ein Heim zu geben. Das hat mir mal eine Aufräumerin erklärt: Jedes Ding braucht sein Zuhause. Sonst herrscht Chaos, in dem das Gesuchte nie gefunden wird.
Also habe ich mir Nachschub besorgt, die Reiter mit Filzstift beschriftet und die Artikel in ihre passenden Hängemappen gebettet. Sollen es ja auch schön haben. Mens sana in domicilium sano, wie der Lateiner sagt: In einer gesunden Wohnung lebt ein gesunder Geist. Susanne Kippenberger
Kalt duschen
Eins ist klar: So ein Homeoffice verlangt Disziplin. Früher habe ich mich ja gerne mal von meinem inneren Schweinehund bestimmen lassen. Diese Lotterzeiten sind vorbei! Nach zehn Tagen Quarantäne und Homeoffice kann ich sagen: Mich rettet die kalte Dusche morgens. Betonung liegt auf kalt, nichts da Wechseldusche, nur kalt ist das Geheimnis.
Geht schnell, erfrischt enorm, spart Wasser und Energie und trainiert für kommende Krisen mit Stromausfall. Schon meine Großmutter hat darauf geschworen, meine Mutter auch, von der Kriegsgeneration können wir viel lernen.
[Das Coronavirus in Berlin – alle aktuellen Entwicklungen lesen Sie in unserem Liveblog.]
Zweite Regel fürs Homeoffice: Morgengymnastik. Hier greife ich zu den Rezepten der Jetzt-Zeit. Meine Sieben-Minuten-Trainings-App peitscht mich durch Hampelmänner, Trizeps-dips, Wall-sits, Push-ups und Stuhl-Step-ups. Am Ende ruft ein junger Mann bewundernd: Das Workout ist komplett! Herzlichen Glückwunsch! Danke, mein Lieber, ich weiß schon, diese Zeiten bringen mich in Höchstform.
Anschließend gilt – dritte Regel – Tausch der Lotter-Turnkleidung gegen ein normales Outfit, die Disziplin muss auch äußerlich sichtbar sein. Eigentlich möchte ich mit derselben Verve auch täglich meine Meditations-App anwerfen, das hat mein Schweinehund bisher verhindert. Aber beim Pausen-Kaffee auf dem Balkon blicke ich ihm tief in die Augen und schwöre: Dich kriege ich klein. Dorothee Nolte
Marmelade machen
Mehl weg, Zucker weg – Gelierzucker liegt noch im Supermarktregal. Und gefrorene Himbeeren in der Tiefkühltruhe. Also eingekauft, die Küchenmaschine angeworfen, Obst und Zucker im Verhältnis eins zu eins eine Viertelstunde rühren lassen. Fertig ist die fruchtigste Himbeermarmelade, die man sich denken kann.
Flüssiger als gewohnt und nicht so lange haltbar (Kühlschrank!) – aber sie wird eh schneller weg sein als man Halt! rufen kann. Und die leeren Gläser, die man beim Aufräumen gefunden hat, bekommen endlich einen Sinn. Susanne Kippenberger